„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“
Seit dem 1. Januar gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde – auch für Praktikanten. Allerdings gibt es ein Schlupfloch, das der Gesetzgeber den Unternehmen lässt. Wie Nestlé damit umgeht, erklärt Victoria Tornau, Expertin für die Einstellung und Betreuung der Praktikanten in Frankfurt.
02.02.2015
Frau Tornau, der Mindestlohn für Praktikanten greift nur dann, wenn sie ihr Praktikum freiwillig absolvieren, es also nichts mit Ausbildung oder Studium zu tun hat. Wie reagieren Sie darauf?
Victoria Tornau: Das stimmt. Laut Gesetz müssten wir nur den freiwilligen Praktikanten, die länger als drei Monate bei uns sind, den Mindestlohn zahlen. Wir haben uns aber dafür entschieden, jedes Praktikum – unabhängig von Pflicht und Freiwilligkeit sowie der Praktikumsdauer – mit dem Mindestlohn zu vergüten.
Warum tun Sie das? Das kostet doch mehr Geld, oder?
Tornau: Natürlich entstehen uns so Mehrkosten. Aber wir vertreten die Position ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘.
Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten? Und wie wollen Sie diese decken?
Tornau: Nestlé hat ihre Praktikanten ohnehin schon relativ gut bezahlt. Bisher haben die freiwilligen Praktikanten in der Zentrale 1000 Euro brutto bekommen, die Pflichtpraktikanten 800 Euro brutto. Durch den Mindestlohn erhalten jetzt alle ein Gehalt von 1.473,33 Euro brutto pro Monat. An den anderen Standorten erhalten die Praktikanten entsprechend der wöchentlichen Arbeitszeit auch den Mindestlohn. Damit entstehen uns Mehrkosten von etwa 50 Prozent. Wir werden in den nächsten Monaten verschiedene Maßnahmen entwickeln, um sie zu decken. Indem wir die Praktikumsvergütung anpassen, erhoffen wir uns aber einen Wettbewerbsvorteil.
Was meinen Sie damit?
Tornau: Nestlé möchte junge Talente so früh wie möglich an sich binden. Auch wenn das Gehalt natürlich nicht alles ist, spielt es doch immer eine Rolle für die Entscheidung für einen Job – auch bereits bei der Wahl des richtigen Praktikums.
Aber dann haben diese Mehrkosten doch sicherlich Auswirkungen auf die Anzahl der Praktikumsplätze, die Nestlé anbietet?
Tornau: Nein. Wir stellen 2015 genauso viele Praktikanten ein wie im Jahr zuvor. In der Zentrale in Frankfurt sind es 170, und in unseren Werken in Deutschland 485.
In welchen Bereichen suchen Sie Praktikanten? Welche Qualifikationen sind Ihnen besonders wichtig?
Tornau: In unserer Zentrale in Frankfurt am Main bieten wir Praktikumsplätze in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Category Management, Einkauf, Supply Chain Management, Technisches Management, Controlling, Human Resources, Eventmanagement, PR und Kommunikation sowie IT. In den Werken sind auch Praktika mit verschiedenen technischen Schwerpunkten möglich.
Wir bieten Studenten sowohl im Bachelor also auch im Master-Studium die Möglichkeit für ein Praktikum. Dabei ist uns wichtig, dass die Bewerber schon praktische Erfahrungen haben, zum Beispiel durch andere Praktika oder eine Berufsausbildung. Außerdem sollten sie in ihrem Studium mindestens im zweiten Semester sein.
Wie lange dauern die Praktika bei Nestlé in der Regel?
Tornau: Die meisten Praktikanten bleiben für sechs Monate bei uns. Das sehen wir als ideale Zeit an, um ihnen viel beizubringen, aber auch um von ihren Erfahrungen im Arbeitsalltag zu profitieren. Wir bieten aber auch Praktika ab drei Monaten an.
Können Praktikanten auch ihre Abschlussarbeit bei Nestlé schreiben?
Tornau: Ja, wir nehmen sogar sehr gerne Studenten, die ihre Abschlussarbeit bei uns schreiben wollen. So haben wir die Chance, tiefe Einblicke in Themen zu bekommen, mit denen wir uns bisher nur wenig beschäftigt haben. Die Studenten können bei einer internen Abschlussarbeit 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit nutzen, um ihre Bachelor- oder Masterarbeit zu schreiben. Genau wie allen anderen zahlen wir auch ihnen den Mindestlohn.
Was tun Sie, wenn Ihnen ein Praktikant besonders gut gefallen hat?
Tornau: Wir haben ein Praktikanten-Bindungsprogramm, unser sogenanntes ‚Talent-Nest‘. Damit bieten wir unseren besten Praktikanten die Möglichkeit, mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben und sich Einstiegsmöglichkeiten in der Zukunft zu erhalten. Das beginnt bei einer Xing-Gruppe zur Vernetzung und endet bei Veranstaltungen mit Workshops und Seminaren, wo sich Talent-Nest-Mitglieder treffen und mit anderen jungen Mitarbeitern oder Mentoren austauschen können. Wir bekommen dazu sehr positive Rückmeldungen von den Praktikanten, was uns natürlich freut. Einige von ihnen haben wir schon wieder bei Nestlé fest eingestellt.