Soziales Engagement

10 Jahre Hamburger Hauptschulmodell: Erfolgreiche Bilanz

Hauptschulabgänger stoßen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oft auf große Hindernisse: Viele Unternehmen hegen ihnen gegenüber Vorurteile. Sie selbst haben häufig ein geringes Selbstwertgefühl, weswegen sie sich auf dem Arbeitsmarkt nur schwer behaupten können. Diesen Schülern hilft das Hamburger Hauptschulmodell, das nun sein zehnjähriges Jubiläum und bedeutende Erfolge feiert: Im Vergleich zum Projektstart 2001 konnte die Anzahl der Hauptschulabgänger, die direkt nach der Schule in eine ungeförderte Ausbildung starten, verdreifacht werden. Inzwischen wird das Projekt - eine Kooperation von 91 Hamburger Schulen, 75 Unternehmen und Organisationen, dem Hamburger Senat sowie der Berufsberatung - in 19 weitere Regionen angewendet.

27.10.2011

Die Initiatoren des Hamburger Hauptschulmodells (v.l.n.r.): Michael Behrendt (Hapag- Lloyd AG), Dr. Michael Otto (Otto Group), Olaf Scholz (Bürgermeister Hamburg), Ties Rabe (Senator der Behörde für Schule und Berufsbildung). Foto: Otto Group
Die Initiatoren des Hamburger Hauptschulmodells (v.l.n.r.): Michael Behrendt (Hapag- Lloyd AG), Dr. Michael Otto (Otto Group), Olaf Scholz (Bürgermeister Hamburg), Ties Rabe (Senator der Behörde für Schule und Berufsbildung). Foto: Otto Group
„Ich finde es sehr gut, dass ich so eine starke Hilfe bekommen habe und bin froh, dass ich einen anspruchsvollen Ausbildungsplatz gefunden habe“, berichtet Alexandra Rohr. Sie ist Auszubildende zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik bei Nestlé Deutschland in Hamburg. Die Stelle hat sie mit Unterstützung des Hamburger Hauptschulmodells gefunden. Hauptziel des Projekts ist es, die Anzahl der Hauptschulabgänger mit nahtlosem Übergang in eine ungeförderte duale Ausbildung, deutlich zu erhöhen. Dr. Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group, ist Mitbegründer des Modells und berichtet anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen über die Motivation zur Gründung des Hamburger Hauptschulmodells: „Im Jahr 2000 stellten wir im Rahmen einer Stichprobe fest, dass nur knapp sieben Prozent der Hamburger Schulabgänger mit Hauptschulabschluss direkt im Anschluss an die Schule eine ungeförderte Ausbildung begannen.“ Nach Ansicht Michael Ottos lag es auch in der Hand der Unternehmen, dieser Schülergruppe eine faire Chance auf Ausbildung zu geben. 1999 hatte Otto bereits mit der Hapag-Lloyd das Hamburger Netzwerk der „Initiative für Beschäftigung“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit zehn Hamburger Schulen, zehn Partnerunternehmen, dem Hamburger Senat und der Agentur für Arbeit entwickelten sie dann das Konzept des Hamburger Hauptschulmodells.

Stärken und Interessen sind wichtiger als Schulnoten

Es basiert auf der Erkenntnis, das Stärken und Interessen ein besserer Maßstab sind als Schulnoten, um die Ausbildungseignung zu ermitteln. Kern des Konzepts ist ein Drei-Säulen-Modell, das aus den drei Grundpfeilern Schule, Arbeitsagentur und Unternehmen besteht. Sie bilden die Brücke von der Schule in die Arbeitswelt und erfüllen unterschiedliche Funktionen: In der Schule werden zu Beginn des letzten Schuljahres die Stärken und Schwächen der Schüler ermittelt. Besondere Beachtung liegt dabei auch auf den Fähigkeiten, die im Schulalltag nicht immer zur Geltung kommen. Die Arbeitsagentur ermittelt auf Grundlage dieser Stärken und Schwächen passende Ausbildungsberufe und unterbreitet Vermittlungsvorschläge. Die Unternehmen bieten dann den Schülern eine persönliche Beratung durch einen Personalreferenten, die immer in dem jeweiligen Unternehmen stattfindet. So erhalten die Schüler einen Vorgeschmack auf Vorstellungsgespräche und bekommen von ihrem Berater Rückmeldung zu ihren Vorstellungen, ihrem Auftreten und den Bewerbungsunterlagen.

