Was bedeutet faire Arbeitskleidung?
CWS Workwear bezieht seit 2016 Fairtrade-Baumwolle für einen großen Teil seiner Kollektionen. Mittlerweile sind auch andere nachhaltige Gewebe im Einsatz, deren Anteil bis 2024 bei 90 Prozent liegen soll. Was genau sich hinter dem Begriff Fairtrade-Arbeitskleidung verbirgt und welchen Einfluss Unternehmen dadurch nehmen, hat CWS bei Rosa Buchacher von Fairtrade Deutschland nachgefragt.
18.07.2022
Wieviel Baumwolle wird weltweit jährlich produziert und wieviel davon wird fair gehandelt?
Rosa Buchacher: Weltweit werden jährlich rund 25 Millionen Tonnen Baumwolle geerntet. Der Anteil an fair gehandelter Baumwolle ist mit weniger als einem Prozent am Gesamtmarkt noch sehr gering. Damit sich das ändert, arbeiten wir als Fairtrade-Organisation in zahlreichen Ländern auf Hochtouren daran, neue Unternehmen von Fairtrade-Baumwolle zu überzeugen und die Absatzchancen für Kleinbäuerinnen und -bauern zu erhöhen.
Wie viele Baumwollbauern gibt es weltweit ungefähr? Was ist das durchschnittliche Einkommen oder wie verbessert sich dieses durch Fairtrade?
Buchacher: Weltweit bauen ungefähr 100 Millionen Kleinbäuerinnen und -bauern Baumwolle an – 44.500 von ihnen zu Fairtrade-Bedingungen.
Viele besitzen nur wenige Hektar Land, sodass sie kaum von den Erträgen leben können. Da Baumwolle an der Börse gehandelt wird und Kleinbauernfamilien in der Regel eine schwache Handelsposition haben, können die Preise stark schwanken.
Fairtrade setzt daher auf einen Mindestpreis: Bevor der Marktpreis unter eine kritische Grenze fallen kann, greift der Mindestpreis und sichert Produzent:innen ab. Zusätzlich erhalten die Familien einen finanziellen Aufschlag in Form der Fairtrade-Prämie. Damit können sie soziale Projekte vor Ort umsetzen. Vom Bau einer Solaranlage auf dem Schuldach bis hin zu Investitionen in Trainings, um die Anbaumethoden auf dem Feld zu verbessern. Wie die Prämie eingesetzt wird, entscheiden die Produzent:innen selbst. Zusätzlich profitieren sie von Unterstützung und Beratung durch Fairtrade-Mitarbeitende vor Ort.
Wie profitieren die Baumwollbauern genau?
Buchacher: Durch die Fairtrade-Zertifizierung lernen Baumwollproduzent:innen, wie viel ihr Rohstoff wert ist und wie sie die Qualität der Baumwolle verbessern können. Dadurch stärken sie ihre Verhandlungsposition und erhalten bessere Preise für ihre Ernte.
Für jedes Kilo Baumwolle, das sie zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen, erhalten sie zudem zusätzlich 0,05 Euro als Prämie. Über die Verwendung der Prämie wird demokratisch entschieden. Die Projekte sind sehr unterschiedlich: Von Gemeindezentren und dem (Aus-)Bau von Schulen, um die Bildung vor Ort zu verbessern bis hin zum Bau von Damen- und Mädchentoiletten für mehr Sicherheit.
Gibt es besondere Erfolgsgeschichten durch Einfluss von Fairtrade?
Buchacher: Eine besondere Erfolgsgeschichte ist die der Fairtrade-Produzentengruppe Om Organic im indischen Bundesstaat Odisha, wo die Auswirkungen des Klimawandels schon heute deutlich spürbar sind: Unberechenbare Dürreperioden und unregelmäßigerer Regenfall führen zu Ernteausfällen und bedrohen die Einkommenssituation der Kleinbauernfamilien.
Um ihre finanzielle Situation zu verbessern und nicht so abhängig zu sein, hat sich die Produzentenorganisation für eine zusätzliche Einkommensquelle entschieden und mithilfe von Prämiengelder in die Anschaffung von Kühen investiert. Der Verkauf der Milch ermöglicht ihnen ein zusätzliches Einkommen – gerade dann, wenn die Baumwollernte schlecht ausfällt.
