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Divestment in Deutschland: Begriffsklärung und Grenzen

Im Rahmen der globalen Divestment Mobilisierung Anfang Mai sind weltweit Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um für Klimaschutz und einen Ausstieg aus fossilen Energien zu demonstrieren. Doch wie ist diese Forderung nach „Divestment“ einzuordnen?

26.06.2017

Divestment in Deutschland: Begriffsklärung und Grenzen

Von Sarah Guhr, Facing Finance e.V.

Divestment wird gemeinhin als Ausstieg aus Investitionen in Anleihen und Aktien von Kohleunternehmen verstanden, um den Klimaschutz zu fördern. Doch geht der Begriff im eigentlichen Sinne viel weiter: neben Investitionen in Wertpapiere fallen auch andere Finanztransaktionen wie Kredite oder die Ausgabe von Aktien und Anleihen darunter. Außerdem erstreckt sich die Forderung nach Divestment auf die gesamte fossile Industrie, das heißt auf Unternehmen, die Kohle, Öl oder Gas gewinnen bzw. daraus Energie erzeugen.

In den vergangenen Jahren stand jedoch insbesondere der Ausstieg aus den klimaschädlichsten fossilen Brennstoffen, Braun- und Steinkohle, im Vordergrund. So haben zahlreiche europäische Großbanken bereits die Klimaverhandlungen in Paris im November 2015 zum Anlass genommen, einen teilweisen Ausstieg aus der Kohle zu beschließen. In Paris hatte sich die internationale Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. So besagt Artikel 2.1 (c) des Abkommens, dass „Finanzströme in Einklang mit einem Niedrigemissionspfad und klimaresilienter Entwicklung“ gebracht werden müssen. Während viele Finanzakteure dies insbesondere als verstärkte Investitionen in klimafreundliche Projekte und Technologien interpretieren, fällt der im Umkehrschluss notwendige Ausstieg aus fossilen Energien häufig unter den Tisch.

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Insbesondere deutsche Akteure hinken im internationalen Vergleich hinterher. Nur einige wenige Städte und Kommunen haben bislang einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschlossen. Unter den deutschen Großbanken sind nur die Commerzbank und die Deutsche Bank einen Schritt in Richtung Divestment gegangen und schließen zumindest die direkte Finanzierungen für den Bau neuer Kohlekraftwerke und die Erschließung neuer Kohleminen aus. Doch andere große Investoren und Finanzierer zeigen sich ungerührt: Die inzwischen zweitgrößte deutsche Bank DZ finanzierte erst kürzlich den Neubau eines Kohlekraftwerkes im Mekong-Delta in Vietnam und ist dort bereits in Gesprächen für ein weiteres Kohlekraftwerksprojekt. Auch die öffentlich-rechtliche Landesbank Baden-Württemberg weigert sich bislang, einen Ausstieg aus der Finanzierung von bzw. Investition in fossile Energien zu beschließen – und das, obwohl sich die schwarz-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg bereits im Mai 2016 im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet hat, „die Landesbank auf dem Weg zur Entwicklung einer Divestment-Strategie“ zu unterstützen.

Auch der Fair Finance Guide gibt den größten deutschen Banken ein schlechtes Zeugnis in Sachen Klimaschutz. So erforderten die wenigsten Banken von ihren Finanzpartnern, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Auch eine Erweiterung des Divestments auf den Öl- und Gassektor sei bei den meisten deutschen Akteuren noch lange nicht in Sicht. Neben den Banken zeigen auch deutsche Versicherer bislang wenig Ambitionen, den Pariser Klimazielen nachzukommen. Die Allianz hatte sich im Rahmen der Pariser Klimaverhandlungen noch als Vorreiter profiliert und sich zu einem Ausstieg aus Unternehmen verpflichtet, die mehr als 30% ihres Umsatzes oder ihrer Energieerzeugung aus Kohle generieren. Dennoch gilt die Allianz neben der Munich Re und der Hannoverschen Talanx als einer der wichtigsten Versicherer für fossile Projekte und ist mit fast 60 Mrd. USD unter den europäischen Versicherern der größte Investor in fossile Unternehmen.

Doch nicht nur aus Klimaschutzgründen sollte ein Divestment von fossilen Vermögenswerten erfolgen. Auch das potentielle finanzielle Risiko der fossilen Investments ist in den letzten Jahren ein weiterer wichtiger Aspekt des Divestment geworden. Demnach stellen fossile Brennstoffe „gestrandete Vermögenswerte“ dar, sollte eine starke klimapolitische Regulierung die verbindliche Verringerung von Treibhausgasemissionen einfordern. Neben Kohle-, Öl- und Gasunternehmen wären auch andere Industrien wie Transport, Hoch- und Tiefbau sowie andere energieintensive Produkte von einer klimapolitischen Regulierung betroffen und stellten somit ein zusätzliches finanzielles Risiko für den Finanzsektor dar.

Fazit: Ein reines Divestment von fossilen Aktien und Anleihen hat nur einen begrenzten Effekt für den Klimaschutz. Wesentlich relevanter ist es, dass Banken und Versicherer keine Finanzdienstleistungen im Zusammenhange mit dem Bau neuer fossiler Kraftwerke oder der Erschließung von fossilen Lagerstätten erbringen. Denn nur wenn Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben, wird ein echter Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Außerdem ist es wichtig, dass Bank- und VersicherungskundInnen sich bewusst werden, dass ihr Geld bei fossilen Unternehmen landen kann bzw. ihre Vermögensanlage von deren klimaschädlichen Geschäftsmodellen profitiert. Trotz einiger Erfolge in den letzten Jahren bleibt daher noch viel zu tun in Sachen Divestment in Deutschland.

Quelle: UD
 

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