Deutsche Unternehmen veröffentlichen die längsten CSRD-Berichte
Rund 10.000 europäische Unternehmen haben für das Geschäftsjahr 2024 erstmals auf Basis der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) berichtet. Kirchhoff Consult hat die Umsetzung der Anforderungen in mehr als 100 Berichten aus 18 Ländern und 11 verschiedenen Sektoren untersucht und zum Teil große Unterschiede bei Umfang und Detailtiefe gefunden: So haben die Berichte deutscher Unternehmen einen deutlich überdurchschnittlichen Textumfang, obwohl sie nicht über signifikant mehr wesentliche Themen berichten.
08.04.2025

Im Rahmen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse wurden europaweit durchschnittlich sieben Themen als wesentlich identifiziert. Zu den Topthemen gehören wie erwartet der Klimawandel (E1), die Arbeitskräfte des Unternehmens (S1) und das Thema Unternehmensführung (G1). Diese drei Themen sind in nahezu allen Berichten vorhanden. Aber auch Angaben zur Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft (E5), zu Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette (S2) sowie zu Auswirkungen des Unternehmens auf Verbraucher und Endnutzer (S4) sind Themen, die in einem breiten Branchenumfeld wesentlich sind. Alle übrigen Themen sind deutlich spezifischer und häufen sich vor allem in produzierenden Sektoren. Die Varianz der Themenmenge ist hoch – knapp 7 Prozent der untersuchten Unternehmen berichten das volle ESRS-Set, also zehn Themen, während vereinzelt auch Berichte auf Basis von nur zwei wesentlichen Themen veröffentlicht wurden.
Die Ergebnisdarstellung einer CSRD-Wesentlichkeitsanalyse ist komplex, daher verzichtet eine Mehrheit der europäischen Unternehmen (60 Prozent) auf eine grafische Darstellung. Sofern doch eine Grafik verwendet wird, bleibt die Matrix die häufigste Darstellungsform. Allerdings haben einige Unternehmen die Matrix-Darstellung weiterentwickelt, um sie zielgerichtet mit den CSRD-Anforderungen zu verknüpfen.
Durchschnittlich wurden 44 „Impacts, Risks und Opportunities“ (IROs) berichtet. Auch hier variiert die Anzahl zwischen zehn und maximal 140 IROs deutlich. 75 Prozent der Unternehmen haben ihre IROs in (mindestens) einer zusammengefassten Gesamtübersicht dargestellt. Diese findet sich in der Regel im Kapitel Allgemeine Informationen. 53 Prozent der Unternehmen beschreiben ihre IROs außerdem zum Einstieg in das jeweilige Kapitel. Dies hilft dem Leser zu verstehen, warum der folgende Text relevant ist und welche Themen grob behandelt werden.
Das Kapitel zur EU-Taxonomie unterscheidet sich im Aufbau vom übrigen CSRD-Bericht. Um den „roten Faden“ nicht abreißen zu lassen, platzieren die meisten Unternehmen (47 Prozent) dieses Kapitel am Ende des Umwelt-Kapitels.
„Entity-specific“-Themen: Wo hört Nachhaltigkeit auf?
Zusätzliche, sogenannte „entity-specific“-Themen können einzelne Kennzahlen, aber auch ganze Themengebiete umfassen. Die Hälfte der untersuchten Berichte hat solche unternehmensspezifischen Themen im Bericht integriert. Sie werden zumeist den vorhandenen wesentlichen Themen beziehungsweise Kapiteln zugeordnet. Die Gesamtheit dieser Themen weist allerdings eine hohe Varianz auf – sie reicht von Themen wie Datenschutz und Cybersecurity über Steuern bis hin zu Innovation und Risikomanagement. Hier muss in vielen Fällen klarer herausgearbeitet werden, inwieweit diese Themen tatsächlich einen Nachhaltigkeitsbezug aufweisen. Steuern und Risikomanagement werden beispielsweise in anderen Bereichen des Jahresabschlusses häufig ausreichend gewürdigt – eine zusätzliche Abhandlung im Nachhaltigkeitsbericht erscheint nicht zwingend sinnvoll.
Der Umfang der CSRD-Berichte variiert zwischen 41 Seiten bis hin zu maximal 283 Seiten insgesamt sehr stark. Im Durchschnitt liegt der Umfang der CSRD-Berichte bei 130 Seiten. Um tatsächlich valide und brauchbare Aussagen zu Berichtsumfängen treffen zu können, wurden im Rahmen dieser Analyse nicht nur die Anzahl von PDF-Seiten verglichen, sondern alle Wörter der Berichte erfasst und daraus Normseiten abgeleitet. Die Wahl von beispielsweise Berichtsformat und Schriftgröße führt somit zu keiner Verzerrung der Beobachtungen.
