Energiewende

„Grüner“ Wasserstoff aus grünem Strom

Das HYPOS-Projekt setzt auf die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien für die Herstellung von Wasserstoff. Das Ziel: Unabhängiger werden vom Erdöl und anderen fossilen Energieträgern. Das chemische Verfahren ist nicht neu, es wirtschaftlich und sicher zu machen, daran arbeitet HYPOS mit inzwischen 114 Mitgliedern, darunter Siemens, und die Linde AG.

31.05.2017

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Sachsen-Anhalt gehört deutschlandweit zu den Vorreitern beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Und es ist Stromexporteur: 50 Prozent der hier erzeugten Energie aus Wind, Biomasse und Sonne werden verkauft, weil mehr grüner Strom produziert wird, als im Land verbraucht werden kann. Den überschüssigen Strom zur Herstellung von Wasserstoff und dessen Speicherung oder Weiterverarbeitung zu verwenden, wäre eine Alternative - nachhaltig und wertschöpfend. Daran arbeitet das Projekt Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany, kurz HYPOS, ein Netzwerk von Unternehmen aus Energiewirtschaft, Chemie und Anlagenbau sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen. HYPOS wurde 2013 als Verein gegründet mit anfangs sieben Mitgliedern; inzwischen sind es 114, darunter Siemens, die Linde AG, der Gasnetzbetreiber VNG oder der Elektrolysegerätehersteller Kumatec. Gefördert wird das Projekt vom Bund im Rahmen des Programms „Zwanzig20 - Partnerschaft für Innovation“ mit bis zu 45 Millionen Euro, die Industrie beteiligt sich mit einem Eigenanteil von 25 Millionen Euro.

Die Forschungs- und Entwicklungsleistungen von HYPOS sollen die gesamte Wertschöpfungskette vom Stromerzeuger bis zum Gasnutzer erfassen. Ziel: Mittels zentraler Elektrolyseanlagen, die von Wind- und Solarparks oder Biogasanlagen mit Strom versorgt werden, soll Wasserstoff hergestellt werden. „Grünen Wasserstoff“, nennt Professor Ralf Wehrspohn, Leiter des beteiligten Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von HYPOS, dieses Produkt. Denn für das Verfahren werden erneuerbare Energien genutzt, und anders als bei konventionellen Verfahren wird der Wasserstoff auch nicht aus fossilen Energieträgern gewonnen. Der grüne Wasserstoff kann einerseits als Energiespeicher dienen, andererseits ist er transportabel. Über bereits bestehende Pipelines kann er zu einer Vielzahl an Abnehmern gelangen, zum Beispiel aus der chemischen Industrie. „Wasserstoff könnte als Basis-Chemikalie genutzt werden. Kunststoffe, Treibstoffe, Vorprodukte für die kosmetische Industrie können daraus hergestellt werden. Eigentlich das ganze Spektrum, wofür man heute erdölbasierte Systeme einsetzt“, erklärt Professor Ralf Wehrspohn.

Überschüsse nutzen

Perspektivisch könne man so eine geringere Abhängigkeit von Erdöl erreichen. „Das ist der große Vorteil unseres Systems: die regionale Wertschöpfung. Wir haben den Strom hier, den wandeln wir um in Wasserstoff, und dann können wir unsere Chemiekette direkt beliefern und müssen nicht mehr Erdöl und Erdgas aus fernen Regionen einkaufen. Und wir sind nachhaltig, weil der Strom eben aus Erneuerbaren gewonnen wird.“

Aus überschüssigem Strom, um genau zu sein. Davon, erläutert Ralf Wehrspohn, gäbe es zwei Arten. Zum einen den zeitlichen Überschuss, der entsteht, weil mitunter aufgrund der Verhältnisse - viel Wind zum Beispiel - schlicht zu viel Energie erzeugt würde. Dem würde momentan mit der Abschaltung von Windkraftanlagen begegnet. „Und dann gibt es den regionalen Überschuss, da Sachsen-Anhalt deutlich mehr Strom produziert als es selbst nutzt.“ Vor allem dieser regionale Anteil sei es, den HYPOS nutzen wolle. Die Perspektiven der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien seien verlässlich. Der aktuelle Ausbauplan sehe bis 2020 sogar einen Anteil von 80 Prozent vor.

Dass das Netzwerk in Sachsen-Anhalt entstand, ist kein Zufall. Ostdeutschland sei ein „Brennglas“ der Energiewende, sagt Professor Wehrspohn. „Hier bündeln sich viele Vorteile. Es gibt einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien, und es gibt potenzielle Abnehmer aus der chemischen Industrie. Außerdem verläuft entlang der A9, etwa von Leipzig bis Berlin, eine Pipeline. Sie ist mit 150 Kilometern Länge die zweitgrößte Pipeline Deutschlands.“ Darin könne der Wasserstoff eingespeist werden.

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Sachsen-Anhalt ist außerdem eine Region mit vielen Salzkavernen, riesigen Hohlräumen im Salz 300 Meter unter der Erdoberfläche. Momentan werden diese für die Speicherung von Erdgas genutzt – mit einer Kapazität von Millionen von Kubikmetern. Natürlich wurden, bevor man sich für Mitteldeutschland entschied, auch andere Regionen geprüft. In Norddeutschland zum Beispiel gibt es zwar ebenfalls viel Windenergie - aber keine Pipeline. Durch Nordrhein-Westfalen wiederum verläuft zwar die größte Pipeline, aber dort gibt es keine Kavernen und Erneuerbare Energien stellen dort bislang einen sehr geringen Anteil am gesamten Primärenergieverbrauch.

Wirtschaftlichkeit im Fokus

Die „optimale Konstellation“ also findet man laut Professor Ralf Wehrspohn in Sachsen-Anhalt, und weil die Infrastruktur vorhanden sei, erhoffe man sich, bis zum Ende des Projektes 2022 grünen Wasserstoff wirtschaftlich herstellen zu können. Das Verfahren selbst gibt es bereits, aber momentan ist es noch zu teuer. Die Wirtschaftlichkeit ist einer der beiden Punkte, auf denen der Fokus des Projektes liegt. Der andere ist das Thema Sicherheit. „Wir bestimmen Sicherheitsfaktoren für die Technologie. Das Thema soll von Anfang an berücksichtigt werden, um eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen“, so Professor Wehrspohn. Dazu gehöre auch, die Bedarfe der Menschen zu ermitteln. Einer könne, zum Beispiel, die Verwendung von Wasserstoff als Treibstoff für Brennstoffzellenautos sein oder, ähnlich dem Erdgas, als Wärmequelle.

Ein weiterer Effekt wird im Rahmen des Projektes ebenfalls erforscht: Bei der Elektrolyse wird Wasser gespalten in Wasserstoff und Sauerstoff. Der wurde bislang ignoriert, erweckt aber inzwischen immer mehr Interesse im Netzwerk. Denn auch Sauerstoff könnte wirtschaftlich genutzt werden, bei der biologischen Reinigung von Kläranlagen etwa.

Die Zahl der HYPOS-Akteure wächst kontinuierlich, Investoren sind willkommen; seit das Projekt bekannter geworden ist, sind bereits Anfragen aus der ganzen Welt eingegangen. „Delegationen aus Unternehmen waren schon da, die überlegt haben, in das Projekt einzusteigen. Einige sind sogar Mitglied geworden“, sagt Professor Wehrspohn. Durch die Präsenz auf der Intersolar Europe erhoffe man sich weitere gute Möglichkeiten, um das Netzwerk präsentieren, stärken und ausbauen zu können.

Quelle: UD/pm
 
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