Politik

Tafel fordert mehr Armutsbekämpfung

Im Vorfeld des Bundestafeltreffens im Juni zieht der Bundesverband Deutsche Tafel e.V. Bilanz über das vergangene Jahr. Der Verband fordert eine menschenwürdige Sozialpolitik und kritisiert die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft.

04.06.2014

Tafel fordert mehr Armutsbekämpfung zoom
Der Andrang auf die Warenausgabe der örtlichen Tafeln nimmt zu.

Der Bundesverband Deutsche Tafel e.V. zeigt sich besorgt über die Veränderung der Nutzergruppen bei den Tafeln. „Wir erleben, dass sich Armut und Armutsbedrohung weiter in der Gesellschaft verbreitet als die Bundesregierung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht vermittelt“, so Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbands bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. „Es entsetzt uns, dass immer mehr Menschen von Armut betroffen sind, obwohl Deutschlands Wirtschaftszahlen gut sind. Die Tafeln sind eine Kompassnadel für gesellschaftliche Entwicklungen. Bei uns wird die Not der Menschen sichtbar. Wir beobachten schon seit längerem die Tendenz, dass neben ALG-II-Empfängern auch Menschen zu uns kommen, die Arbeit haben. Das sind vor allem Alleinerziehende und ihre Kinder, prekär Beschäftigte und Teilzeitkräfte. Altersarmut ist damit vorprogrammiert. Die Politik darf hier nicht einfach wegsehen. Die Einführung des Mindestlohns ist ein erster richtiger Schritt, aber er kann nur ein Baustein sein bei der Bekämpfung von Armut“, so Brühl weiter.

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Seit dem letzten Jahr beobachten die Tafeln noch weitere Veränderungen in ihrer Nutzerstruktur: vermehrt kommen auch Studenten zu den Tafeln. „Natürlich ist die angespannte finanzielle Situation bei Studierenden zeitlich begrenzt. Sie eröffnen sich gerade durch das Studium die Perspektive, später gut bezahlte Arbeit zu bekommen. Der finanzielle Aufwand für ein Studium und die steigenden Lebenshaltungskosten führen jedoch dazu, dass immer weniger junge Menschen aus wirtschaftlich und sozial benachteiligten Familien an die Universitäten gehen. Nur etwa 20% der Nichtakademiker-Kinder beginnen ein Studium. Dabei ist Bildung der beste Schutz vor Armut. Wir fordern daher eine bedarfsgerechte Anpassung des BAföG-Satzes und des Elternfreibetrages. Ein durchlässigeres Bildungssystem ist Voraussetzung dafür, dass junge Menschen den Aufstieg schaffen können“, sagt Brühl.

Gestiegen ist nach Angabe des Bundesverbands die Zahl der Asylbewerber und der EU-Zuwanderer, die zu den Tafeln kommen. Brühl erklärt: „Die Tafeln melden uns, dass vermehrt Menschen aus Syrien, Afghanistan, und auch aus Rumänien und Bulgarien zu ihnen kommen. Unsere Nachricht lautet ganz klar: Die Tafeln sind offen für jeden, der bedürftig und in Not ist. Die zusätzlichen Nutzergruppen stellen unsere ehrenamtlichen Mitglieder aber vor Herausforderungen. Zum einen steigen die Lebensmittelspenden nicht so schnell wie die Nutzerzahlen. Zum anderen erfordert gerade der Umgang mit traumatisierten Kriegsflüchtlingen interkulturelle und vor allem psychologische Kompetenz. Wir sagen deshalb auch: Es kann nicht sein, dass die Politik sich darauf verlässt, dass die Tafeln die Not der Geflüchteten und Zugewanderten auffangen. Es ist eine staatliche Aufgabe und eine humanitäre Pflicht, für einen menschenwürdigen Aufenthalt in Deutschland zu sorgen. Die Tafeln können und wollen nur ein ergänzendes Angebot sein, sie sind keine Vollversorger.“

Die Tafeln ersetzen nicht den Sozialstaat

Es sei darüber hinaus eine staatliche Pflicht, allen Bürgerinnen und Bürgern die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. „Die Politik darf sich nicht auf dem freiwilligen Engagement der Zivilgesellschaft ausruhen. Die Tafeln können Armut nur lindern, aber nicht ihre Ursachen bekämpfen. Das ist Aufgabe des Sozialstaates. Der Staat muss für eine ausreichende soziale Grundsicherung sorgen, die jedem ein menschenwürdiges Auskommen ermöglicht“, mahnt der Vorsitzende.

Der Bundesverband begrüßt es, dass das Thema Lebensmittelverschwendung die Politik und die Öffentlichkeit beschäftigt. Die jüngste Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft belegt, dass 82 Kilo Lebensmittel pro Person und Jahr weggeworfen werden. Der Bundesverband befürwortet daher den Vorschlag, die Liste der Lebensmittel auszuweiten, für die nach EU-Recht kein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben werden muss.

Stabile Spendenentwicklung

2013 machten die Geldspenden an den Bundesverband rund 4,6 Millionen Euro aus. Im Vergleich zum Vorjahr liegen diese damit etwa 1,4 Millionen Euro höher. „Dieser Zuwachs lässt sich mit der Einnahme von 1,4 Millionen Euro aus einer einmaligen Spendenaktion des Norddeutschen Rundfunks im Dezember letzten Jahres erklären. Die Spendeneinnahmen aus dieser Aktion gehen zu 100% an die norddeutschen Tafeln“, erklärt der Schatzmeister des Verbands, Willy Wagenblast, die Zahlen. Rund 1,1 Millionen Euro spendeten die Lidl-Kunden im Rahmen des Pfandspendenprojekts. Hinzu kommen Spenden und dauerhafte Fördermitgliedschaften von Einzelpersonen sowie Zuwendungen größerer und kleinerer Unternehmen.

Die Menge der an den Verband gespendeten Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs ist im Vergleich zum Vorjahr etwa konstant geblieben. Insgesamt waren 2013 für die Logistik des Bundesverbandes alleine mit den Lebensmittel- und Sachspenden rund 600 LKWs im gesamten Bundesgebiet unterwegs. Das entspricht knapp 20.000 Paletten mit gespendeten Waren.

Diese Menge erscheint hoch, zumal die örtlichen Tafeln ebenfalls Tag für Tag große Mengen Lebensmittel von ihren lokalen Spendern abholen. „Dennoch sind im letzten Jahr viele Tafeln an ihre Grenzen gelangt: Da die Nutzerzahlen vielerorts stärker steigen als die Lebensmittelspenden, konnten die Tafeln pro bedürftigem Kopf oft weniger verteilen, als in den Jahren zuvor. Die Logistik des Bundesverbandes bemüht sich weiter, Großspenden insbesondere in diesen „Mangelregionen“ zu verteilen – um die Lebensmittelsituation vor Ort zumindest etwas zu verbessern“, erläutert Wagenblast.

Quelle: UD/na
 

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