Natürlicher Klimaschutz: Wie digitale Tools Kommunen unterstützen
Technologien unterstützen Kommunen beim Management von Grünflächen, Regenwasser und Hitze sowie bei der Begrünung von Gebäuden. Doch unklare Zuständigkeiten, Wissenslücken und Skepsis gegenüber digitalen Lösungen bremsen den Fortschritt. Spezielle Angebote zeigen, wie Kommunen ein innovationsfreundliches Klima schaffen und digitale Technologien gezielt nutzen können.
11.04.2025

Von Hitzewellen bis Starkregen – die Auswirkungen des Klimawandels treffen insbesondere städtische Gebiete. Urbane Ökosysteme können dazu beitragen, Klimafolgen zu mindern und auf natürliche Weise das Klima zu schützen, indem sie Kohlendioxid binden. Immer mehr Technologien unterstützen Kommunen dabei, ihre Ökosysteme gesund und intakt zu erhalten oder zu entwickeln. Forschende des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und von Net Positive Cities haben in der Studie „Digitale Technologien für natürlichen Klimaschutz in Kommunen“ nun erstmals einen Überblick über die Potenziale solcher Tools veröffentlicht.
Diese unterstützen Kommunen etwa dabei, Grünflächen zu managen, Regenwasser zu bewirtschaften, Gebäude zu begrünen oder Biotope aufzuwerten. In der Untersuchung hat das Forschungsteam zudem Unterstützungsangebote entwickelt, um Kommunen Wege im Umgang mit Hemmnissen beim Einsatz der Tools aufzuzeigen. Das Projekt wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) durchgeführt.
Natürlicher Klimaschutz mit KI, digitalen Zwillingen und 3D-Stadtklimamodellen
„Die Technologien, die Kommunen beim Klimaschutz und bei der Anpassung praktisch unterstützen, haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt“, erklärt Professor Daniel Johnson, der das Projekt am IÖW geleitet hat. „Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Biodiversität in der Stadtplanung besser zu managen. 3D-Stadtklimamodelle zeigen Hitze-Hotspots auf oder unterstützen bei der Bewirtschaftung von Regenwasser. Ein digitaler Zwilling kann als Hilfe dienen, um Stadtbäume in einem Baumartenkataster zu monitoren. Dies sind Beispiele, die bereits praxiserprobt sind und in einigen Kommunen umgesetzt werden. In unserer Studie zeigen wir die Potenziale entlang der Handlungsfelder auf. Mit dem neuen Portal Umwelt.info des Umweltbundesamtes gibt es seit Kurzem einen Datenfundus, der die Kommunen bei ihren Aufgaben unterstützen kann.“
Die Forschenden haben in einem praxisorientierten Forschungsansatz Interviews und Workshops mit Vertreter:innen aus Kommunen, von Anbietern digitaler Technologien sowie aus Kompetenzzentren durchgeführt. „Wir sind auf mehrere Hürden gestoßen, die es in den Kommunen beim Einsatz von solchen modernen Technologien gibt“, erläutert Maria Real Perdomo von Net Positive Cities, die eng mit vielen Kommunen zum Thema Smart City und Klimaschutz zusammenarbeitet.
„Nicht selten sehen wir unklare Zuständigkeiten und Wissenslücken, aber auch mangelnde Offenheit gegenüber neuen Technologien und Daten. Wir empfehlen Kommunen, ein offenes Innovationsklima zu fördern, damit diese Zukunftstechnologien in wichtigen Themenfeldern zum Einsatz kommen und sie dabei unterstützen, klimaresilient zu werden“, so Real Perdomo. In der Studie sind solche Herausforderungen bei der Nutzung digitaler Technologien für den natürlichen Klimaschutz beschrieben, genauso wie Beratungs- und Unterstützungsangebote, um diese zu überwinden.
Wie digitale Tools Kommunen beim natürlichen Klimaschutz helfen – ein Überblick aus der Studie:
- Biotope und Flächen aufwerten: Die Software Marxan wird weltweit in der systematischen Naturschutzplanung eingesetzt, um optimale Flächenkombinationen für den Biotopverbund zu identifizieren. Mithilfe eines heuristischen Algorithmus werden die bestgeeigneten Flächen basierend auf definierten Indikatoren ausgewählt. In Bayern nutzt das Bayerische Artenschutzzentrum das Programm, um Biodiversitätsberater:innen und Naturschutzfachkräften digitale Planungsgrundlagen für die Biotopvernetzung bereitzustellen.
- Grünflächen managen: Als Grundlage für das Grünflächenmanagement dienen Geoinformationssysteme (GIS). Solche digitalen Kartierungen zu vorhandenen Grünflächen enthalten etwa Daten zu Spezies, Alter und Verortung einer Pflanze. Werden diese Geodaten mit Fachdaten und Analyseinstrumenten verknüpft, werden sie zu einem „digitalen Zwilling“ – einem realitätsnahen digitalen Abbild eines Stadtausschnittes. Er bildet die Grundlage für Modellierungen, Simulationen und Szenarien, mit denen Kommunen Maßnahmen entwickeln können. Ein Anwendungsbeispiel sind etwa optimierte Gießrouten bei der Grünpflege, wie sie das Projekt „Quantified-Trees“, kurz Q-Trees, in Berlin bereits anbietet.
- Regenwasser bewirtschaften: Wie können wassersensible Infrastrukturen wie (unterirdische) Regenwasserauffangbecken geplant werden? Auch hierfür gibt es spezielle Tools wie 3D-Modelle und Sensorik. Das Modell des Awatree-Bewässerungssystems verschneidet Wetterdaten und Bodenfeuchtigkeitssensoren miteinander. Automatisiert wird dann entschieden, wann und wie viel Wasser aus den Regenwasserauffangbecken für die Bewässerung von Stadtgrün gebraucht wird. Dadurch wird Wasser effizient genutzt und Überbewässerung vermieden. Auch intelligente Bewässerungssysteme können bei der automatischen Bewässerung von Parks und Stadtbäumen helfen und dadurch den Wasserverbrauch optimieren und unnötige Fahrtkosten durch Bewässerungsfahrzeuge reduzieren. In einem Pilotprojekt setzt die Stadt Pforzheim das System zur automatischen Bewässerung von Bäumen ein.
- Gebäude begrünen: Begrünte Gebäude leisten einen wichtigen Beitrag zur Kühlung, Luftfilterung und Kohlendioxidbindung in Kommunen. Digitale Technologien wie Sensoren, Fernerkundung und KI-gestützte Systeme unterstützen die Überwachung von Temperatur, Luft- und Bodenqualität sowie die Bewertung von Maßnahmen. Gründachkarten und digitale Zwillinge helfen bei der Planung, während autonome Systeme eine effiziente Bewässerung ermöglichen.