Zertifikate & Siegel

Mit Brief und Siegel

Das Angebot an nachhaltigen Publikumsfonds ist sowohl auf europäischer Ebene als auch im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nach Einschätzung verschiedener Marktakteure hat es dabei inzwischen ein Niveau erreicht, das es für den Anleger sehr schwer, wenn nicht beinahe unmöglich macht, sich einen Überblick zu verschaffen. Abhilfe sollen Siegel schaffen, die die Transparenz oder Qualität der Fonds bewerten und damit eine Entscheidungshilfe geben sollen. Wie sich die Situation hier derzeit darstellt, beleuchtet der folgende Beitrag.

18.05.2016

Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG).
Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG).

Auf 400 ist die Zahl der im deutschsprachigen Raum zugelassenen Nachhaltigkeitsfonds im vergangenen Jahr gestiegen. Insgesamt wurden 2015 39 Fonds neu in die Fondsdatenbank des Sustainable Business Institute (SBI) aufgenommen. Diese Fonds wurden entweder neu aufgelegt, haben ihre Strategie auf "Nachhaltigkeit" umgestellt oder waren bereits in anderen Ländern zugelassen. 32 Fonds wurden im Laufe des Jahres 2015 geschlossen oder mit anderen Fonds zusammengelegt. Das Volumen der Fonds lag Ende 2015 bei insgesamt 45 Milliarden Euro und damit zwei Milliarden Euro unter dem Stand von Ende 2014. Das Angebot umfasste u.a. 206 Aktien-, 80 Renten-, 73 Misch- und 11 Dachfonds.

34 dieser Fonds haben das im Herbst 2015 erstmals vergebene Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) erhalten, 38 hatten sich beworben. Das FNG-Siegel wird an Fonds vergeben, die u.a. Ausschlusskriterien berücksichtigen, die sich auf die zehn Prinzipien des UN Global Compact beziehen. Diese decken die Bereiche Menschen- und Arbeitsrechte, Umweltschutz und Korruption ab. Zudem müssen Betreiber von Atomkraftwerken sowie Hersteller von kontroversen und geächteten Waffen vom Investment ausgeschlossen werden.

Haessler-Fonds-2016
Haessler-Fonds-2016

Nur drei Fonds – ein Fonds der Erste Sparinvest und zwei Fonds von Triodos Investment Management – konnten diese und weitere Auswahlkriterien so umfassend erfüllen, dass sie vom FNG bzw. der für die Vergabe des Siegel zuständigen Tochtergesellschaft für die Qualitätssicherung Nachhaltiger Geldanlagen mbH (GNG) die Höchstbewertung von drei Sternen erhielten. 14 Fonds erhielten zwei bzw. einen Stern, drei Fonds bekamen zwar das Siegel, aber keinen Stern.

Das FNG-Siegel ist nur eines der am Markt verfügbaren Siegel, die die Transparenz und/oder inhaltliche Qualität von Nachhaltigkeitsfonds bewerten und so vor allem die privaten und semiprofessionellen Anleger bei der Anlageentscheidung unterstützen sollen. Daneben werben derzeit u.a. das Eurosif Transparenzsiegel, das österreichische Umweltzeichen und das Luxflag ESG-Siegel um die Aufmerksamkeit der Anleger und das Budget der Fondsanbieter. Zusätzlich sind Auszeichnungen am Markt, die sich auf Anlageprodukte jenseits der Fonds beziehen, etwa das Qualitätsiegel von ECOreporter, oder einzelne Qualitäten der Fonds hervorheben, beispielsweise das Label zur Klimabilanz von Anlageprodukten von South Pole.

Zu viele Siegel, zu wenig Abdeckung

Die Vergabe von Siegeln steckt dabei derzeit in einem doppelten Dilemma: Zum einen wird ab einer gewissen Schwelle mit jedem neuen Siegel der Markt nicht transparenter, sondern eher wieder unübersichtlicher. Zum anderen haben viele Siegel nur eine geringe Marktabdeckung und können damit das Versprechen, eine Entscheidungshilfe in einem unübersichtlichen Markt zu liefern, nur eingeschränkt erfüllen.