Führt „deutsche Gründlichkeit“ zu umfangreicheren Berichten?
Auffällig ist, dass deutsche Berichte signifikant länger sind als der durchschnittliche CSRD-Bericht. Während andere europäische Berichte mit durchschnittlich 116 Seiten Textumfang auskommen, liegt der Umfang deutscher Berichte im Mittel bei 148 Seiten, also 27 Prozent darüber. Gleichzeitig übersteigt die Anzahl der wesentlichen Themen in deutschen Berichten mit durchschnittlich 7,5 nicht deutlich die Anzahl der wesentlichen Themen bei den übrigen europäischen Berichten (Durchschnitt: 6,7). In deutschen Berichten werden demnach nahezu gleich viele wesentliche Themen deutlich umfangreicher beschrieben.
„Deutsche Unternehmen haben die Vorgaben der CSRD-Berichterstattung mit besonders viel Aufwand umgesetzt. Das kann aus unserer Sicht verschiedene Ursachen haben: Zum einen könnte das Nachhaltigkeitsmanagement in deutschen Unternehmen bereits sehr fortschrittlich sein, bei einem gleichzeitig hohen Anspruch an Transparenz. Allerdings halten wir es für wahrscheinlicher, dass vor allem die hohen Prüfungsanforderungen für deutsche Unternehmen ein Treiber dieser Beobachtung sind“, so Julian von Pressentin, Director ESG/Sustainability bei Kirchhoff Consult. „Ein weiterer wichtiger Punkt könnte ein fehlender Fokus auf wesentliche Informationen sein. Hier besteht möglicherweise ein Ansatzpunkt, um Komplexität und Umfang der Berichte zu reduzieren.“
Auf Basis eines erweiterten Samples soll diese Beobachtung in den kommenden Monaten weiter untersucht werden, sodass sich belastbare Ursachen für diese Untersuchungsergebnisse benennen lassen.
Interoperabilität gegeben: CSRD-Bericht ist auch ein GRI-Bericht
Bei der Entwicklung der ESRS wurden andere Standardsetzer aktiv und bewusst mit einbezogen: Die ESRS enthalten unter anderem Referenzen zu GRI, IFRS oder TCFD. Gemeinsam mit GRI hat die EFRAG beispielsweise schon im vergangenen Jahr angekündigt, dass ein CSRD-Bericht ebenfalls die Anforderungen einer Berichterstattung unter Bezugnahme auf die GRI-Standards (Reference-Option) erfüllen wird – lediglich ein GRI-Index wäre zu erstellen, um diese Interoperabilität sinnvoll zu nutzen.
Überraschenderweise spielen andere Rahmenwerke nur eine geringe Rolle in der bisherigen CSRD-Berichterstattung. So wird GRI in 66 Prozent der untersuchten Berichte nicht einmal erwähnt und ein zusätzlicher Index ist eine Randerscheinung. SASB und IFRS spielen im untersuchten Sample ebenfalls keine relevante Rolle. Lediglich die Sustainable Development Goals (SDGs) und TCFD finden regelmäßig Erwähnung in den Nachhaltigkeitsberichten.
Wie geht es weiter? CSRD noch nicht in deutsches Recht umgesetzt
Nach wie vor ist die CSRD nicht in deutsches Recht umgesetzt. Diese Verzögerung ist mit einer hohen Rechtsunsicherheit für aktuell und künftig berichtspflichtige Unternehmen verbunden. Ein Aufschub um zwei Jahre für solche Unternehmen, die noch keiner Berichtspflicht unterliegen, scheint derzeit sehr wahrscheinlich. Außerdem sollen die ESRS bis Ende Oktober überarbeitet werden. Ziel: eine deutliche Vereinfachung.
„Es ist zu erwarten, dass rechtliche Unsicherheiten vorerst bestehen bleiben. Unternehmen sollten sich für die nächste Reporting-Saison vor allem darauf konzentrieren, ihre Berichtsprozesse möglichst effizient und zukunftsorientiert aufzustellen. Das bedeutet: Komplexität zu reduzieren, ohne Transparenz einzubüßen“, so Claudia Herzog-Kamensky, Head of ESG/Sustainability bei Kirchhoff Consult.