EU-Küstenstaaten scheitern am „Blauen Wachstum“
In der nachhaltigen Nutzung der Meere haben die EU-Küstenstaaten in den vergangenen Jahren eher Rück- als Fortschritte gemacht. Insbesondere in der Fischerei haben sie eine nachhaltige Entwicklung verpasst. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Wilfried Rickels, Forscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft, mit Kollegen. Demnach stehen fast alle EU-Küstenstaaten 2018 schlechter da als 2012 in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung ihrer Meere und Ozeane.
09.10.2018
Diese Entwicklung ist besonders brisant, weil nachhaltiges Wachstum in allen marinen und maritimen Wirtschaftszweigen nicht nur ein erklärtes Ziel der EU, sondern auch fest in den sogenannten Zielen nachhaltiger Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verankert ist.
„Schweden, Spanien, Irland und insbesondere Portugal weisen für 2018 deutlich schlechtere Werte auf als noch 2012“, hebt Rickels die deutlichsten Verlierer der Studie hervor. Der einzige Gewinner sei Estland, das es geschafft habe, seine Werte zu verbessern. Für ihre Untersuchung haben Rickels und seine Co-Autorinnen und -Autoren Christian Weigand, Patricia Grasse, Jörn Schmidt und Rudi Voss unterschiedliche Indikatoren für das sogenannte „Blaue Wachstum“ in EU-Küstenstaaten an der Nord- und Ostsee sowie am Atlantik analysiert. EU-Küstenstaaten aus dem Mittelmeerraum blieben aufgrund fehlender Daten unberücksichtigt. Beispiele für diese Indikatoren sind der potenzielle Nährstoffeintrag in die Meere oder der Zustand der Fischbestände in Bezug auf als biologisch nachhaltig angesehene Mengen, aber auch wirtschaftliche Aspekte wie die Nachhaltigkeit des Tourismus.
„Vor allem Indikatoren, die sich auf die Fischerei beziehen, haben sich verschlechtert“, so Rickels. Im Vergleich zu 2012 seien die Fänge von Fischbeständen, bei denen die Biomasse unterhalb der Biomasse-Grenzwerte (des International Council for the Exploration of the Sea (ICES)) liegt, deutlich gestiegen. Der zugehörige Indikator habe sich entsprechend um durchschnittlich 22 Punkte verschlechtert. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in weiteren Indikatoren wider, die zeigen, dass die zulässige Gesamtfangmenge zunehmend überschritten und dass beim Festlegen der Gesamtfangmenge weniger auf wissenschaftliche Empfehlungen gehört werde als noch 2012.
Analyse der getroffenen Entscheidungen
Die Studie zeigt, dass es großen Bedarf gibt herauszufinden, welche politischen Entscheidungen (nicht) getroffen wurden oder wo die institutionellen Rahmenbedingungen fehlen, die für nachhaltiges Wachstum der marinen und maritimen Wirtschaftszweige sorgen sollen.
Die Forscher sehen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Ernennung von Karmenu Vella zum EU-Kommissar für Umwelt, Maritime Angelegenheiten und Fischerei [im Jahr 2014] und einer schlechteren Entwicklung der Nachhaltigkeit in der Nutzung der Meere. „Umweltverbände waren schon vor der Ernennung Vellas skeptisch, ob dieser die auf Nachhaltigkeit ausgelegte Politik seiner Vorgängerin Maria Damanaki fortsetzen würde“, sagt Co-Autor Rudi Voss. Er sieht diese Skepsis nun bestätigt. Auf der anderen Seite sei es jetzt spannend, genauer anzuschauen, wie Estland es geschafft habe, dem negativen Trend zu trotzen.
Die komplette Studie finden Sie hier.