Das Problem der "Versiegelung" ist aus anderen Lebensbereichen, etwa den Biosiegeln im Lebensmittelbereich, bekannt. Hier hat sich gezeigt, dass viel nicht viel hilft, sondern eher für Unsicherheit sorgt bzw. die Glaubwürdigkeit der Siegel insgesamt in Frage stellt. Wo genau die Grenze ist, ab der das nächste Siegel in diesem Sinne wieder zu Reduzierung der Markttransparenz beiträgt, ist allerdings nicht zu bestimmen.

Das zweite Problem besteht in der vergleichsweise geringen Marktabdeckung einiger Siegel. So kann die Bewerbung von 38 Fonds in der ersten Vergaberunde des FNG-Siegels als Erfolg gewertet werden. Die 34 ausgezeichneten Fonds decken allerdings nur 8,5 Prozent der am deutschsprachigen Markt zugelassenen Fonds ab. Gerade in der Öffentlichkeit bzw. den Medien kann so der Eindruck entstehen, dass nur ein Teil der insgesamt zugelassenen Fonds die Bezeichnung Nachhaltigkeitsfonds überhaupt verdient.

Nur wer als Privatanleger genau hinschaut, kann erkennen, dass sich nicht alle Fonds beworben haben bzw. aus methodischen Gründen überhaupt das Siegel erhalten können. Für die Wahrnehmung noch problematischer könnte die Interpretation sein, dass es nur drei wirklich nachhaltige Fonds gibt, nämlich die 3-Sterne-Fonds. Das Problem der unzureichenden Abdeckung trifft auch für andere Siegel zu.

Siegel aus Verbrauchersicht

Aus Sicht der Anleger gelten für die Siegel die gleichen Anforderungen wie für andere Verbraucherinformationen. Das Maß der Dinge ist hier der Dreiklang von Nützlichkeit, Nutzbarkeit und Nutzung. Während es bei der Nützlichkeit um die Frage geht, ob das Siegel in der Entscheidungssituation wertvolle Informationen bietet, steht bei der Nutzbarkeit der Aspekt im Vordergrund, ob die Informationen so gestaltet sind, dass sie leicht und richtig verarbeitet werden können. Bei der Nutzung geht es schließlich darum, ob die Siegel tatsächlich auch genutzt werden. Dies hängt z. B. von ihrer Bekanntheit und Verbreitung ab.

Ohne an dieser Stelle jedes Siegel im Hinblick auf jede dieser drei Dimensionen analysieren zu können, fällt u. a. Folgendes auf. Das große Angebot von Siegeln mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung führt dazu, dass sich die Informationssuche aus Anlegersicht von der Frage, welches Nachhaltigkeitskonzept ein Fonds verfolgt auf die Frage verlagert, nach welchen Kriterien ein Siegel vergeben wird.

Die inhaltlichen Konzepte sind dabei zum Teil recht anspruchsvoll und verlangen von den Anlegern ein gewisses Maß an Vorkenntnissen zur nachhaltigen Kapitalanlage. Die geringe Abdeckung kann bei Anlegern, die sich am Siegel orientieren, dazu führen, dass Fonds, die u.U. besonders geeignet wären, gar nicht betrachtet werden. Schließlich ist die Bekanntheit der Siegel mit hoher Wahrscheinlichkeit so gering, dass die Anleger derzeit im Zweifelsfall nicht wissen, dass es eine solche Orientierungshilfe gibt.

