Geldanlage

RWE: "Learning by Rating"

Rating- und Research-Prozesse sind Dialogprozesse. Sie basieren auf gegenseitigem Anerkennen und Verstehen. Gerade bei sperrigen Themen wie Sozial- und Umweltstandards, die sich nicht immer in Kennzahlen ausdrücken lassen, verlangt dies viel Fingerspitzengefühl. Wie können hier Unternehmen ihr Engagement besser kommunizieren? Was lernen externe Analysten ihrerseits aus diesen Gesprächen?

24.10.2006

Sie sind eine zentrale Größe in der Finanzwelt: Rating- und Research-Unternehmen. Ihre Bewertungen entscheiden über Bonität und Kapitalströme, sie stimulieren das Medienecho und beeinflussen Managemententscheidungen. Eine gute Bewertung ist daher für ein börsennotiertes Unternehmen das A und O.  Immer mehr gilt dies auch für Nachhaltigkeitsstrategien: Bei Investoren ist das Interesse am sozialen und ökologischen Engagement von Unternehmen - insbesondere von weltweit aufgestellten - in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Wie funktionieren hier CSR-Analysen? „Gute Ratings sind dialogorientiert,“ erläutert Dr. Marita Hilgenstock, CSR-Managerin beim Essener Versorger RWE AG. „Aus der Diskussion der Bewertungsergebnisse kann ein Unternehmen eine Stärken/Schwächen-Analyse ableiten.“ Ratings seien somit nicht nur „Pflichtübungen“, sondern bieten die Chance zum gegenseitigen Lernen.

So lernen etwa auch die externen Analysten durch den Dialog die Unternehmenswirklichkeit besser kennen. „Die Fragen werden präziser, Missverständnisse ausgeräumt,“ findet Hilgenstock. Dennoch kommt es hier immer wieder zu Irritationen, die man bei RWE in kulturellen Unterschieden begründet sieht. Viele Ratingagenturen seien nämlich traditionell eher angelsächsisch geprägt. Deutsche Unternehmensprozesse wirken ihnen da zuweilen fremd. Ein konkretes Beispiel: Wird hierzulande ein CSR-Element wie etwa „Verantwortung in der Zulieferkette“ in die Geschäfts- und Unternehmensprozesse integriert, so findet dies sein Echo in entsprechenden verbindlichen Regelungen. Im angelsächsischen Raum neigt man dagegen dazu, sich neue Ziele durch gezieltes Training, Workshops und Policies zu erarbeiten. Wenn externe Analysten dann dementsprechend die Anzahl der Trainingsstunden und die jeweiligen  Policies abfragen, hören sie aus Deutschland erstaunt, dass dies bei Null liegen kann. „Hier gibt es dann viele Diskussionen, um die jeweils andere Unternehmenskultur verstehen zu lernen,“ so Hilgenstock.
 
Ein Anliegen, auf das sich die führenden Analystenhäuser auch einlassen. So werden etwa bei der SAM Group auf Wunsch die Ergebnisse in Einzelgesprächen erläutert. Zudem unterstreiche der jährliche Company Benchmarking Reportdie Stärken und Schwächen eines Unternehmens anhand einzelner Kriterien und bietet Best-Practice-Beispiele sowie eine Erläuterung der SAM-Methodik,“ so Dr. Christian Werner, Chief Investment Officer von SAM Sustainable Asset Management im Gespräch. „Die Firmen sind auch aufgefordert, ihre Antworten im Fragebogen zu kommentieren. Durch solche Kommentare ist es uns sehr einfach möglich, Missverständnisse zu erkennen. Diese können wir dann sofort durch direkten Kontakt mit dem Unternehmen aufklären.“
Keine Bewertung ist ideologiefrei

Doch nicht immer verläuft der Dialog zwischen Analysten und Unternehmen so reibungslos: Immer wieder beklagen sich Wirtschaftsvertreter, dass manche Ratings einer „Black box“ ähneln, die selbst wenig Transparenz zeige. So fehlt bei einigen Analystenhäusern etwa die Rückkopplung der Ergebnisse und die Möglichkeit für Unternehmen, Unklarheiten oder Kritikpunkte zu kommentieren. Hinzu kommt: Keine Bewertung ist ideologiefrei. Viele Nachhaltigkeitsanalysten etwa setzen klare Ausschlusskriterien wie Waffen, Alkohol oder Kernenergie. „In Teilen ist auch Kohle,  insbesondere Braunkohle, mit Vorurteilen belastet. Das führte zu einer kontroversen Diskussion der Aufnahme von RWE in den Climate Leadership Index des Carbon Disclosure Projects“, erinnert sich  Hilgenstock und empfiehlt: Unternehmen müssen sich klar und selbstbewusst positionieren.

Insgesamt hat man bei RWE in den letzten Jahren aber positive Erfahrungen mit den Nachhaltigkeitsanalysten gemacht. Seit 1998 berichtet der Konzern regelmäßig über sein Umwelt- und Sozialengagement. War es anfangs ein klassischer Umweltbericht, so wird seit 2004 ein umfangreicher CSR-Report vorgelegt. Auf Seiten der Analysten wird diese tiefergehende Berichterstattung begleitet und auch honoriert: RWE ist als einziges deutsches Versorgungsunternehmen seit 1999 kontinuierlich Mitglied der Dow Jones Sustainable Indices (DJSI). Bei der aktuellen Bewertung 2006 wurde RWE wieder in den Kreis der „Sustainability Leader“ seiner Branche gewählt. In diesem Jahr wurden die Essener zudem erstmalig in den „Climate Leadership Index“ des Carbon Disclosure Project (CDP) aufgenommen und als „Best in Class“ in der Gruppe der Versorgungsunternehmen der größten 500 Unternehmen weltweit ausgezeichnet.

Gegenwart und Zukunft im Notenspiegel

Der Schweizer Christian Werner beobachtet bei Unternehmen eine Trend zu mehr Präzision: „Während noch vor ein paar Jahren Corporate Governance im Vordergrund stand, sind die Unternehmen jetzt schon wesentlich weiter und beschäftigen sich deutlich fokussierter mit Themen wie Integration der Nachhaltigkeitsstrategie in der Firma, Entwicklung von Produkten mit einem geringen Umweltimpact sowie der Verifizierung,  dass die Supply Chain auch die Nachhaltigkeits-Prinzipien der Firma berücksichtigt.“
Quelle: UD
 
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