BMW entwickelt Fahrzeuge mit Weitblick
Das Auto, das mitdenkt, steht derzeit bei BMW auf dem Prüfstand. Selbstständig soll es sich auf bevorstehende Ereignisse wie Überholvorgänge oder veränderte Straßenverhältnisse einstellen können. Ziel ist die Verringerung der CO2-Emissionen sowie des Kraftstoffverbrauchs. Die Vernetzung vorhandener Systeme ist hierbei der Schlüssel., aber auch die Verbesserung des Verkehrsflusses und der Energiegewinnung.
29.05.2009
Eine typische Situation auf der Landstraße: Ein vorausfahrender LKW zwingt den Autofahrer, auf die Bremse zu treten. Dieser setzt seine Fahrt nun mit gedrosseltem Tempo fort und wartet auf die passende Gelegenheit um zu überholen, dann gibt er Gas und lässt den LKW hinter sich. Der Vorgang ist klar: Der Autofahrer registriert die neue Verkehrssituation und reagiert, in dem er seine Befehle an das Auto weitergibt. Das Fahrzeug handelt also auf Anweisung.
In Zukunft soll sich das ändern: Nach dem Prinzip „agieren statt reagieren“ arbeiten die Entwicklungsingenieure der BMW Group derzeit an einer Technik, mit der Fahrzeuge in der Lage sein sollen, eigenständig und vorausschauend aktiv zu werden. Durch die Verknüpfung der vorhandenen Fahrzeugsysteme mit Hilfe eines Boardrechners soll das möglich werden. Die anfangs geschilderte Situation würde dann so ablaufen: Anhand von verschiedenen Systemsignalen, zum Beispiel aus der Verkehrszeichen-Erkennung per Kamera, dem Navigationssystem, der Abstandsmessung zum vorderen Fahrzeug, dem Lastzustand der Motorelektronik sowie dem Regensensor, ermittelt der Boardrechner wichtige Informationen: Er erkennt das für die entsprechende Strecke unüblich langsame Tempo und folgert daraus die Wahrscheinlichkeit zu einem baldigen Überholvorgang. Das Fahrzeug wird nun daraufhin vorbereitet. Ohne dass der Fahrer davon Notiz nimmt, wird beispielsweise die Motoröl- und Kühlmitteltemperatur angepasst, der Motor zu Gunsten des optimalen Kraftstoffverbrauchs umgestellt und das Automatikgetriebe auf den Schaltvorgang eingestellt. Wenn der Fahrer dann Gas gibt um das Überholmanöver zu starten, kann der Wagen mit maximaler Schnelligkeit und Motorleistung reagieren. Die Verknüpfung der verschiedenen Systeme ermöglicht also eine genaue Beschreibung des aktuellen Fahrzustandes und somit die selbstständige Anpassung des Wagens. Im Falle eines Staus kommt das besonders dem Energieverbrauch zu Gute: Erkennt das Navigationsgerät den Stau schon einige Kilometer im Voraus, kann zum Beispiel die Kühlmitteltemperatur soweit abgesenkt werden, dass bei Stillstart des Motors nicht sofort der Elektrolüfter eingeschaltet werden muss.
Photovoltaik auf dem Autodach
Eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs ergibt sich auch durch die Erschließung neuer Energiequellen für den Fahrzeugbetrieb. Mit Hilfe von Sonneneinstrahlung kann bei der Erzeugung einer Kilowattstunde Strom eine Reduzierung von 0,3 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer erreicht werden. Das wird über den Einsatz von Photovoltaik-Modulen auf dem Autodach möglich. In transparenter Ausführung lassen sie sich in Schiebe- oder Glasdächer integrieren. Bereits verfügbare Module, die sich nachträglich installieren lassen, erreichen eine elektrische Leistung von bis zu 40 Watt. Auf einer Ein-Quadratmeter Fläche sind Leistungen bis 200 Watt möglich, bei einem MINI stünden zwei Quadratmeter zur Verfügung. Einen ganz praktischen Nutzen erfüllt diese Form der Energiegewinnung bezüglich des Fahrerkomforts in den Sommermonaten. Steht ein Auto lange bei hohen Außentemperaturen unter freiem Himmel kann die Energie aus den Solarzellen zur automatischen Belüftung des Innenraumes genutzt werden. Der Fahrer muss also bei Fahrtantritt nicht die volle Leistung der Klimaanlage beanspruchen und senkt so den Kraftstoffverbrauch. Im Winter dagegen kann die Sonnenenergie zur Beheizung der Fahrzeugkomponenten genutzt werden. Generell dient sie aber vor allem zum Laden der Starterbatterie: So wird der Bedarf an Energie aus Kraftstoff gesenkt und gleichzeitig auch der Verbrauch.