Knotenpunkt „Koordinierungsstelle Ausbildung“

Für den reibungslosen Ablauf des Projekts wurde die „Koordinierungsstelle Ausbildung“ eingerichtet. Sie ist Anlaufstelle für Schulen, Arbeitsagentur und Unternehmen, informiert Schüler, Eltern und Lehrer und kümmert sich um zeitnahe Beratungstermine für die Jugendlichen bei der Arbeitsagentur oder in den Betrieben. „Die Koordinierungsstelle Ausbildung ist einer unserer wichtigsten Partner in der Berufsorientierung. Fast alle Ausbildungsplätze, die in diesem Jahr gewonnen wurden, wurden über sie gewonnen“, berichtet Björn Lengwenus, Abteilungsleiter Stadtteilschule Barmbeck. Die Schulen profitieren vor allem von der guten Kommunikation, so Lengwenus weiter. Dafür sorgt ein entsprechendes Planungs- und Steuerungssystem, in dem alle relevanten Informationen über den Stand der Vermittlung der Schüler festgehalten werden. Viermal jährlich erhalten Schulleitung, Schulaufsicht und Behördenleitung die Ergebnisdaten ihres Verantwortungsbereichs. Ebenso dokumentiert werden auch die Schülerprofile, Beratungsergebnisse und sogenannten „Soft Skills“ der Schüler. Auch diese Informationen gehen an die Lehrer, die ihre Schüler so intensiver betreuen können. Vereinfacht wird auf diese Weise aber vor allem der Abgleich zwischen den Qualifikationen der Schüler und den Anforderungen der ausbildendenden Betriebe.

Für die Auszubildende Alexandra Rohr war die Betreuung durch die Koordinierungsstelle Ausbildung eine große Hilfe. Besonders gefreut hat sie sich über die vielen Vorschläge, wo sie ihre Ausbildung machen könnte und über die Unterstützung beim Bewerbungen schreiben. „Auch sehr gut gefallen hat mir, dass es ein Schülerbüro gab, wo ich die Firmen persönlich anrufen konnte“, berichtet Alexandra.

Dr. Michael Otto hebt vor allem das Engagement der Mitarbeiter der Koordinierungsstelle hervor: „Sie bringen die Schüler während des Abschlussjahres in Bewegung, ermuntern sie, wenn sie erlahmen, stützen sie bei Enttäuschungen, zeigen ihnen unermüdlich weitere Optionen auf und freuen sich mit ihnen über Erfolge. Dafür gebühren ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.“

Unternehmen bauen Vorurteile ab

Gerd Knop von der Otto Group gehört zum Team der Projektkoordination auf Unternehmensseite. Er weiß, welche Vorteile das Hamburger Hauptschulmodell auch den Betrieben bietet: „Für die Unternehmen selber ergibt sich die Gelegenheit, dass sie ihr vorurteilbehaftetes Bild über diese Schüler revidieren können, indem sie feststellen, dass ihnen gegenüber ja eigentlich ein ganz normaler Jugendlicher sitzt.“ Etliche Betriebe seien so erst dazu gekommen, auch Hauptschüler auszubilden. Dr. Michael Otto fügt noch einen weiteren Aspekt hinzu: „Für die Wirtschaft hat sich das Modell inzwischen als erfolgreiches und effektives Instrument erwiesen, um den Auswirkungen der negativen demographischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Durch das Hamburger Hauptschulmodell können dringend benötigte Fachkräfte auch aus dem Kreis der Hauptschüler rekrutiert werden.“

Die Bilanz des Projekts nach zehn Jahren erfreut die Initiatoren: In diesem Jahr wurden fast 22 Prozent der Hauptschulabsolventen direkt in eine ungeförderte duale Ausbildung vermittelt. (vor Projektbeginn im Jahr 2000 waren es nur 7 Prozent). Basis dieser Quote sind alle Hamburger Schulabgänger mit Hauptschulabschluss. Von den erfolgreich vermittelten Jugendlichen sind 34 Prozent ausländischer Herkunft. „Ein bundesweiter Spitzenwert, der auch die Experten des Nürnberger Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge überrascht“, so Michael Otto. Mittlerweile nehmen alle 91 Hamburger Schulen, aus denen Schulabgänger mit Hauptschulabschluss hervorgehen, teil. Die Anzahl der Partnerunternehmen und Organisation ist auf 75 gewachsen.

Auch hat sich das Hamburger Hauptschulmodell längst über die Grenzen Hamburgs ausgeweitet. Mit regionalen Anpassungen findet es in 19 weiteren Regionen Anwendung. Unter anderem auch in Frankfurt: „Seit fünf Jahren führen wir jetzt das Modell als Frankfurter Hauptschulprojekt durch - sehr erfolgreich wie wir finden: Die Zahl der Hauptschulabgänger, die in eine Ausbildung gehen, hat sich verdoppelt“, berichtet Petra Lölkes von der Gesellschaft für Jugendbeschäftigung in Frankfurt am Main.


Auszeichnungen:

Carl-Bertelsmann-Preis 2005:
2005 gewann das Hamburger Hauptschulomodell den Carl-Bertelsmann-Preis. Dabei konnte es sich gegen 180 Projekte aus ganz Europa durchsetzen und belegte den ersten Platz. Das Preisgeld von 150.000 Euro bildet den Grundstock für die Stiftung Hamburger Hauptschulmodell, mit der die schulische Bildung gefördert werden soll.  
 Private Equity Foundation 2008:
Eine dreijährige Förderung erhielt das Modell 2008 von der britischen Private Equity Foundation. Sie sprach dem Hamburger Hauptschulmodell insgesamt 180.000 Euro zu, die für die Übertragung des Modells in andere Regionen sowie zur Entwicklung von Qualitätsstandards bestimmt sind.
                                                                  
Quelle: UD
 
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