Deutschland setzt nachhaltiges Entwicklungsziel zum Ozean am besten um
Im September 2015 wurde auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Seitdem bildet sie mit ihren 17 Entwicklungszielen und 169 Unterzielen den Rahmen für eines der ehrgeizigsten globalen Vorhaben. Doch wie lässt sich ein Fortschritt bei der Umsetzung überhaupt bewerten? Hunderte Messgrößen bilden dafür die Grundlage. Kieler Forscher haben jetzt mithilfe mathematischer Berechnungen diese Indikatoren zusammengefasst und europäische Küstenstaaten in Bezug auf das Ozeanziel bewertet. Deutschland nimmt demnach einen Spitzenplatz im EU-Vergleich ein. Die Studie ist kürzlich online in der internationalen Fachzeitschrift Earth’s Future erschienen.
12.07.2016
Mit dem nachhaltigen Entwicklungsziel (Sustainable Development Goal, SDG) 14 erhalten zum ersten Mal die Ozeane und deren Erhalt und Nutzung sowie explizit die Meeresressourcen eine Stimme im Kanon so elementarer Ziele wie der Bekämpfung von Armut, Hunger oder dem Zugang zu Bildung. Gesunde Meeres- und Küstenökosysteme spielen für die Gesellschaft weltweit eine herausragende Rolle, ob als Klimapuffer, Nahrungsquelle, als Wirtschaftsfaktor für Tourismus oder als Transportweg.
Auch Deutschland hat seine Nachhaltigkeitsstrategie diesem globalen Rahmen angepasst und einen ersten Entwurf am 1. Juni vorgestellt. Die Implementierung von geeigneten Maßnahmen innerhalb der einzelnen Staaten zur Erreichung der Ziele bis 2030 bleibt dabei komplex. Für die Umsetzung der 17 Entwicklungsziele und sich daraus ableitenden 169 Unterziele haben die Vereinten Nationen einen Katalog aus derzeit 300 Indikatoren vorgelegt, der die Modalitäten für die Bewertung festlegt. Diese Indikatoren sollen zur besseren Überprüfung der Erfüllung der Ziele herangezogen werden.
Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Kieler Ökonomen aus dem Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“, dem Institut für Weltwirtschaft (IfW), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben in einer neuen Studie zusammen mit Kollegen aus Heidelberg und Meeresforschern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel die spezifischen Zielvorgaben zum Ozean-SDG 14 und ihre entsprechenden Indikatoren für europäische Küstenstaaten untersucht. Die große Anzahl von 300 Indikatoren kann es allerdings erschweren, geeignete Politikmaßnahmen zu identifizieren, so die Befürchtung der Kieler Meeresforscher.
Deutschland ist Spitzenreiter
Um den Rahmen der Erfolgsbewertung von nachhaltigen Entwicklungszielen zu vereinfachen und eine Gleichrangigkeit aller Zielgrößen zu erhalten, schlagen die Kieler Ökonomen und Meeresforscher in ihrer Studie daher zusammengesetzte Indikatoren für die Bewertung der Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen vor und haben den zusammengesetzten Indikator am Beispiel des Ozeanziels 14 für europäische Küstenstaaten berechnet. Ihr Ergebnis: Deutschland ist europäischer Spitzenreiter bei der Umsetzung der nachhaltigen Agenda zur Nutzung des Ozeans. „Die Kieler Methode trägt dazu bei, dass sich der Fortschritt der einzelnen Staaten in der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele leichter messen lässt und zu einer besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse führt“, sagt Dr. Wilfried Rickels, Ökonom am IfW und Mitglied im Exzellenzcluster.
„Ziel unserer Studie ist, der Politik ein Werkzeug für die Erfolgsbewertung an die Hand zu geben, mit dem alle Indikatoren gleichermaßen in die Bewertung einfließen. Nur so können Synergien identifiziert werden und die Gefahr einer ungleichen Gewichtung fällt weg“, fasst Ökonom Rickels, der mit Volkswirtschaftlern der Kieler Christian-Albrechts-Universität und Meeresforschern des GEOMAR die Untersuchung durchgeführt hatte, zusammen. „Unser Ansatz kann daher zu einer effektiveren Bewertung der nachhaltigen Entwicklung beitragen“, so Rickels weiter.
Um das Abschneiden der einzelnen Staaten zu verstehen, bleibt es dennoch notwendig, die individuellen Indikatoren zu betrachten. So zeigt sich, dass Deutschland bei nahezu allen untersuchten Messgrößen wie beispielsweise der wirtschaftlichen Entwicklung, dem Management von Fischbeständen oder der Vermeidung von Plastik in der Umwelt ein überdurchschnittliches Abschneiden erreicht. Eine Ausnahme bildet der Tourismus-Sektor, bei dem noch deutliches Verbesserungspotenzial hin zu einer nachhaltigen Strategie erkennbar ist. Die zusammengesetzten Indikatoren bilden aber einen wichtigen Beitrag für die Gesamtbewertung der marinen Entwicklung.
„Die Entwicklungsziele umzusetzen, bleibt eine Herausforderung, der sich alle Wissenschaftsdisziplinen, Politik und Gesellschaft gemeinsam stellen müssen“, betont Prof. Martin Visbeck, Ozeanograph am GEOMAR und Sprecher des interdisziplinären Forschungsverbundes. „Auch unsere Studie zeigt deutlich, dass nur im Zusammenspiel der Natur- und Gesellschaftswissenschaften eine fundierte Bewertung der Umsetzung von nachhaltigen Entwicklungszielen und eine Transformation der Ergebnisse in die Gesellschaft gelingen kann.“