Politik

EU gründet European Raw Materials Alliance

Permanentmagnete auf Basis seltener Erdmetalle sind wichtige Bestandteile vieler High-Tech Produkte und von großer Bedeutung für die Digitalisierung und den Übergang zu sauberer Energie. Trotzdem muss ein Großteil der Rohstoffe importiert werden, um den Bedarf der EU zu decken. Als Hauptexporteur kontrolliert China den weltweiten Markt. Mit der Gründung der Europäischen Rohstoffallianz unternimmt die EU nun einen wichtigen Schritt, um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.

07.10.2020

EU gründet European Raw Materials Alliance
Mit der Gründung der European Raw Materials Alliance (ERMA) will die EU ihre Versorgung mit kritischen Rohstoffen sichern.

Die Sicherung der Rohstoffe zur Produktion von Seltenerdmagneten steht dabei ganz oben auf der Agenda. Mit der Entwicklung einer Recycling-Lieferkette leistet das EU-Projekt SUSMAGPRO, koordiniert von der Hochschule Pforzheim, einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels.

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Viele Verbraucher denken bei Magneten zuerst an Handtaschenverschlüsse oder Kinderspielzeug, doch Permanentmagnete auf Basis seltener Erdmetalle (SE) sind absolute Hightech-Produkte, unverzichtbar in Hochleistungs-Elektromotoren, Generatoren, Sensoren und Aktuatoren. Sie spielen eine fundamentale Rolle beim Übergang zu einer sauberen Energiezukunft und bilden als Funktionskomponenten in Windkraftanlagen, Elektro und Hybridfahrzeugen, Robotik und Digitalisierung die Grundlage für eine Industrie im Wert von mehr als drei Billionen US-Dollar weltweit, mit stark steigender Tendenz. Experten rechnen damit, dass die Nachfrage nach Permanentmagneten im nächsten Jahrzehnt um 15 bis 20 Prozent jährlich wachsen wird.

Auswirkungen der chinesische Marktdominanz

Nun sind „seltene“ Erden keineswegs selten, selbst in Deutschland sind in Storckwitz (Sachsen) durchaus abbauwürdige Mengen bekannt. Was der europäischen Industrie jedoch die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist die monopolähnliche chinesische Marktdominanz. Dies liegt unter anderem daran, dass die Aufbereitung der im Tagebau gewonnenen Erze große Mengen an problematischen Abfällen wie Laugen, Säuren und radioaktive Beiprodukte erzeugt und die (oft nicht vorhandenen) chinesischen Umweltauflagen eine konkurrenzlos kostengünstige Produktion ermöglichten, was weltweit zu einem ruinösen Preiskampf führte und die meisten Wettbewerber aus dem Markt fegte. Während jedoch der chinesische Staat derzeit große Anstrengungen unternimmt, illegale Minen zu schließen und die Umweltstandards an internationale Maßstäbe anzupassen, führten seine langfristigen Investitionen und die damit verbundene, konsequente Marktentwicklung in den letzten 50 Jahren dazu, dass der Marktzugang europäischer Unternehmen zunehmend in Gefahr zu geraten droht. Dabei ist besorgniserregend, dass die Volksrepublik China nicht nur die gesamte Wertschöpfungskette vom Abbau der Erze bis zur Endanwendung abdeckt, sondern zudem in ihrem aktuellen Fünfjahresplan hohe Investitionen in die Branche mit einer Deckelung der Abbaukapazität und Exportbeschränkungen kombiniert. Ganz offen beschreibt China, dass die Ummünzung des Rohstoffvorteils in Technologie- und Marktführerschaft in zukunftsweisenden Schlüsseltechnologie Priorität gegenüber dem Export von Rohstoffen oder Magneten besitzt. Wachsende politische Spannungen kombiniert mit Einfuhrzollüberlegungen erhöhen die Preisvolatilität und damit die Anfälligkeit des Marktes weiter. Als beispielweise im Mai 2019 der chinesische Präsident Xi Jinping eine chinesische Seltenerdverarbeitungsanlage besichtigte und „People's Daily“, die offizielle Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas, nur ganz abstrakt die Idee eines möglichen Exportverbots erwähnte, schnellte der Preis für Neodym (das wichtigste SE-Metall für Magnete) innerhalb weniger Stunden um 20 Prozent nach oben und brauchte Wochen, um wieder auf das alte Niveau zu sinken. Zudem hat die Covid19-Pandemie das Vertrauen in weltweite Lieferketten erschüttert und rückt die sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen noch weiter in den Fokus.