Die „dynamische Grüne Welle“
Eine deutliche Verringerung des CO2 Ausstoßes im Straßenverkehr gelingt jedoch nicht allein über die Optimierung der Fahrzeugsysteme. Staus und Verkehrsbehinderungen verursachen in Deutschland einen Mehrverbrauch von 12 Milliarden Litern Kraftstoff. Seit vierzehn Jahren engagiert sich die BMW Group daher mit Projekten wie MOBINET oder INZELL in der Verbesserung des Verkehrsmanagements. Mit dem Ziel der Verflüssigung des Verkehrs in Ballungszentren, wurde zum Beispiel auch die „grüne Welle“ im Ampelsystem optimiert. Bislang machen zu Beginn mancher Ampelreihen Hinweisschilder wie „Grüne Welle bei 50 km/h“, Verkehrsteilnehmer auf diese Funktion aufmerksam. Fährt man also mit der entsprechenden Geschwindigkeit auf eine Ampel zu, schaltet diese auf grün. Der Nachteil: Die Programmierung der grünen Welle ist nur in eine Richtung möglich, Fahrzeuge aus der entgegengesetzten Richtung sind also im Nachteil. Um einen Kompromiss zu finden wurde zum Beispiel in München die grüne Welle abwechselnd geschaltet. Morgens stadteinwärts, abends stadtauswärts. Münchener die außerhalb ihrer Stadt wohnen, haben also das Nachsehen. Eine optimale Lösung für alle Verkehrsteilnehmer lässt sich kaum finden. Abhilfe soll hier die von der BMW Group entwickelten „dynamische grüne Welle“ schaffen. Der Schlüssel liegt auch dabei in der Vernetzung: Die Ampeln stimmen sich untereinander ab und können sich so auf veränderte Verkehrsströme einstellen. Eine erste Teststrecke wurde im vergangenen Jahr am Frankfurter Ring in München eingerichtet. Nach Berechnungen der BMW Group können durch Maßnahmen im Verkehrsmanagement, wie die „dynamische Grüne Welle“, allein in Deutschland die durch PKW verursachten CO2 Emissionen um 7,4 Mio. Tonnen gesenkt werden.
Verbesserung der Datenerfassung
Um das weiträumige Verkehrsmanagement positiv beeinflussen zu können hat sich die BMW Group den Ausbau der Datenerfassung im Straßenverkehr zum Ziel gesetzt. Bislang stehen außerhalb des Autobahnnetzes wenige Daten bei der Routenplanung zur Verfügung. Um dieses Datennetz auszubauen und außerdem Autofahrern jederzeit die optimale Route empfehlen zu können, sollen BMW-Fahrzeuge in Zukunft als im Verkehr mitschwimmende Sensoren genutzt werden können. Mit Hilfe des entsprechenden System namens „Extended Floating Car Data“ (XFCD) soll das Fahrzeug Straßen-, Wetter- und Verkehrszustände erkennen und an eine Verkehrszentrale beziehungsweise direkt an andere Autos weiterleiten. Bei der Routenplanung mit Hilfe des Navigationssystems werden dann neben dem Kriterium der kürzesten oder schnellsten Strecke, auch der Kraftstoffverbrauch und die Witterungsverhältnisse berücksichtigt.