Siegel aus Anbietersicht

Auch die Anbieter stellt die Vielfalt der Siegel vor Herausforderungen. So müssen sie in aller Regel für die Prüfung des Fonds und die Vergabe bzw. Nutzung des Siegels bezahlen. Der Preis liegt dabei beispielsweise beim FNG-Siegel je Fonds bei 2.800 Euro und dies unabhängig vom Erfolg der Prüfung und der Vergabe des Siegels. Nutzer des Luxflag ESG-Siegel bezahlen die hier fälligen 3.000 Euro dagegen nur bei erfolgreicher Zertifizierung. Da die Siegel regelmäßig für ein Jahr vergeben werden, fallen diese Kosten auch jährlich an.

Fondsgesellschaften, die mit einzelnen Fonds auf verschiedenen Märkten aktiv sind und/oder eine möglichst hohe Nachhaltigkeitsqualität belegen wollen, nutzen teilweise mehrere Siegel, was insgesamt zu einem recht hohen Arbeitsaufwand und Kosten in fünfstelliger Höhe führen kann. Diese Kosten fallen zwar grundsätzlich ins Marketingbudget der Gesellschaften und können nicht dem Fonds angerechnet werden, stellen aber aus Sicht der Fondsanbieter Kosten dar, die über Gebühren erwirtschaftet werden müssen.

Gleichzeitig besteht aus Sicht der Anbieter das Risiko, bei der Entscheidung für ein Siegel auf das falsche Pferd zu setzen, wenn sich ein anderes Siegel am Markt durchsetzt. Aufgrund der jährlichen Vergabe der Siegel ist dieses Risiko allerdings begrenzt. Schließlich kann eine sehr differenzierte Bewertung der Fonds, wie etwa beim 4-Stufen-Konzept des FNG, dazu führen, dass Fonds, die "nur" einen oder keinen Stern bekommen haben, auf die Nutzung des Siegels in der Marktkommunikation verzichten.

Voller Durchblick durch Fondsanalysen

Am Markt ist man im Hinblick auf die Transparenz von Fonds schon einen Schritt weiter. In der jüngeren Vergangenheit haben gleich mehrere Anbieter angekündigt, die Nachhaltigkeitsqualität von Fonds auf Basis der darin gelisteten Einzeltitel bewerten zu wollen. So führt MSCI nach eigenen Aussagen ein Nachhaltigkeitsranking für über 21.000 Fonds und ETFs ein, bei dem jeder Fonds einen absoluten und einen relativen Score im Vergleich zu seiner Peer Group erhält. Bei der Bewertung werden die drei Kategorien Sustainable Impact, Werte und Management von ESG- Risiken bewertet.

Das Analysehaus Morningstar will in Kooperation mit der Nachhaltigkeitsratingagentur Sustainalytics mit seinem Sustainability Rating für Fonds eine aggregierte Übersicht über die Unternehmen liefern, die in den Fonds gelistet sind. Vergleichbare Analysen bieten auch yourSRI und das Institut Finance & Ethics Research. Im Unterschied zu den Siegeln bewerten die Fondsanalysen nicht, was theoretisch in einen Fonds hineinkommen kann und was nicht, sondern in welche Emittenten tatsächlich investiert wird. Das Angebot richtet sich allerdings weniger an Privatanleger als an semiprofessionelle und professionelle Investoren.

Fazit

Die derzeit verfügbaren Siegel orientieren sich noch zu wenig an den zentralen Anforderungen an eine wirksame Verbraucherinformation, der Nützlichkeit, Nutzbarkeit und Nutzung. Defizite bestehen vor allem bei der Bekanntheit und Abdeckung, einige Siegel setzen zudem recht umfassende Vorkenntnisse des Marktes voraus, wenn man als Anleger nachvollziehen will, nach welchen Kriterien sie vergeben werden. Aus Sicht der Anleger als wichtiger Zielgruppe der Siegel ist zudem die recht hohe Zahl von unterschiedlichen Siegeln kritisch zu sehen. Eine stärkere Orientierung am Ziel, eine echte Hilfe bei der Anlageentscheidung zu sein, würde sowohl den Anlegern nutzen, als auch den Anbietern der Fonds eine Rechtfertigung für die entstehenden Kosten liefern.

Quelle: UD
 

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