Gründung der Europäischen Rohstoffallianz 

So ist es nur folgerichtig, dass die EU nach der Wasserstoff- und Batterieallianz die Europäische Rohstoffallianz (European Raw Material Alliance, kurz ERMA) gründete, deren erste Priorität auf der Sicherung der Rohstoffe für Permanentmagnete liegt. Die Allianz plant die Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Magnetwerkstoffen durch strategische Zusammenarbeit mit „stabilen Partnern“ wie Kanada oder Australien bei der Gewinnung und Aufbereitung der Ausgangsstoffe und sieht die Unterstützung afrikanischer Staaten beim Aufbau von nachhaltiger Förderung sowie die Ausweitung der Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Ländern vor. „Die Notwendigkeit der Digitalisierung, wachsender internationaler Protektonismus und die Verpflichtung, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen und nachhaltig zu wirtschaften, zwingt uns dazu, unsere Rohstoffquellen zu sichern. Hierzu ist die ERMA eine hervorragende Idee, die die volle Unterstützung der deutschen Bundesregierung hat. Wir unterstützen die Diversifizierung der Lieferketten und verbessertes Recycling ausdrücklich“, erklärte Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, im Rahmen der Gründungsveranstaltung. „Die Wiederverwertung der Rohstoffe aus Elektro- und Elektronikschrott im Urban Mining und eine wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit sind absolut unverzichtbar, um die Abhängigkeit von China zu verringern, hierbei muß die Recyclingquote von Permanentmagneten stark erhöht werden“, ergänzte zudem Maroš Šefčovič, Vize-Präsident der Europäischen Kommission.

Prof. Dr. Carlo Burkhardt, Hochschule Pforzheim
Prof. Dr. Carlo Burkhardt, Hochschule Pforzheim

„Abgekürzter“ Recyclingprozess bei Magneten

Um gemäß dem European Green Deal „die EU in eine faire und wohlhabende Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu verwandeln, in der es 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen gibt und in der das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist“ liegt ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Allianz auf der Wiederverwertung der bereits heute im europäischen Markt befindlichen 20.000 Tonnen Permanentmagnete. Denn trotz großer Anstrengungen bei der Entwicklung von Recyclingtechnologien gibt es nämlich immer noch keine effiziente Kreislaufwirtschaft, die es ermöglicht, Magnete wiederzuverwenden und als Sekundärrohstoffe zu nutzen. Dass die Recyclingquote derzeit bei mageren ein Prozent liegt, hat dabei vielfältige Gründe, wie Professor Dr. Carlo Burkhardt von der Hochschule Pforzheim erläutert, der das derzeit größte europäische Forschungsprojekt zum Recycling von Seltenerd-Magneten leitet.

