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Fleischatlas 2016: Weniger Bauernhöfe, mehr Fleisch

Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben jetzt in Berlin den ersten „Fleischatlas Deutschland Regional 2016“ mit Daten, Fakten und Grafiken zu Fleischproduktion und -konsum in den 16 Bundesländern veröffentlicht. Demnach konzentriert sich die Produktion von Fleisch auf immer weniger Betriebe, zugleich setzt sich das Höfesterben ungebremst fort.

14.01.2016

Fleischatlas 2016: Weniger Bauernhöfe, mehr Fleisch zoom

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte anlässlich der Präsentation des Fleischatlas: „In den letzten 15 Jahren mussten bis zu 80 Prozent der Betriebe bzw. Bauernhöfe die Tierhaltung aufgeben, während gleichzeitig bundesweit bis zu 50 Prozent mehr Fleisch produziert wird.“ Massiv seien das Höfesterben, Konzentrationsprozesse und die zunehmende Industrialisierung vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen in der Rinder- und Schweinezucht, so Unmüßig weiter. Doch auch in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg nehme zwar die absolute Zahl der Schweine- und Hühnerhaltungen ab, die Betriebe würden jedoch immer größer.

“Wenn bei steigenden Produktionsmengen in Bayern fast 30.000 Betriebe und in Niedersachsen mehr als 13.000 Höfe die Schweinehaltung aufgeben, dann haben wir es mit einem tiefgreifenden Strukturwandel zu Lasten kleinbäuerlicher und mittelständischer Betriebe zu tun. Dies befördert weiter eine agroindustrielle Landwirtschaft, deren Folgen für das Tierwohl und die natürlichen Lebensgrundlagen auf immer weniger gesellschaftliche Akzeptanz stoßen.“ Zugleich mache diese Landwirtschaft noch abhängiger von Futtermittelimporten aus dem Ausland, wo Sojamonokulturen bereits heute soziale und ökologische Verheerungen anrichteten, sagte Unmüßig.

Laut „Fleischatlas Deutschland Regional 2016“ wächst die Fleischproduktion in jenen Bundesländern am stärksten, in denen bereits überdurchschnittlich viele Tiere gemästet werden. „Der Trend zu Megamastanlagen geht weiter. Neue Tierfabriken werden geplant, wo die Auswirkungen der Fleischindustrie bereits am deutlichsten zu spüren sind. Dort sind die Ammoniak-Emissionen aus den Ställen und die Nitratwerte im Grundwasser jetzt schon inakzeptabel hoch“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Niedersachen hat die meisten Mastplätze für Schweine

Neben Nordrhein-Westfalen gelte dies insbesondere für Niedersachsen, wo Mitte 2015 bereits rund vier Millionen Mastschweine gezählt worden seien. Nach Recherchen des BUND wurden zwischen 2012 und 2015 von den niedersächsischen Behörden über hundertfünfzigtausend Schweinemastplätze neu genehmigt. „Allein im Landkreis Vechta wurden zwischen 2013 und 2014 trotz einer bereits existierenden extrem hohen Schweinedichte über 87.000 neue Schweinemastplätze genehmigt. Im Kreis Vechta produzieren knapp 800 Schweinemäster mehr Tiere als in ganz Schleswig-Holstein oder Hessen. Dies gefährdet die Trinkwasserversorgung und geht oftmals mit einer Missachtung des Tierwohls einher“, sagte Weiger.

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BUND: Agrarsubventionen an Gemeinwohlorientierung koppeln

Eine ähnliche Entwicklung sieht der BUND-Vorsitzende in der Geflügelfleischproduktion. Neben Niedersachsen solle beispielsweise auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen in immer größeren Anlagen immer mehr Geflügel gezüchtet werden. Würden alle beantragten Tierplätze genehmigt, könnte die Masthühnchen-Haltung in Brandenburg noch einmal um knapp acht Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern um mehr als 16 Prozent, in Sachsen-Anhalt sogar um über 30 Prozent wachsen. Auch in Sachsen seien hohe Steigerungsraten zu erwarten.

Das mit dem Wachstum großer Masttieranlagen verbundene Höfesterben lasse sich nur stoppen, wenn Agrarsubventionen künftig stärker an Kriterien wie die Leistung der Betriebe für das öffentliche Wohl gebunden würden. Weiger: „Dumpingpreise für Lebensmittel treiben viele Bauern in den Ruin. Die Bundesregierung und insbesondere Bundesagrarminister Christian Schmidt müssen endlich gegensteuern und den Irrsinn von Massenproduktion, Export und der Maximierung von Profiten beenden. Nur dann können bessere Tier- und Naturschutzstandards gewährleistet werden.“

Vertrauen in die Fleischwirtschaft schwindet

Heinrich-Böll-Stiftungsvorstand Unmüßig ergänzte: „Auch bei den Schlachtbetrieben sind es die zehn größten Konzerne, die mehr als 70 Prozent aller Schweine schlachten. Die riesigen Anlagen liegen dicht an dicht – fast alle in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Inzwischen führen die qualvolle Tierhaltung, der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika und eine massive Umweltverschmutzung dazu, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in die Fleischwirtschaft haben.“

Inzwischen seien über 80 Prozent der Deutschen bereit, höhere Preise für Fleisch und Wurst zu zahlen, wenn sie dadurch zu besseren Haltungsbedingungen der Tiere beitragen könnten. „Doch statt diese Chance zu ergreifen, setzt die deutsche Agrarpolitik weiter vor allem auf Dumpingpreise und massive Exporte auf den Weltmarkt und schadet so den Bauern, der Umwelt und den Tieren hier und weltweit“, sagte Unmüßig.

Quelle: UD/pm
 

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