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Das soll "Mehr Tierwohl" sein?

Das sogenannte Tierwohllabel des Bundesagrarministers ist eine Mogelpackung. Ein breit abgestelltes Tierschutzbündnis lehnt staatliches Tierwohllabel ab und kritisieren scharf die von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt veröffentlichten Kriterien für die Einstiegsstufe des Labels.

28.04.2017

Das Tierschutzbündnis (Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt, Bundesverband Tierschutz e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., PROVIEH e.V., VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz) spricht hinsichtlich der Kriterien von Verbrauchertäuschung und Betrug. Da das staatliche Tierwohllabel zudem freiwillig ist und über 80 Prozent der Schweine in Deutschland nicht betreffen wird, fordern die Tierschutzorganisationen eine obligatorische EU-Kennzeichnungspflicht für alle tierischen Produkte, analog zu der bekannten 0 - 1 - 2 - 3 Kennzeichnung von Eiern. Nur so können sich Konsumenten beim Einkauf tatsächlich bewusst für oder gegen ein Haltungssystem entscheiden.

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Bewertung der wichtigsten "Mehr Tierwohl"-Kriterien in der Einstiegsstufe aus Tierschutzsicht:

Platzangebot
Das sogenannte Tierwohllabel schreibt einem Schwein in der Endmast 1,3 m² Platz vor, statt den gesetzlich vorgeschriebenen 1m². Das Tierschutzbündnis fordert mind. 50 Prozent mehr Platz (1,5m² pro Schwein), davon mind. 0,8m² als Liegebereich. Dieser ist wichtig, damit die Schweine Rückzugsmöglichkeiten haben und ungestört ruhen können. Dieser Ruhebereich muss eingestreut sein, um Liegeschwielen zu vermeiden.

Beschäftigung und Raufutter
Das sogenannte Tierwohllabel schreibt ständigen Zugang zu Raufutter und Beschäftigungsmaterial für Schweine vor. Der ständige Zugang zu Beschäftigungsmaterial entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, der EU-weit seit fast 10 Jahren gilt (EU-RL 2008/120/EG). Die Tierschützer kritisieren, dass eine Angabe der Mindestmenge für das Raufutter fehlt.

Buchtenstrukturierung
Das sogenannte Tierwohllabel schreibt eine geschlossene Liegefläche nur für Aufzuchtferkel vor. Zucht- und Mastschweine dürfen weiterhin auf Beton- Vollspaltenböden gehalten werden. Das Tierschutzbündnis fordert eine eingestreute Liegefläche für alle Schweine, die ein bequemes Liegen ermöglicht und eine Buchtenstrukturierung mit ausreichend Rückzugsmöglichkeiten, z.B. auch vor aggressiven Artgenossen bietet.

Kastenstand
Das sogenannte Tierwohllabel verringert die Zeit der Kastenstandhaltung von Sauen im Deckbereich, erlaubt jedoch weiterhin die wochenlange Kastenstandhaltung von Sauen im Abferkelbereich. Der Kastenstand ist ein Metallgestell, das nicht größer ist als die Sau selbst, so dass diese sich nicht einmal umdrehen kann und voll fixiert ist. Der Boden besteht aus Beton- Teilspaltenboden ohne Einstreu. Das für die kurz vor der Geburt stehenden Sauen so wichtige Nestbaumaterial gibt es nicht. Der Mangel an Bewegung und Beschäftigungsmöglichkeiten, das Gezwungen-sein, dort hin zu koten, wo sich die Sau auch hinlegen muss sowie die Isolation von der Gruppe ist für die Tiere eine Tortur, die zu verschiedenen Gesundheits- und Verhaltensstörungen führt. Nach dem Magdeburger Urteil, das im November 2016 vom Bundesverwaltungsgericht als rechtskräftig bestätigt wurde, sind gängige Kastenstände, in denen eine Sau sich nicht ungehindert in Seitenlage hinlegen kann, im Deckbereich nicht mehr zulässig. Das sogenannte Tierwohllabel entspricht hier also auch nur dem derzeit gültigen Gesetzesstandard.

Schwanzkupieren
Das routinemäßige Kürzen von Ringelschwänzen ist seit 1994 EU-weit verboten, in Deutschland ist dies in schätzungsweise 99 Prozent der Schweine haltenden Betriebe jedoch geduldete Realität. Die Begründung der Industrie, es ginge nicht anders, weil die Schweine sich sonst die Ringelschwänze gegenseitig abbeißen, rechtfertigt nicht den seit Jahrzehnten geduldeten Rechtsbruch. Nur durch Beschäftigungsmangel, Langeweile, Platznot und Managementfehler fangen die Schweine bereits im Ferkelalter an, sich gegenseitig an den Ringelschwänzen zu knabbern. Alternative Schweinehaltungen zeigen seit Jahrzehnten, dass Schwanzkupieren nicht notwendig ist, wenn Schweine ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden. Dies bedeutet: jederzeit ausreichend Raufutter wie Heu oder Silage, viel Stroh zum Wühlen und um eine weiche Liegefläche zu bieten, ausreichend adäquate Tränken und Futterplätze, viel mehr Platz, Rückzugsmöglichkeiten und im besten Fall ein Auslauf im Freien.

Transportdauer
Das sogenannte Tierwohllabel schreibt eine maximale Transportdauert von acht Stunden vor. Das Tierschutzbündnis fordert eine maximale Transportdauer von vier Stunden.

Schlachtung (bessere Kontrolle von Betäubungen)
Das sogenannte Tierwohllabel fordert ein Verfahren zur Kontrolle der Wirksamkeit der sicheren und tiefen Betäubung, macht jedoch keine konkreten Vorgaben hierzu. Das Tierschutzbündnis fordert konkrete Maßnahmen, die die hohe Anzahl von Fehlbetäubungen verhindern. Es bedarf konkreter Vorgaben (Kriterienkatalog) zur Feststellung der Wirksamkeit der Betäubung, strengere Kontrollen und Sanktionen von Tierschutzverstößen in allen Bereichen: bei Anlieferung, im Wartebereich, bei Betäubung und Schlachtung. Das Tierschutzbündnis fordert zudem die Erhebung tierbezogener Parameter am Schlachthof mit Rückmeldung an die Landwirte.

Quelle: UD/pm
 

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