Geldanlage

Bankenkrise unseriösem Renditedenken geschuldet?

Der Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Paul J.J. Welfens warnt vor dem Hintergrund der internationalen Bankenkrise: Die Situation bleibt dramatisch. Eine rasche Erholung sei kaum zu erwarten ist. Ein Grund dafür: Unrealistische Renditevorgaben vom mehr als 20 Prozent erhöhen die Risiken unnötig. Hier sein Beitrag im Wortlaut:

15.04.2008

Die Krise in den US-Immobilienmärkten hat zu hohen Abschreibungen bei vielen Großbanken in den USA, Großbritannien, der Schweiz, Frankreich und Deutschland geführt. Nach Vorlage der Bankbilanzen im Februar und März 2008 und angesichts der US-Zinssenkungspolitik sowie des US-Konjunkturprogramms meinten Beobachter schon, das Schlimmste sei ausgestanden, eine US-Rezession könne vermieden werden, Anpassungsprobleme in der Eurozone blieben überschaubar. Die dramatische Rettungsaktion der fünfgrößten US-Investmentbank, Bear  Stearns, die unter gütiger Hilfe der US-Zentralbank - sie sicherte 30 Mrd. $ an Papieren ab - ist indes Indiz für Chaos auf Märkten, die seit Monaten nicht mehr funktionieren und wo man die Zahl der angeschlagenen Großbanken und Hedge Fonds nicht mehr an einer Hand abzählen kann. JPMorgan Chase übernahm Bear Stearns zu gerade 1% des Aktienkurses vom Sommer 2007...

Unsolide Finanzierungen

Die von US-Regierung und diversen Akteuren gestreute Sicht einer weichen Landung bei der US-Bankenkrise war eine grundlegende Fehleinschätzung, die das Ausmaß an Verwerfungen bei Banken und Versicherungen sowie die Auswirkungen der Immobilienkrise kunstvoll und wohl mit Absicht unterschätzte. Die Weltwirtschaft 2007 mit Boom-Situation und hohen Aktienkursen (sowie dem hohen Maß an unsoliden Finanzierungen!) hat Ähnlichkeit mit der Situation 1927/28. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass die US-Probleme nacheinander Großbritannien und Irland - beide mit starker US-Abhängigkeit und vielen riskanten Finanzgeschäften - sowie die Eurozone und viele Schwellen- bzw. Entwicklungsländer in größte Schwierigkeiten bringen werden.
 
Die US-Fehlentwicklungen waren auf breiter Front mindestens seit 2006 absehbar. Ein Teil der US-Bankenkrise wird auf Europa übergreifen. Hinzu kommen US-Instabilitäten, die durch das Zusammenspiel von starken  Notenbank- Zinssenkungen und erhöhtem Inflationsdruck entstanden sind: Es gibt in den USA die historische Anomalie eines Realzinssatzes von Null zu Beginn 2008, was eine Überschuldung von Haushalten und Unternehmen sowie völlig überhöhte Aktienkurse begünstigt. Der spätere Fall der Aktienkurse wird umso markanter, und bei realem Zinsanstieg werden Investitionen und Konsumnachfrage deutlich fallen.
 
Niedrige Zinssätze und fallende Aktienkurse treiben Anleger in spekulative Engagements auf Märkten für Rohstoffe und Agrarprodukte. Ein Platzen einer Preisblase auf den Rohstoffmärkten könnte - bei Fortdauer der US-Bankenprobleme - in Verbindung mit reduzierten chinesischen Nettokapitalexporten zu einem globalen Stabilitätsproblem werden. China wird sich von den USA kaum unter Druck setzen lassen und ein von ihm nicht selbst mitgestaltetes Weltwirtschaftssystem stabilisieren.
Unrealistische Gewinnerwartungen  

All diese Risiken und Probleme sind der Preis für eine unverantwortlich laxe Regulierungspolitik auf den US-Finanzmärkten. Die von Banken hundertfach gegründeten regulierungsfreien Hedge-Fonds mit Traumrenditen von über 25% schafften bei Banken den Druck, 30% Rendite anzustreben, das Doppelte der normalen Eigenkapitalrendite. Bei 4% auf risikolose Staatsanleihen bedeutet eine Eigenkapitalrendite von 30% im Bankgeschäft, dass man entweder kolossal Glück haben wollte oder eben 26% Risikoprämie und riskante Projekte realisierte.
 
Ein altes ökonomisches Gesetzt besagt, dass langfristig der Realzins - Differenz von Zins und Inflationsrate - gleich dem realen Wirtschaftswachstum sein muss. Selbst mit China in Bestform kann die Weltwirtschaft längerfristig kaum 5% Wachstum erreichen.
 
Das große Zittern in New York und London hat begonnen. Viele Banken und Fonds aus den USA und Großbritannien lösen in verzweifelter Suche nach Liquidität Investmentpositionen im Ausland, viele Banken müssen zwecks Stopfen von Refinanzierungslöchern Aktien verkaufen, was die Aktien verstärkt auf Talfahrt schickt. Die wahren Gewinner der Finanzmarktdynamik bzw. der Bankenkrise dürften am Ende Banken aus der Eurozone sowie Banken und Fonds aus China bzw. Singapur sowie arabischen Ländern sein.
 
Eine rasche Erholung der US-Banken ist kaum zu erwarten. Der Bankenkrise dürfte eine von erheblichen Wertberichtigungen ausgelöste Krise im Versicherungsbereich folgen. An die Krise im Immobilienmarkt für Bauprojekte der privaten Haushalte schließt sich eine Krise der gewerblichen Immobilienmärkte an, in denen ja gerade Banken und Versicherungen wichtige Nachfrager sind. Wenn aber bei Banken und Versicherungen große Abschreibungen bzw. Verluste eintreten, kommt es bei gewerblichen Immobilien zu einem Nachfrageeinbruch.
Quelle: UD
 
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