Messen & Konferenzen

Wie geht grünes Eventmanagement?

Warum sich auch die Eventindustrie nachhaltigen Herausforderungen stellen muss, erklärt der Event- und Kulturmanager Stefan Lohmann im Interview. 2016 gründete er das Sustainable Event Solutions-Netzwerk, das einen ganzheitlichen Ansatz für die Beratung und Durchführung von nachhaltigen und klimaneutralen Veranstaltungen bietet.

15.07.2016

Wie geht grünes Eventmanagement? zoom
Auch die Eventindustrie muss sich nachhaltig aufstellen.

Herr Lohmann, wo gibt es heute positive Ansätze zu einem nachhaltigen Veranstaltungsmanagement?

Stefan Lohmann:
Veranstaltungen wie der Deutsche Nachhaltigkeitspreis werden klimaneutral durchgeführt - das liegt auf der Hand. Mittlerweile werden aber immer mehr Veranstaltungen klimaneutral umgesetzt. Unter anderem auch der Live Entertainment Award, der wichtigste Award der Live Entertainment-Industrie. Das ist ein richtiges und wichtiges Signal an die gesamte Branche, denn die ist ja bekanntlich für einen großen Teil der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.

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Welche konkreten Beispiele und Zahlen können Sie nennen?

Lohmann: Zum Beispiel den PRG Live Entertainment Award. Zur Verleihung 2016 sind etwa 1300 Gäste gekommen, fast alle aus Deutschland. Einige Redner und Künstler wurden aus England eingeflogen. Bei solch einer Award-Veranstaltung fallen ca. 250 Tonnen CO2 an. 66% der Emissionen entfallen auf die An- und Abreise der Teilnehmer und den Materialtransport. Weitere Emissionsquellen sind mit ca. 16% der Energieverbrauch, sowie die Unterbringung und Verpflegung (12,7%).

Eine Tournee mit 10 LKW Showtechnik und 4 Nightlinern (Busse, in denen man in Kojen schlafen kann) mit 19 Terminen verursacht durch An- und Abreise der Band und Crew, deren Verpflegung und Unterbringung sowie dem Energieverbrauch der Veranstaltung Treibhausgasemissionen in Gesamthöhe von ca. 500-700 t CO2. Durch die An- und Abreise der Besucher (15.000) entstehen zusätzlich im Durchschnitt Emissionen in Höhe von 500 Tonnen CO2 pro Konzert.

Die Emissionen von großen mehrtägigen Events wie der Hessentag (mehr als 1.500.000 Besucher) verursachen auch schon mal bis zu 30.000 Tonnen CO2. Die Organisatoren des diesjährigen Hessentages haben angekündigt, die Veranstaltung klimaneutral durchführen zu wollen. Wenn man diese Zahlen hochrechnet mit den vielen tausenden von Events und Tourneen, die jedes Jahr in Deutschland durchgeführt werden, dann erahnt man, wie hoch der CO2-Ausstoß dieser Branche ist. An diesen Beispielen ist deutlich erkennbar, dass der Großteil der CO2- Emissionen auf die An- und Abreise der Zuschauer zurückzuführen ist

Wie wird diese Entwicklung von den Veranstaltern angenommen?

Lohmann: Immer mehr Event- und Tourneeveranstalter, aber auch Künstler, stellen sich der Herausforderung, den CO2-Ausstoß reduzieren zu wollen. FKP Scorpio, einer der größten Festival-Veranstalter in Deutschland, setzt beispielsweise auf „Grün Rockt". Bei dem Projekt geht es darum, den Müll zu reduzieren und umweltgerecht zu entsorgen sowie die Anreise umweltschonend zu planen.

Es geht aber auch darum, die Festivalbesucher für den sorgsamen Umgang mit der Umwelt zu begeistern. Die Begeisterung halte ich auch für einen wichtigen Aspekt, denn erst durch die Mithilfe und die Sensibilisierung der Gäste, können die Bemühungen nachhaltigen Erfolg bringen. Allerdings ohne erhobenen Zeigefinger und schlechtes Gewissen. Ich nutze den Begriff Ecotainment für Entertainment und Veranstaltungen mit niedrigschwelliger Sensibilisierung für das Thema der alltäglichen Umweltschonung.

Was sind Ihrer Meinung hier die größten Herausforderungen?

Lohmann: Es gibt gleichzeitig zu dieser positiven Entwicklung auch eine große Verunsicherung in der Branche in Bezug auf Umweltmanagement, konkreter Umsetzung, Zertifikate und der Kosten. Hier sind verlässliche und erfahrene Experten gefragt, denn der Druck auf Firmen, Veranstalter und die Regierung steigt.