Gegenüber den bisherigen Ansätzen, die SE-Metalle Neodym und Dysprosium durch aufwendige hydro- oder pyrometallurgische Prozesse wieder als Ausgangselemente zurückgewinnen und mit Eisen und Bor neu legieren, setzt das Konsortium des Projekts SUSMAGPRO , das aus 19 europäischen Partnern besteht, auf einen „abgekürzten“ Recyclingprozess, bei dem mit Hilfe von Wasserstoff das Magnetmaterial versprödet und pulverisiert wird. Ohne die Aufspaltung in die einzelnen Legierungsbestandteile kann das Pulver direkt wieder zu Magneten verarbeitet werden, was eine Energieeinsparung von über 90 Prozent gegenüber der Primärproduktion und sogar 98 Prozent geringere Toxitität ermöglicht. Der HPMS-Prozess funktioniert im Labormaßstab bereits störungsfrei und soll in dem von der EU mit 12,9 Millionen Euro im Forschungsprogramm Horizon 2020 geförderten Projekt zur Serienreife gebracht werden, so dass 2024 in vier Pilotanlagen in Schweden, Großbritannien, Slowenien und Deutschland jährlich 110 Tonnen Magnetabfall recycelt werden können. Das Konsortium bildet dabei die gesamte Verwertungskette vom großen Recyclingbetrieb über Magnethersteller bis zu Endanwendern für Traktionsmotoren, Windkraftanlagen oder Heizungspumpen ab.

„Die Schwierigkeit liegt nicht im eigentlichen Recyclingprozess. Der HPMS-Prozess für Neodym-Eisen-Bor-Magnete ist effizient und kostengünstig. Leider gibt es jedoch eine Vielfalt von Magneten im Markt, zum Beispiel schwer wiederverwertbare Ferrite oder Samarium-Cobalt-Magnete und die magnethaltigen Komponenten unterliegen heute keiner Kennzeichnungspflicht. Oft ist auch die Zerlegung der Komponenten teurer als der sich darin befindliche Rohstoffwert, weshalb Elektronikschrott oft komplett geschreddert wird“, erläutert Burkhardt.

Das Projekt entwickelt deshalb Sensorik und automatische Sortiereinrichtungen, um den Magnetabfall gezielt vorzusortieren und damit die Effizienz des Prozesses zu erhöhen. Hierzu gehört auch die Erarbeitung von Kennzeichnungs- und Klassifizierungssystemen, um die Taktzeit bei der automatischen Sortierung weiter zu verringern und die Definition von Kriterien, um Bauteile recyclinggerechter zu machen. Oft helfen hier Kleinigkeiten: So gibt es zum Beispiel Korrosionsbeschichtungen für Magnete, die sich bei der Pulverisierung des Magnetmaterials nur sehr aufwendig abtrennen lassen, ohne dass sie eine größere Schutzwirkung haben oder billiger sind als recyclinggerechte Vergleichsbeschichtungen. Gleiches gilt für Klebstoffe, mit denen die Magnete in den Komponenten fixiert werden. Das Projekt analysiert deshalb nahezu jeden Magneten, der den Forschern in die Hände fällt. Die gesammelten Informationen wandern in eine umfangreiche Datenbank und werden systematisch ausgewertet. „Nur wenn die Konstrukteure wissen, worauf es beim Recycling ankommt, können sie das auch entsprechend umsetzen. Hier sind wir in der Verantwortung, diese Informationen bereitzustellen“, sagt Burkhardt und zeigt sich zuversichtlich, dass durch konsequentes Recycling der Komponenten mit hohem Magnetanteil, also in erster Linie aus Windkraftanlagen, E-Autos, Computerfestplatten der Serverfarmen und Pumpen, mittelfristig ein Recyclinganteil von 15 bis 25 Prozent erreichbar ist. Dies entspräche dann in etwa der heute in der EU verbauten Menge an Magneten.

Dann ergänzt Burkhardt: „Aber nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Hersteller, Verbraucher und Gesetzgeber sind gleichermaßen gefordert. Durch die Schaffung von Kennzeichnungsstandards, den Einsatz von recyclinggerechten Produkten und die Entwicklung neuer, besonders ressourceneffizienter Wertschöpfungsketten muss es uns gelingen, den derzeitigen Standortnachteil nicht nur auszugleichen, sondern mittelfristig in einen Standortvorteil umzuwandeln.“

Die Gründung der European Raw Materials Alliance ist hierzu ein immens wichtiger erster Schritt.

Quelle: UD/fo
 

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