KfW: Mit Mikrokrediten gegen weltweite Armut
Spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den indischen Ökonomen Muhamad Yunus gelten Mikrokredite als Mittel zur Armutsbekämpfung. Auch wenn der Ruf der Branche durch die Machenschaften einiger schwarzer Schafe in den letzten Jahren gelitten hat, setzen Experten bei der Arbeit mit einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen auf diese Form der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat ihr Engagement in dem Bereich kontinuierlich ausgeweitet und gehört mit einem Portfolio von über zwei Milliarden Euro zu den größten Finanzierern von Mikrokrediten.
03.09.2012
Wie die Branchenorganisation Microfinance Information Exchange (MIX) berichtet, konnte auch die Finanzkrise das Wachstum des Sektors nicht bremsen. Das MIX zählte alleine für das Jahr 2011 mehr als 2.000 Mikrofinanzinstitute in 110 Ländern mit über 92 Millionen Kreditnehmern. Bei einer Rückzahlungsquote von etwa 95 Prozent scheint der Markt ein klassisches Erfolgsbeispiel zu sein.
Dass dem nicht so ist, liegt auch an den sich verstärkt abzeichnenden Nebeneffekten des Geschäfts: Verschiedene Experten haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass auch Mikrokredite zu Überschuldung und weiterer Armut führen können. Spätestens seit einer Selbstmordserie in der indischen Provinz Andhra Pradesh im Jahr 2010 ist die eigentlich gute Idee in die Kritik geraten. Dabei müsse „schon eine einzige Zahl ehrliche Armutsbekämpfer stutzen lassen“, schreibt der Journalist Gerhard Klas in seinem Buch Die Mikrofinanzindustrie. Die große Illusion oder das Geschäft mit der Armut. „Die effektiven Zinssätze für Mikrokredite betragen im weltweiten Durchschnitt 38 Prozent, also doppelt so viel, wie man in Deutschland für einen überzogenen Dispositionskredit bezahlen muss“.
Für die KfW bedeuten diese Entwicklungen vor allem, die Vergabepraxis ständig zu überprüfen und Wucherzinsen sowie die daraus resultierende Überschuldung armer Bevölkerungsgruppen auszuschließen. Bereits in einer Pressemitteilung zu den Vorfällen 2010 resümiert die Bankengruppe: „Die KfW nimmt Überschuldungsrisiken sehr ernst. So besteht sie auf einer rigorosen Kundenauswahl und finanziert zum Beispiel keine reinen Anbieter von Konsumentenkrediten. Im Dialog mit Partnerregierungen fordert die KfW effektive Kreditbüros, eine gesunde Regulierung und eine funktionierende Aufsicht für Banken und MFI [Mikrofinanzinstitute] ein. In diesem Kontext sieht die KfW die Ereignisse in Indien auch als Chance, um Fehlentwicklungen in anderen Ländern wirksam vorzubeugen.“
Qualifizierte Beratung und Partner als Schlüssel
Ein Problem bei der Umsetzung der eigenen Zielsetzung ist dabei die unprofessionelle Struktur vieler Mikrofinanzinstitute. Dabei geht es für die KfW als Geldgeber nur sekundär um die Steigerung der finanziellen Zusagen, sondern vor allem um die Schaffung sinnvoller Rahmenbedingungen und starker Institutionen. Die KfW Entwicklungsbank begleitet daher viele Mikrofinanz-Nichtregierungsorganisation auf dem Weg zu 'vollwertigen' Finanzinstitutionen. Hierzu sind vor allem Reformen im gesetzgeberischen, institutionellen und regulatorischen Umfeld der NROs nötig. Zu den Aufgaben der KfW Entwicklungsbank gehört es auch, eine Zentralbank bei der Einführung eines Gesetzes über strukturierte Finanzierungen zu beraten oder Richtlinien für verantwortungsvolle Mikrofinanzprodukte zu entwickeln.
Erste Erfolge solcher langfristigen Maßnahmen sind dabei oftmals schon relativ schnell zu beobachten und werden auch von den internationalen Partnern und Beobachtern der KfW gewürdigt: So listete der Smart Aid For Microfinance Index der Consultative Group to Assist the Poor (GGAP) die KfW Entwicklungsbank 2011 erneut in der Spitzengruppe. Die Experten würdigten dabei besonders „die durchgängige Umsetzung internationaler Förderstandards, die hohe Qualifikation der Projektmanager und die große Bandbreite an Förderinstrumenten“.
Erfolgreiche Mikrofinanzinstitute aufbauen
Neben dieser Anerkennung überzeugen aber vor allem die positiven Praxisbeispiele aus den letzten Jahren. Sowohl in Afghanistan, Aserbaidschan oder auch im Senegal hat sich die KfW Entwicklungsbank in den letzten Jahren am Aufbau erfolgreicher Strukturen federführend beteiligt. Die Höhe der Kleinkredite variiert dabei von unter 100 bis etwa 2.000 Euro. Beispiel Aserbaidschan: Das Land am Kaspischen Meer stand nach dem Ende der Sowjetunion und dem damit einhergehenden Niedergang der Schwerindustrie vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Erst der Öl- und Gasboom Anfang des neuen Jahrtausends brachte die Wende - zwischen 2002 und 2008 wuchs keine Volkswirtschaft schneller als die von Aserbaidschan.
Um die Abhängigkeit von den Rohstoffmärkten zu verringern, sollen auch kleine und mittelständische Unternehmen am Wachstum der Wirtschaft partizipieren. Diese entstanden häufig nach dem Ende der großen Industriebetriebe in den 90er Jahren, gelten seither bei herkömmlichen Banken aber als nicht kreditwürdig. Außerhalb der Hauptstadt Baku haben sie meist keinen Zugang zum Finanzsektor, was zu Stagnation und unnötigen Insolvenzen führt.
Mit der Gründung der auf Mikrokredite spezialisierten AccessBank im Jahr 2002 wurden erste Schritte eingeleitet, um dem Problem zu begegnen. Die Bank bieten den Unternehmen Kredite für Geschäftsaufbau, Geschäftsausstattung, Dispositionskredite, um Liquidität zu gewährleisten, aber auch Kredite für längerfristige Investitionen. Obwohl die ausgezahlten Summen oftmals gering sind, konnten bisher mehr als eine halbe Million Kredite mit einem Gesamtwert von über einer Milliarde Euro vergeben werden. Das Geschäftsmodell der Bank beinhaltete dabei von Anfang an eine Expansionspolitik, um auch in strukturell unterentwickelten Regionen, Kreditleistungen anbieten zu können. Die KfW selbst hält 20 Prozent der Anteile der Bank und bewertet die Entwicklung des Projektes durchgehend positiv: „Seit ihrer Gründung hat sich die AccessBank Azerbaijan zu einem wichtigen Katalysator im aserbaidschanischen Bankensektor entwickelt. Schon heute ist offensichtlich, dass die Bank mit Erfolg Lücken im Kredit- und Finanzdienstleistungsangebot schließen konnte.“