Viele Initiativen, wenig Wirkung: Kakaobranche vergibt Chance auf mehr Nachhaltigkeit
Schokolade macht glücklich: Konsumenten, Produzenten, Händler – aber meistens nicht die Kakaofarmer. Die Arbeit auf den Feldern ist hart, die Einkommen sind niedrig, und allzu oft werden noch immer Kinder für die anstrengenden und zum Teil gefährlichen Erntetätigkeiten eingesetzt. Zahlreiche Initiativen engagieren sich, doch eine Analyse der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik zeigt nun, dass sie allen Anstrengungen zum Trotz kaum Verbesserungen erreichen.
21.06.2017
Von Sören Bachmann
Die Studie beleuchtet insbesondere die Situation in Ghana und Côte d’Ivoire, den wichtigsten Anbauländern Afrikas. Dort, so die Autoren, zeige das Ethical Risk Assessment, dass Korruption und zuweilen erhebliche Transparenzmängel die Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen stark bremsen. Ein spürbarer Fortschritt in diesen Bereichen könnte demnach eine Signalwirkung für die gesamte Branche haben.
Vor allem aber müssen sich die zahlreichen Multistakeholder- und Collective-Action-Initiativen selbst einer Neuausrichtung unterziehen, schlussfolgern die Autoren der unter dem Titel „Kakao. Eine ethische Risikoanalyse“ erschienenen Studie. Bislang verhinderten Machtasymmetrien zum Nachteil der Kakaobauern die Aushandlung und Abstimmung geeigneter Maßnahmen. „Wir sehen eine auffallende Vielzahl an Aktivitäten, die zwar meistens mit einem hohen finanziellen Aufwand betrieben werden, letztlich jedoch kaum Erfolge bringen“, sagte die Projektverantwortliche Dr. Christiane Hellar. „Die wenigen Veränderungen erhöhen meist nur die Abhängigkeit der Farmer, statt ihre Lebensbedingungen zu verbessern.“
Dass die Voraussetzungen für positive Veränderungen in der Branche dennoch vergleichsweise gut sind, lässt die aktuelle Situation zum einen nicht ohne eine gewisse Tragik erscheinen, ist zum anderen aber Grundlage eines vorsichtig optimistischen Ausblicks. Das Potenzial für Fortschritte ist groß, weil gute Arbeits- und Lebensbedingungen der Farmer als Bedingung zukünftiger Rohstoffsicherheit ein gemeinsames Interesse aller Akteure sind; es wird jedoch bislang kaum genutzt. Denn die große Chance, so die Autoren, ist zugleich die große Gefahr: Gerade das gemeinsame Ziel von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik, einen nachhaltigen Kakaosektor zu schaffen, könne innerhalb der Initiativen Harmonisierungstendenzen auslösen, die eine klare Rollenverteilung und damit den kritischen Diskurs blockiere. In diesem Fall verpuffe die Wirkung vorwettbewerblicher, branchenübergreifender Zusammenschlüsse zur Minimierung der sozialethischen und ökologischen Risiken.
„Kakao. Eine ethische Risikoanalyse“ ist als zweiter Band der Studienreihe „era-paper“ erschienen und bei der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik als Download sowie auf Anfrage als Printversion kostenlos erhältlich.