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Slumdog Millionär als Spiegel der Armut Indiens

Indiens Armut und Elend sind der Stoff, aus dem der britische Regisseur Danny Boyle seinen Oskar-gekrönten Film "Slumdog Millionär" entwickelte, der jetzt in den deutschsprachigen Kinos angelaufen ist. Schonungslos zeigt der Film dunkle Seiten der aufstrebenden indischen Wirtschafts- und Finanzmetropole Mumbai, von der viele Menschen betroffen sind: Einer Volkszählung von 2001 zufolge leben 6,5 Mio. Menschen in den Elendsvierteln der 20 Millionen-Stadt, unter ihnen drei der Kinderdarsteller des Films.

24.03.2009

130.000 Kinder der Stadt leben auf der Straße. "Auch wenn der Film nicht die ganze Realität indischer Slums darstellen kann, macht er doch mit wesentlichen Problemen der Armut in Indien vertraut", urteilt Barnabe d'Souza, indischer Priester aus Mumbai und Leiter der Sozialorganisation "Shelter Don Bosco".

Der Film erzählt die Geschichte von Jamal Malik, einem 18-jährigen Teilnehmer einer indischen Fernsehquizshow. Dem aus den Mumbaier Slums stammenden Jungen gelingt es, alle Fragen richtig zu beantworten, worauf man ihn als Betrüger verdächtigt. Von der Polizei zur Rede gestellt, rollt er als Rechtfertigung Schlüsselszenen aus seinem Leben auf, die auf alle Fragen, die in der Quizshow gestellt wurden, Antwort geben. Jamals Erzählung beginnt im Grundschulalter, als er seine Mutter bei einer Straßenschlacht zwischen Moslems und Hindu verliert. Er lebt mit seinem Bruder Salim und dem Waisenmädchen Latika auf einer Müllkippe, ehe die Kinder von der skrupellosen Bettelmafia aufgestöbert werden, die sie unter ständiger Gewalt auf der Straße einsetzt.

Als sie für das Betteln verstümmelt werden sollen, gelingt den Brüdern die Flucht. Sie führen fortan ein gefährliches und wechselhaftes Leben in Zügen und als illegale Fremdenführer. Salim schlägt einen kriminellen Weg ein und wird Handlanger eines reichen Verbrechers. Jamal verdient sich als Servierer in einem Callcenter und versucht mit allen Mitteln, das Mädchen Latika aus den Händen der Mafia zu befreien, die sie als Prostituierte hält.

"Sind Kinder oder Jugendliche wie die Slumdog-Darsteller in der Stadt auf sich allein gestellt, so ist das oft Folge familiärer Armut oder der Arbeitslosigkeit, die Jugendliche aus den Dörfern in die Städte locken", berichtet d'Souza. Kennzeichen der auf den Straßen Mumbais lebenden Kinder sei es, dass sie bereits früh die Rolle von Erwachsenen annehmen. "Sie denken, leben und entscheiden wie Erwachsene. Viele im Alter zwischen sechs und neun Jahren müssen sich selbst um das tägliche Essen kümmern." Als wichtigste Einnahmequellen dieser Kinder nennt d'Souza das Sammeln von Recyclingmaterialien, das Autowaschen sowie den Verkauf von Kleinwaren.

Hunger im Alltag

Ausbleibende Mahlzeiten oder Krankheiten stellen die Kinder vor hohe Probleme, zudem ist der Alltag von der Suche nach Sicherheiten geprägt. "Täglich müssen sie einen sicheren Schlafplatz suchen, der sie vor Überfällen und sexuellem Missbrauch schützt", so d'Souza. Eine Gefahr gehe auch von den Kinderhändlern aus, die Kinder aufspüren und sie an Restaurants oder Bordelle verkaufen. Sicherheit wird vor allem in der Gruppe gesucht. "Die Anpassung an Gruppen ist eine Überlebensstrategie, weshalb häufig Verhaltensweisen wie Drogenkonsum oder Glücksspiele von älteren Jugendlichen übernommen werden."

Gleichzeitig mit der Armut zeigt "Slumdog Millionär" in Ansätzen auch den Fortschritt des indischen Subkontinents, indem er die technische Entwicklung, die Allgegenwart der Medien, neue Beschäftigungsformen und den aufblühenden Tourismus thematisiert. Der Wandel habe vielen Jugendlichen aus unteren Gesellschaftsschichten Hoffnung gemacht, so d'Souza. "War der Fortschritt früher auf Ober- und Mittelklasse beschränkt, sind heute auch viele Jugendliche der Unterschicht in positiver Grundstimmung. Das Erlernen von Englisch gibt Zugang zu höherer Bildung. Besonders als Computeringenieur oder Web-Designer gelingt es manchen, Karriere zu machen." In der Arbeit mit Jugendlichen aus den Elendsvierteln sei es wichtig, realistische Ziele zu fördern, so d'Souza. "Viele träumen noch immer von einer Bollywood-Karriere oder einem Lotteriegewinn. Doch der Schlüssel zum Vorwärtskommen ist heute die Bildung."

Schulbildung als Chance

Die von d'Souza geleitete Organisation "Shelter Don Bosco" konzentriert sich - neben der Sicherung von Schlafplatz und Mahlzeiten - vor allem auf Grund- und Mittelschulkurse zur Wiedereingliederung ins Schulsystem sowie auf Berufsbildungskurse, etwa für Automechaniker oder für die Nahrungsproduktion. Finanziell unterstützt wird er dabei unter anderem von der Organisation Jugend Eine Welt.

Die indische Presse war in der Beurteilung des Films durchaus unschlüssig. Durch die ungeschönte Darstellung aller negativen Aspekte des Landes wolle der Westen bloß negative Stereotype Indiens entstehen lassen und die Fortschritte des Landes verhöhnen, kritisierte die Times of India noch vor der Oskar-Verleihung. Ein anderer Kommentar derselber Zeitung verteidigte hingegen das ungeschminkte Abbild aller Krankheiten und Schwächen Mumbais: "Die Slums sind nicht das andere Indien, sondern das reale Indien. Falls die Darstellung Indiens Stereotypen unterliegt, so gilt das für alle Kulturen". Die Prämierung des Films verhalf seiner Reputation in Indien entscheidend. "Seit der Oskar-Verleihung ist in Indien die Stimmung gegenüber dem Film einhellig positiv", so Barnabe d'Souza abschließend.
Quelle: UD / pte
 
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