Es wurden beim Pariser Klimagipfel klare Vorgaben verabschiedet, die nun umgesetzt werden müssen. Ab 2017 müssen auch Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern entsprechende Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Die Bundesregierung hat ehrgeizige Ziele vorgegeben, die sich nur erreichen lassen, wenn sich wirklich etwas in Deutschland ändert.

Allerdings sind viele in der Entertainment-Branche und in der Politik davon überzeugt, dass sich der Bürger_innen bzw. Zuschauer_innen und Endkunden nicht an den Mehrkosten beteiligen wollen. Deshalb hüllen sich auch viele ins Schweigen, wenn es um dieses Thema geht.

Haben Eventagenturen Angst, ihre Kunden mit dem Thema zu verschrecken?

Lohmann: Ja, weil es angeblich immer Mehrkosten bedeutet, was aber so auch nicht stimmt, denn ein gutes Umweltmanagement schließt auch Potentiale zur Effizienz und Kostenreduktion mit ein. In einem Interview mit Bezug zum Petersberger Klimadialog und Pariser Klimagipfel, habe ich gelesen, dass man annehme, dass die Politik die Bürger nicht mit alltagsnahen Klimapolitikthemen verschrecken will. Die Angst vorm „Bürger" liegt wohl darin begründet, dass sich viele Vorhaben verzögern oder gekippt werden müssen, wenn die Klimapolitik dem „Bürger" zu nah kommt (z.B. Stromtrassen).

Weshalb ist das Ihrer Meinung nach eine Fehleinschätzung?

Lohmann: Im Gespräch mit einem der weltweit größten Tickethändler wurde aufgrund meiner Nachfrage zum Thema Green Ticketing festgestellt, dass bei Veranstaltungen mit entsprechendem Bezug zum Thema Umwelt (Alternative Musikfestivals, ElectroFestival, Bio-Messen etc.) die Zusatzkosten für die Beteiligung an den Kosten der CO2-Reduzierung immer freiwillig und zusätzlich gezahlt wurden. Daraufhin wurde vom Ticketdienstleister beschlossen, sich dem Thema Green Ticketing gemeinsam intensiver zu widmen.

Sind die „Bürger_innen" also bereit, sich an der Reduzierung der CO2- Emissionen zu beteiligen und für ihre eignen CO2-Emissionen selbst die Verantwortung zu übernehmen?

Lohmann: Eindeutig ja. Denn anders als bei der Stromtrassen-Diskussion geht es hier um sehr überschaubare einstellige Eurobeträge pro Veranstaltung und pro Person. Allerdings funktioniert das nur, wenn es auf einfache und verständliche Weise kommuniziert wird, und die Abwicklung unkompliziert ist bzw. im Bestellprozess oder im Endpreis inbegriffen ist: Click & Go. Da erfahrungsgemäß der größte Teil der Emissionen von Veranstaltungen durch die An- und Abreise der Teilnehmer verursacht werden, liegen auch hier die größten Reduktionspotentiale.

Was gehört für Sie noch zu einem professionellen Umweltmanagement?

Lohmann:
Die richtige Auswahl der Location mit guter Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel, Kooperationen mit der Deutschen Bahn für Veranstaltungstickets, Kooperation mit Hybrid-, Biogas-, E-Taxi-Service, sichere ausreichende Stellplätze für FahrräderFinden Sie jetzt das perfekte Fahrrad für Sie! etc. gehören genauso dazu wie die Betrachtung der Logistik, Optimierung der Technik, Berücksichtigung des Stromverbrauches, Biostrom-Lieferanten, lokales Catering, Hotel, Merchandising und vieles mehr. Die Kompensation der unvermeidbaren Emissionen eines Events durch zertifizierte Projekte sorgt für die letztendliche Klimaneutralstellung der Veranstaltung.

Dass die Regierung die Industrie auffordert und verpflichtet, sich nachhaltig für den Umweltschutz zu engagieren, ist meiner Meinung nach richtig und im Hinblick auf die Zielvorgaben auch unerlässlich.

Die Eventindustrie muss sich den Herausforderungen stellen, und ich bin sicher, dass die Bevölkerung bereit ist ihre eigene Verantwortung für den Umweltschutz zu übernehmen.
Umweltmanagement für Veranstaltungen und Tourneen wird Standard werden. Das ist nicht mehr aufzuhalten. Ähnlich wie mit dem Rauchverbot in geschlossenen Räumen, wird man wird sich irgendwann fragen, warum es das nicht schon immer gab.

Der Beitrag erschien in veränderter Fassung auch in der Huffington Post.

Quelle: UD
 

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