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Nach Diesel-Skandal: VW legt Nachhaltigkeitsbericht für 2015 vor

Für den Volkswagen Konzern waren die letzten 15 Monate ein Desaster: Der Abgasskandal ließ den Aktienkurs einbrechen, milliardenschwere Strafzahlungen folgten, viele Kunden wendeten sich enttäuscht ab. Jetzt wollen die Wolfsburger das Ruder herumreißen – mit mehr Nachhaltigkeit. Wie genau das gelingen soll, zeigen sie in ihrem neuen Nachhaltigkeitsbericht und dem begleitenden Magazin „Shift“.

19.12.2016

Nach Diesel-Skandal: VW legt Nachhaltigkeitsbericht für 2015 vor

„Wir müssen Nachhaltigkeit stärker in unsere Managementprozesse integrieren.“ Das sagt Dr. Thomas Steg, Generalbevollmächtigter des Konzerns und Leiter Außenbeziehungen und Nachhaltigkeit. VW hat dazu in den letzten Monaten unter anderem das konzernweite Nachhaltigkeitsmanagement neu aufgestellt und einen internationalen Nachhaltigkeitsbeirat ins Leben gerufen. Er ist mit weitgehenden Informations-, Konsultations- und Initiativrechten ausgestattet und kann eigene Nachhaltigkeitsprojekte initiieren.

Dem Gremium gehören unter anderem der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, und die ehemalige EU-Kommissarin für Klimaschutz, Connie Hedegaard, an. Gemeinsam mit sieben weiteren hochkarätigen Fachleuten sollen sie regelmäßig mit dem Vorstand über den weiteren Weg der VW-Nachhaltigkeitsstrategie diskutieren. Auf ihrer Agenda stehen neben der gesellschaftlichen Verantwortung und Integrität des Unternehmens die Themen nachhaltige Mobilität und Klimaschutz sowie die Zukunft der Arbeit und die Digitalisierung.

Rechtswesen und Compliance neu aufgestellt

Anfang 2016 hat Volkswagen zudem die Bereiche Rechtswesen und Compliance neu aufgestellt und mit der Juristin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt die erste Frau zum Mitglied des Konzernvorstands berufen. Sie leitet das neu geschaffene Ressort „Integrität und Recht“ und soll dafür sorgen, dass Volkswagen künftig nicht nur rechtskonform, sondern auch richtig handelt. „Integrität in einem Unternehmen“, sagt sie, brauche „einen gemeinsamen Wertekanon, der auch allen bekannt ist“. Dem Nachhaltigkeitsbericht 2015 zufolge haben im vergangenen Jahr rund 193.000 Mitarbeiter Compliance-Schulungen durchlaufen, nach knapp 186.000 Mitarbeitern ein Jahr zuvor.

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Hohmann-Dennhardt, die früher Bundesverfassungsrichterin und Justizministerin in Hessen war, sagt, anständiges Verhalten sei „Voraussetzung dafür, wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich zu sein“. Derzeit kann bei Volkswagen von Letzterem noch nicht die Rede sein. Das Geschäftsjahr 2015 hat der Autobauer mit dem größten Verlust der Unternehmensgeschichte abgeschlossen. Der Aktienkurs dümpelt weiter rund die Hälfte unter den Höchstständen vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals. Die finanziellen Belastungen für dessen Aufarbeitung beziffert VW auf 17,8 Milliarden Euro bis Ende Juni 2016. In der weltweiten Reputationsstudie Global RepTrak 100 rutschte VW von Rang 14 im Jahr 2015 auf Rang 123 im aktuellen Jahr ab.

180-Grad-Wende eingeleitet

Vor dieser Gemengelage hat Konzernvorstand Matthias Müller eine 180-Grad-Wende eingeleitet. Mit der „TOGETHER – Strategie 2025“ soll Volkswagen zu einem weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität aufsteigen. Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich sind dafür den Angaben zufolge geplant. Eine Elektrifizierungsoffensive wurde eingeläutet. Bis 2025 soll die über alle Konzernmarken mehr als 30 neue Stromfahrzeuge auf den Markt bringen. Außerdem wollen die Wolfsburger zum führenden Hersteller von intelligenten Transportlösungen aufsteigen.

Elektrisch, geteilt, vernetzt: So sieht VW-Vorstandsvorsitzender Müller die Mobilität von morgen. In einem Beitrag für das Nachhaltigkeitsmagazin „Shift“ schreibt er, Volkswagen werde „das Verbesserungspotenzial im Verbrenner heben und die Motoren so sauber machen, wie es geht“. Unter Verweis auf internationale Klimaverträge fordert er zudem, dass die Automobilindustrie die CO2-Emissionen ihrer Flotten „bis 2050 kontinuierlich Richtung null senken“.

Noch viel zu tun

Im eigenen Haus steht Müller dabei noch viel Arbeit bevor. Die durchschnittliche CO2­Emission der europäischen Neuwagenflotte des Konzerns lag 2015 bei 121 Gramm pro Kilometer. Der Anteil von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben ist gemessen an den insgesamt bei VW und seinen Töchtern weltweit vom Band gelaufenen Autos verschwindend gering: Autos mit Gasantrieb kamen 2015 auf 0,9 Prozent, solche mit Hybridantrieb auf 0,4 Prozent, Stromfahrzeuge auf 0,18 Prozent. Die Anzahl der Modelle, die bereits unter dem ab 2021 gültigen Grenzwert von 95 Gramm CO2/Kilometer liegen, beziffert VW auf 87 – von rund 340 Modellvarianten, die die zwölf Konzernmarken insgesamt anbieten.

Die selbstverschuldete Krise haben die Wolfsburger offensichtlich lange noch nicht durchgestanden. Auch Vorstandsvorsitzender Müller redet das nicht schön. „Volkswagen hat wertvolles Vertrauen verspielt“, schreibt er im Vorwort des neuen Nachhaltigkeitsberichts gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Gesamt- und Konzernbetriebsrats, Bernd Osterloh. „Wir setzen alles daran, dieses Vertrauen zurückzugewinnen“. Mehr Nachhaltigkeit erachte man dabei als „Voraussetzung für dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg“. Ökonomische, soziale und ökologische Ziele strebe man „gleichrangig und gleichzeitig“ an.

Über den Bericht

Volkswagen hat seinen Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2015 Ende November 2016 vorgelegt. Er wurde nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI G4) erstellt, von unabhängigen Wirtschafsprüfern zertifiziert und erscheint erstmals nur online. Der Bericht ist zugleich Fortschrittsmitteilung an den Global Compact der Vereinten Nationen. Flankiert wird er vom Nachhaltigkeitsmagazin „Shift“. Es zeichnet auf 54 Seiten die Erwartungen des politischen und gesellschaftlichen Umfelds an den Konzern nach.

Quelle: UmweltDialog
 

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