Papst Franziskus hat Enzyklika vorgestellt
NGOs und Klimaexperten haben den Mitte der Woche bekannt gewordenen Entwurf der Enzyklika "Laudato Si" zu Ungleichheit und Umweltschutz von Papst Franziskus begrüßt. So bezeichnete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) das Lehrschreiben als "Weckruf zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas". "Die Enzyklika kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. In Deutschland treibt die Regierung die Gasförderung mittels Fracking voran und verweigert sich einem Ausstieg aus der Kohleverstromung. Mit dieser Enzyklika wird der Papst all jene bestärken, die den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien voranbringen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin.
19.06.2015
Die Enzyklika sei auch eine deutliche Aufforderung an die im Dezember 2015 in Paris stattfindende Weltklimakonferenz, das Ende des fossilen Energiezeitalters einzuläuten. Besonders bemerkenswert für den BUND-Vorsitzenden ist, dass der Papst sich dafür ausspricht, dass der Klimaschutz in den ärmsten Ländern von den wohlhabenderen Ländern unterstützt werden muss. "Die Enzyklika dient nicht nur der Bewahrung der Schöpfung, sie nützt auch den ärmeren Ländern, die bereits jetzt am meisten unter dem Klimawandel leiden", sagte Weiger.
PIK: Arme am meisten von Klimawandel betroffen
Auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat die Worte des Papstes unterstützt: „Nicht die Armen, sondern die Reichen verursachen die größten Risiken für unseren Planeten, und letztlich für die Menschheit“, sagte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK, im Vatikan bei der Vorstellung der Enzyklika. „Gerade die Armen, die am wenigsten profitiert haben von der Ausbeutung der fossilen Ressourcen und die am wenigsten beitragen zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen, werden von den Folgen der globalen Erwärmung am härtesten getroffen – es sei denn, wir reduzieren rasch die Emissionen.“ Schellnhuber war der einzige Wissenschaftler, der eingeladen wurde, an der Seite von Kardinal Peter Turkson in Rom zu sprechen.
Im Vorfeld der Enzyklika hatte Schellnhuber an einer Reihe von Workshops der hoch renommierten Pontifikal-Akademie der Wissenschaften teilgenommen – am Mittwoch wurde er zu deren Mitglied ernannt. Das veröffentlichte Dokument des Oberhauptes von mehr als einer Milliarde Katholiken gilt als wichtiges Signal auf dem Weg zu einem globalen Abkommen zur Emissionsreduktion und letztlich zur vollständigen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, über die Ende des Jahres die Regierungen aller Staaten beim Klimagipfel in Paris verhandeln.
„Die Atmosphäre – der Himmel über uns allen – ist ein globales Gemeinschaftsgut; aber sie wird von einigen als Abfalldeponie für Treibhausgase benutzt,“ sagt Ottmar Edenhofer, Chef-Ökonom des PIK und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. „Der Papst zeigt genau das deutlich auf, und damit schreibt er Geschichte. Wenn wir gefährlichen Klimawandel vermeiden wollen, müssen wir die Nutzung unserer Atmosphäre beschränken, indem wir CO2-Emissionen einen Preis geben. Die Einnahmen hieraus könnten eingesetzt werden, um den Zugang zu sauberem Wasser oder zu Bildung zu verbessern, besonders für die Armen.“
Papst beeindruckt Germanwatch
Als "gelungene Provokation" hat die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Aussagen des Papstes begrüßt. "Der Papst eröffnet eine Debatte über die globale Wegwerfkultur, die sowohl ausgeschlossene Menschen und andere Lebewesen betrifft als auch Dinge, die sich rasch in Abfall verwandeln. Dieser Debatte kann sich eine pluralistische Gesellschaft nicht entziehen, für die Menschenwürde Leitlinie des Handelns ist", sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Der Papst scheut sich dabei nicht, konkret zu werden. Er setzt sich etwa dafür ein, in den kommenden Jahrzehnten fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen. Er setzt sich für die Kleinbauern ein, die noch heute den Großteil der Menschen ernähren. Er geißelt die Privatisierung des Wassers als Menschenrechtsverletzung. Und er kritisiert ein Wirtschaftswachstum, das in immer kürzerer Zeit immer größere Müllhalden erzeugt."
Den innovativsten Impuls sieht Bals darin, wie die Enzyklika den Ruf nach Solidarität mit den Ärmsten mit der Achtung der Grenzen des Planeten verknüpft: "Der Papst fordert dazu auf, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu überwinden und durch eine Globalisierung der Solidarität zu ersetzen. Er drängt darauf, die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde. Anders als seine jüngsten Vorgänger geht er dabei unbequemen Debatten über konkrete Schritte nicht aus dem Weg. Er ermuntert zu lokalem Engagement, zu einer Vielfalt dezentraler zukunftsfähiger Lösungen und bezieht klar Position gegen globale konsumistische Gleichförmigkeit."
Der Papst ergänzt die wissenschaftliche und ökonomische Debatte um eine spirituelle und moralische Argumentation. Auch die Evangelische Kirche hatte sich jüngst beim Kirchentag in Stuttgart mit einer entschiedenen Resolution für Klimaschutz und Kohleausstieg in ähnlicher Weise positioniert. Zudem will der Papst im September im Umfeld der Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) vor der UN-Generalversammlung sprechen. Bals: "Der Einsatz dieses Papstes für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen ist ermutigend. Er kann so wichtige Impulse für eine Wende zur Nachhaltigkeit und ein erfolgreiches Klimaabkommen in Paris setzen."