Wasserkrise in Gaza: Nur noch sieben Prozent der Vorkriegsversorgung verfügbar
Seit der Waffenruhe konnte Oxfam die humanitäre Hilfe im Gazastreifen wieder verstärken. Nun wird das Ausmaß der Zerstörung von Wasserinfrastruktur sichtbar: Fast 1.700 Kilometer Wasser- und Abwassernetz wurden zerstört. Besonders kritisch ist die Lage im nördlichen Gazastreifen und Rafah – dort ist im Vergleich zu Vorkriegsniveau weniger als sieben Prozent des Wassers verfügbar. Umfangreiche Reparaturen an der Wasserversorgung sind dringend erforderlich, doch Israel verzögert die Genehmigung von Lieferungen für Ersatzteile.
04.03.2025

Hilfslieferungen wie Treibstoff für den Betrieb der unbeschädigten Wasser- und Sanitäranlagen sowie der Wassertransporte haben die Versorgung der Menschen in manchen Teilen des Gazastreifens verbessert. Dennoch bleibt durch die massive Zerstörung von Wasserinfrastruktur die lebenswichtige Wasserversorgung eine große Herausforderung. In den fünfzehn Monaten der israelischen Militärangriffe wurden 1.675 Kilometer Wasser- und Abwassernetze im Gazastreifen zerstört
In Nord-Gaza und Rafah, die am stärksten zerstört wurden, müssen die Menschen mit weniger als sieben Prozent des Wassers auskommen, das sie vor dem Beginn des aktuellen Krieges hatten. Das verstärkt das Risiko der Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten. In Nord-Gaza wurden fast alle Wasserbrunnen vom israelischen Militär zerstört. In Rafah sind derzeit nur zwei von 35 Brunnen in Betrieb, da über 90 Prozent der Brunnen und Reservoirs beschädigt oder zerstört wurden.
Jede erneute Gewalthandlung oder Unterbrechung der Treibstoffversorgung der ohnehin unzureichenden Hilfslieferungen würde eine umfassende Gesundheitskatastrophe auslösen.
Die erste Bewertung von Oxfam und seinen Partnerorganisationen nach dem Waffenstillstand ergab:
- Mehr als 80 Prozent der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsinfrastruktur im Gazastreifen wurde teilweise oder vollständig zerstört, darunter alle sechs großen Kläranlagen.
- 85 Prozent der Abwasserpumpstationen (73 von 84) und -netze sind zerstört. Einige wurden repariert, es fehlt aber Treibstoff für den Betrieb.
- 85 Prozent der kleinen Entsalzungsanlagen (85 von 103) wurden teilweise beschädigt oder vollständig zerstört.
- 67 Prozent der 368 kommunalen Brunnen sind zerstört. Die meisten privaten Kleinbrunnen können wegen Mangel an Treibstoff oder Generatoren nicht genutzt werden.
- Oxfams Wasserexpert:innen schätzen, dass 60 Prozent des Wassers im Boden versickert, statt die Menschen zu erreichen.
- Gesundheitskatastrophe als Folge von Wassermangel
Der Mangel an sicherem Wasser in Verbindung mit unbehandelten Abwässern, die in die Straßen fließen, hat zu einer explosionsartigen Ausbreitung von durch Wasser übertragenen Krankheiten geführt.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation waren 88 Prozent der im Gazastreifen untersuchten Umweltproben mit Polio kontaminiert, was auf eine unmittelbare Ausbruchsgefahr hinweist. Auch Infektionskrankheiten wie akuter Durchfall und Atemwegsinfektionen – inzwischen die häufigste Todesursache – nehmen stark zu: Wöchentlich werden 46.000 Fälle, insbesondere bei Kindern, gemeldet.
Clémence Lagouardat, Oxfams Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, mahnt: „Trotz des Anstiegs der Nothilfe seit dem Waffenstillstand behindert Israel weiterhin wichtige Güter, die für die Behebung der massiven strukturellen Schäden essenziell sind. Dazu gehören dringend benötigte Rohre für die Reparatur der Wasser- und Abwassernetze und Generatoren zum Betrieb von Brunnen.“
Oxfams eigene 85-Tonnen-Ladung von Wasserrohren, Armaturen und Wassertanks im Wert von über 480.000 USD wurde über sechs Monate lang aufgehalten. Die israelischen Behörden haben die Lieferung erst diese Woche genehmigt, allerdings sind die Güter noch nicht eingetroffen.
Lagouardat weiter: „Der Wiederaufbau der Wasserversorgung und der sanitären Einrichtungen ist von entscheidender Bedeutung, damit der Gazastreifen wieder zur Normalität zurückkehren kann. Die Waffenruhe muss halten und Treibstoff und Hilfsgüter müssen fließen, damit die Menschen vor Ort ihr Leben wieder aufbauen können. Ein dauerhafter Frieden kann nur durch einen dauerhaften Waffenstillstand und eine gerechte Friedenslösung erreicht werden.“