Werden die positiven Auswirkungen von Fairtrade untersucht und erhoben?
Buchacher: Alle Produzentenorganisationen sind verpflichtet, jährlich zu berichten, wie die Prämiengelder investiert wurden. Über das Produzentennetzwerk vor Ort erhalten die Organisationen Beratungsangebote für eine sinnvolle Investition der Gelder.
Generell wird die Wirkung von Fairtrade regelmäßig mithilfe von externen Studien erhoben. Eine Übersicht über die wichtigsten Berichte zur Wirkung von Fairtrade gibt es hier.
Siegel wie Fairtrade auf Produkten bedeutet oft auch gleich Mehrkosten für den Konsumenten oder Kund:innen. Wie steht Fairtrade zu dieser Aussage?
Buchacher: Siegel wie Fairtrade gibt es nicht zum Nulltarif, das stimmt. Dafür können sich sowohl Unternehmen als auch Endverbraucher:innen darauf verlassen, dass hinter dem Siegel strenge Standards und Kontrollen stehen. Natürlich kostet es mehr, wenn ein Auditor oder eine Auditorin regelmäßig zu den Produzent:innen fährt als wenn Informationen sporadisch und schriftlich abgefragt werden. Letztendlich sprechen wir aber über wenige Cents mehr, damit die Menschen am Anfang der Lieferkette profitieren. Ich denke, soviel sollten uns Menschen und vor allem Menschenrechte wert sein.
Zudem bietet das Siegel gerade für Unternehmen einen Mehrwert in der Kommunikation: Studien zeigen, dass über 90 Prozent der Verbraucher:innen das Fairtrade-Siegel kennen. Damit ist Fairtrade das bekannteste unter den Nachhaltigkeitssiegeln.
Ist das Ziel, dass sich am Status Quo etwas ändert und dass die durch Fairtrade verbesserten Lebensverhältnisse der Bauern flächendeckend tragend werden?
Buchacher: Natürlich arbeiten wir als Organisation daran, die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Baumwollbäuerinnen und -bauern flächeneckend zu verbessern. Fairer Handel darf nicht die Ausnahme bilden, sondern muss gängige Praxis werden. Aus diesem Grund setzt sich Fairtrade auch auf politischer Ebene für einen Wandel ein. Darüber hinaus arbeiten wir daran, noch mehr Verbraucher:innen und Unternehmen von der Wirkung des fairen Handels zu überzeugen.
Derzeit werden knapp 50 Prozent der unter Fairtrade-Bedingungen angebauten Baumwolle auch als solche verkauft. Damit Kleinbauernbäuerinnen und -bauern noch stärker profitieren, muss die Nachfrage wachsen. Je mehr Baumwolle zu Fairtrade-Bedingungen verkauft wird, desto mehr Projekte können vor Ort realisiert werden.
Gibt es Ziele oder Prognosen, wann dies soweit sein könnte?
Buchacher: Natürlich ist es das Ziel, dass Produzent:innen irgendwann ihre gesamte Ernte zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen können. Zeitliche Prognosen wären allerdings unseriös. Zumal Fairtrade auf die Unterstützung anderer Akteure angewiesen ist – etwa auf die von engagierten Unternehmen, die sich gemeinsam mit uns auf den Weg machen, aber auch auf die Unterstützung der Politik, die die Voraussetzungen für einen fairen Handel schaffen muss. Anders als bei Unternehmenszielen, die ein Unternehmen selbst in der Hand hat, spielen hier zu viele Faktoren eine Rolle.
Was sind die Hauptvorteile von Fairtrade sowohl für Unternehmen als auch für Träger:innen von Workwear aus fair gehandelter Baumwolle?
Buchacher: Zum einen ist hier das Stichwort Employer Branding zu nennen. Arbeitgeber sowie die Mitarbeiter:innen demonstrieren mit Fairtrade-Baumwolle, dass sie sich für Menschenrechte im Baumwollanbau einsetzen und einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten.
Durch fair und nachhaltig produzierte Arbeitskleidung verbessern Unternehmen zudem ihre Ökobilanz.
Zum anderen können Unternehmen über den eigenen Betrieb hinaus ein klares Zeichen setzen und sich gegenüber der Konkurrenz abheben. Nachhaltigkeit ist schließlich in vielen Städten und Unternehmen ein wichtiger Teil der Gesamtstrategie.