Merkels Flüchtlingspolitik war kein Migrationstreiber
Die hohen Zuwanderungszahlen im Jahr 2015 waren das Ergebnis eines Aufwärtstrends, der sich seit Jahren abzeichnete. Zudem hat die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel im September 2015, Tausende von Asylsuchenden über die Grenze nach Deutschland einreisen zu lassen, nicht zu einer dauerhaft erhöhten Zuwanderung geführt. Dies belegt eine neue Studie.
19.08.2021
„Eine offene Migrationspolitik für Menschen in Not führt nicht zwangsläufig zu einer langfristig anhaltenden Zuwanderung. Zwar verbreitete sich die Nachricht von Angela Merkels Entscheidung rasant über Medien und soziale Netzwerke, doch der von Kritikern befürchtete Pull-Effekt, dass sich erst deswegen viel mehr Asylsuchende auf den Weg nach Deutschland machen würden, trat nicht ein“, so Tobias Heidland, Direktor des Forschungszentrums Internationale Entwicklung am Institut für Weltwirtschaft. „Selbst die Auswanderungsabsichten potenzieller Migranten in den Herkunfts- oder Erstasylländern wie der Türkei stiegen höchstens kurzfristig an.”
Für die Studie untersuchten die beiden Autoren eine breite Palette von Datenquellen: verschiedene Datensätze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Europäischen Union, Umfragedaten in den Herkunftsländern und Google-Suchdaten. Die Ergebnisse zeigen, dass Merkels Entscheidung im Jahr 2015 keinen messbaren Einfluss auf die nachfolgenden Migrationsbewegungen nach Deutschland bis 2020 – dem Beginn der Corona-Pandemie – hatte.
Die hohen Migrationszahlen nach Deutschland im Jahr 2015 waren dagegen das Ergebnis eines Aufwärtstrends, der bereits 2010 begann und sich 2014 und 2015 zum Teil durch Finanzierungslücken bei der Versorgung von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeländern im Nahen Osten intensivierte. Statt sich weiter zu beschleunigen, gingen die Migrationszahlen nach 2015 deutlich zurück – sogar schneller als in anderen EU-Zielländern.
Eine Vielzahl von Faktoren sind für den starken Rückgang in der Migration nach 2015 verantwortlich, insbesondere die zunehmend restriktive Migrationspolitik Deutschlands (wie das EU-Türkei-Abkommen, die Schließung der Balkanroute, die Beschränkung des Familiennachzugs, et cetera) sowie die verbesserten Lebensbedingungen für syrische Flüchtlinge in den Lagern des Nahen Ostens.
„Unsere Analyse zeigt sowohl, dass eine Willkommenspolitik nicht zwangsläufig mehr Zuwanderung produziert, als auch, dass Staaten sich schnell an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und Migration regulieren können“, erläutert Jasper Tjaden, Professor für angewandte Sozialforschung und Public Policy an der Universität Potsdam und Co-Autor der Studie. „Was wir aus der deutschen Flüchtlingspolitik seit 2015 lernen können, ist auch für andere Staaten relevant: Sie können dringend benötigten Flüchtlingsschutz gewähren – und wieder begrenzen, wenn Kapazitäten erreicht sind.“
Zur Originalpublikation geht es hier.