Tax me if you can
Bislang gingen Deutschland durch den Verzicht auf die seit 1996 ausgesetzte Vermögensteuer mehr als 380 Milliarden Euro verloren, das entspricht etwa 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024. Die angeblich nicht zu vermeidende Steuerflucht der sehr Reichen und Superreichen ist eines der wichtigsten Argumente gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
03.07.2024
Die Studie „Keine Angst vor Steuerflucht!“ von Netzwerk Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland widerlegt die Behauptung, Steuerflucht sei ein unvermeidbares Problem. Sie zeigt, dass Deutschland in den letzten Jahrzehnten umfassende und international führende Regelungen geschaffen hat, um Steuerflucht deutlich zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen. Eine Vermögensteuer sei nicht nur machbar, sondern dringend notwendig, um die gefährliche Konzentration von Vermögen zu verringern.
Die Studie zeigt:
- Vor 1996 musste in Deutschland eine Vermögensteuer von einem Prozent auf das Vermögen gezahlt werden. Durch die Aussetzung der Vermögensteuer fehlen der Staatskasse mehr als 380 Milliarden Euro, das entspricht fast 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024.
- Seit dem Jahr 2001 hat sich das Vermögen der hundert reichsten Menschen in Deutschland um rund 460 Milliarden Euro erhöht.
- Unter den aktuell 226 deutschen Milliardär:innen finden sich nur 29 Personen, die sich ihrer Steuerpflicht durch Wegzug entziehen wollten.
- Seit 1972 sind sowohl die Gesetze zur Bekämpfung der Steuerflucht als auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Steuervermeidung verschärft worden. Inzwischen steht ein umfassendes Instrumentarium gegen Steuerflucht zur Verfügung, das die Wegzugsbesteuerung mit der Besteuerung von Unternehmensverlagerungen ins Ausland kombiniert.
- Steuerflucht ist teuer. Das zeigt eine Beispielrechnung: Wollte BMW-Erbin Susanne Klatten heute ihre BMW-Aktien und ihr durch BMW-Dividenden gewachsenes Vermögen ins Ausland transferieren, müsste sie knapp 6,5 Milliarden Euro versteuern, rund 30 Prozent ihres geschätzten Vermögens.
Manuel Schmitt, Referent für Soziale Ungleichheit von Oxfam Deutschland: „Die Studie zeigt ganz klar: Der Kampf gegen Steuerflucht ist vor allem eine Frage des politischen Willens. Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag unter anderem bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die Tagesordnung setzen. So könnte die demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringert und dringend benötigte finanzielle Mittel für den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz generiert werden – in Deutschland und weltweit.“
Christoph Trautvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit: „Die Angst vor der Steuerflucht ist in der Bevölkerung genauso wie in der Politik weit verbreitet. Aber die Angst ist irrational. Steuerflucht ist kein Schicksal und auch kein Massenphänomen. Die wenigsten Menschen kennen die bereits sehr wirksamen und weitreichenden Gegenmaßnahmen. Und anders als einzelne Skandale das nahelegen, sind die meisten großen deutschen Vermögen nicht im Ausland und sie sind über ihr soziales und politisches Kapital mit Deutschland verbunden. Zeit also für eine rationale Debatte über die Besteuerung großer Vermögen.“