Politik
Bundesländerindex Mobilität: Nachhaltige Verkehrspolitik wird messbar
Zwischen den 16 deutschen Bundesländern gibt es beim Thema "nachhaltige Mobilität" erhebliche Unterschiede. Das geht aus dem wissenschaftlich begleiteten "Bundesländerindex Mobilität" hervor, den die Allianz pro Schiene am Donnerstag in Berlin vorstellte. Danach rangieren das Flächenland Nordrhein-Westfalen und der Stadtstaat Berlin mit Abstand an der Spitze der Bundesländer, gefolgt von Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland Pfalz. Auf den letzten drei Rängen des Rankings finden sich Niedersachsen (14), Sachsen-Anhalt (15) und Hessen (16).
13.07.2012
Es mag überraschen, dass sich in der Rangfolge der Bundesländer keinerlei Ost-Westgefälle zeigt. "Wir finden alte und neue Bundesländer ganz vorne, im Mittelfeld und ganz hinten. Einen messbaren Nachholbedarf des Ostens bei nachhaltiger Mobilität konnten wir nicht feststellen", sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, bei der Vorstellung des Indexes am Donnerstag in Berlin. "Der Spitzenreiter NRW widerlegt auch die Mär vom Rückstand des Westens", sagte Flege. Die Schablone reiche Länder/arme Länder tauge ebenfalls nicht als Schlüssel. "In schöner Harmonie bilden die hochverschuldeten Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen zusammen mit dem in Sachen Verschuldung gut dastehenden Baden-Württemberg das Spitzentrio", sagte der Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer. Bei allen Verschiedenheiten hätten Nordrhein-Westfalen, Berlin und Baden-Württemberg eins gemeinsam: "Die drei Bestplatzierten sind allesamt mit ehrgeizigen politischen Zielen zur nachhaltigen Mobilität aufgefallen", sagte Flege.
Einen systematischen Bundesländervergleich, der vorhandene statistische Daten im Bereich Mobilität oder die verkehrspolitischen Weichenstellungen in allen 16 Ländern abfragt und vergleichbar aufbereitet, gibt es bislang nicht. Mit dem "Bundesländerindex Mobilität" betritt die Allianz pro Schiene daher verkehrspolitisches Neuland. Die Datensammlung soll von jetzt an jedes Jahr aktualisiert erscheinen und Anregungen zur Diskussion liefern. Bürger, Verbände und Politiker eines Bundeslandes können erstmals direkt ablesen, wie nachhaltig die Mobilität des eigenen Umfelds bei der Statistik und den politischen Zielen im Vergleich mit den Nachbarn ausgerichtet ist. Eine Mobilität, die im Sinne des Allianz-pro-Schiene-Indexes nachhaltig ist, erreicht im Kraftfeld des Dreiklangs von Ökonomie, Ökologie und Sozialem eine möglichst ausgewogene Lösung: Nachhaltige Verkehrspolitik setzt begrenzte Ressourcen effizient ein, nutzt verstärkt erneuerbare Energien und ermöglicht es gleichwohl weiten Teilen der Bevölkerung, an der Mobilität teilzuhaben.
Für den Bundesländerindex Mobilität hat sich die Allianz pro Schiene wissenschaftliche Begleitung gesichert: Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement an der Universität St. Gallen, hat den fertigen Index auf Herz und Nieren geprüft und auch zuvor schon seine Entstehung kritisch begleitet. "Es gehört Mut dazu, einen Bereich anzufassen, der so viele innere Widersprüche in sich birgt", sagte Stölzle bei der Vorstellung des Indexes in Berlin. Schließlich berge das Konzept der nachhaltigen Mobilität eine Fülle von Zielkonflikten: So führe ein guter Wert beim Indikator "Erreichbarkeit von Zielen mit dem Öffentlichen Verkehr" möglicherweise dazu, dass ein Land beim Indikator "Verkehrslärm" schlechter abschneide. "Weil der Bundesländerindex Statistik und politische Ziele gleichermaßen betrachtet, gelingt es, Anspruch und Wirklichkeit zu reflektieren."
Auch für den Bundesvorsitzenden des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Michael Ziesak, birgt das Länderranking viel Spannung. "Ich bin sicher, dass der Bundesländerindex der Allianz pro Schiene auf der Ebene der Bundesländer für dauerhafte Diskussionen sorgt." So versetze der Ländervergleich die Verbände in die Lage, "mit klar messbaren Anliegen in den Ministerien vorzusprechen". Ziesak, der zugleich stellvertretender Vorsitzender der Allianz pro Schiene ist, appellierte an die Verkehrsminister, sich politische Ziele für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr zu setzen. "Der Index zeigt, dass es besonders den Ländern im Mittelfeld und auf den hinteren Rängen an eigenen Vorstellungen für eine zukunftstaugliche Mobilität fehlt", sagte der VCD-Bundesvorsitzende.
Die Gesamtplatzierung eines Bundeslandes im Länderranking ergibt sich aus zwei Säulen, die zu gleichen Teilen das Ergebnis bestimmen: der "Statistik-Index nachhaltige Mobilität" wird über Indikatoren zu Bezahlbarkeit, Sicherheit, Qualität des öffentlichen Verkehrs, Flächeninanspruchnahme, Klimaschutz, Luftqualität, Lärm, Ressourcenschonung und Wertschöpfung aufgebaut. Der "Politik-Index nachhaltige Mobilität" speist sich aus einer ausführlichen Befragung aller Länderverkehrsminister und einer Umfrage unter mobilitätsrelevanten Verbänden mit einer föderalen Struktur.
Folgende Wertungen (Kurzfassung) erreichten die Länder im Bundesländerindex Mobilität 2012:
(Ein ausführliches Porträt zu jedem Land mit Daten und Fakten finden Sie unter http://www.allianz-pro-schiene.de)
Nordrhein-Westfalen (1): Mit Hybridantrieb und Ehrgeiz ganz vorn
Nordrhein-Westfalen belegt den ersten Rang in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Dabei gehört das bevölkerungsreichste Bundesland in puncto Statistik zur Spitzengruppe. Nirgendwo sonst verzichteten die Bürger aus Kostengründen so selten auf Fahrten mit Auto oder Bahn, kein Land verfügt über ein arbeitnehmerfreundlicheres Tariftreuegesetz. Hoch ist auch der Anteil an Pkw mit alternativen Antrieben. So bekam die Düsseldorfer Landesregierung durch ehrgeizige Zielsetzungen das Lob der Verbände: Note 2,5 im Fach "nachhaltige Mobilität", besser war nur Bremen.
Berlin (2): Die Hauptstadt ist top mobil, Punktabzug bei Sicherheit
Das Land Berlin belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität den zweiten Platz. Trotz des ersten Platzes beim Klimaschutz und Flächenverbrauch reicht es beim Statistik-Index insgesamt nur für den 14. Rang, etwa weil Berlin im Ländervergleich die meisten Staukilometer pro Autobahnkilometer anhäuft und sich das Sicherheitsgefühl der Berliner an Bahnhöfen und in Zügen verschlechtert hat. Die politischen Weichenstellungen gehen allerdings glasklar Richtung Nachhaltigkeit. Hier überholt der Stadtstaat den Bund und die EU. Die Verbände honorieren das mit der Note 2,8.
Baden-Württemberg (3): Musterländle mit Vision Zero
Baden-Württemberg belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität den dritten Rang. Im Teilbereich des Statistik-Indexes reicht es nur für den elften Platz. Einem "sehr gut" bei der verbesserten Erreichbarkeit von Bushaltestellen steht der letzte Rang beim Thema Ressourcenschonung gegenüber. Dafür glänzt die Landesregierung in Stuttgart mit einer Vielzahl von ehrgeizigen politischen Zielen. Bei der Verkehrssicherheit soll es nicht weniger als die "Vision Zero" sein und die Belastung durch Auspuffgase im Ländle soll bis 2020 geringer werden. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik" die Note 3,0.
Bremen (4): Primus in der Verbändewertung
Bremen liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem vierten Platz. Beim Statistik-Index nachhaltige Mobilität kommt der Stadtstaat sogar auf Platz zwei gleich hinter dem Spitzenreiter Hamburg, was Bremen der hervorragenden Qualität seines öffentlichen Personenverkehrs verdankt. Platz zwei erreicht die Stadt auch bei der Dynamik, mit der sie besser wird. Der Bremer Senat punktet mit eigenen Lärmschutzzielen und die Verbände geben der Hansestadt die Bestnote im Fach "nachhaltige Mobilität": 2,3. Besser war keiner.
Rheinland-Pfalz (5): Der Takt reißt's raus
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Rheinland-Pfalz den fünften Platz. Obwohl das Land beim Statistik-Index eher bescheiden abschneidet, sticht der zweite Platz bei der Luftqualität heraus. Die Mainzer Landesregierung punktet außerdem mit eigenen Zielen und auch der Rheinland-Pfalz-Takt bekommt Verbändelob: Note 3,0 im Fach "nachhaltige Mobilität".
Mecklenburg-Vorpommern (6): Bei Verkehrstoten gegengesteuert
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität liegt Mecklenburg-Vorpommern auf Platz sechs. Seinen guten vierten Rang im Statistik-Index verdankt das Land vor allem der Tatsache, dass die hohe Zahl der Verkehrstoten gesunken ist und die Bürger sich an ihren Bahnhöfen besonders sicher fühlen. Die Bestnote erreicht Mecklenburg-Vorpommern bei der Zahl der Staukilometer: In keinem anderen Bundesland stehen die Autofahrer pro Autobahnkilometer so wenig im Stau. Nur leichte Abzüge gibt's bei der Politik-Note: Obwohl die angekündigten Kürzungen im Schienen-Verkehr nicht auf das Wohlgefallen der Verbände stießen, reichte es immerhin noch für eine 3,0 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik".
Sachsen (7): Hier fühlt sich der Fahrgast sicher
Sachsen belegt den siebten Rang in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Fast überall beim Statistik-Index erreicht der Freistaat ein solides Mittelmaß, nur beim Sicherheitsempfinden der Bürger auf Bahnhöfen und im Öffentlichen Verkehr ist Sachsen Spitzenreiter und bei der Bezahlbarkeit von Mobilität belegt der Freistaat Platz zwei. Auch hat die Politik eigene Ziele: sie will bei der Flächeninanspruchnahme auf die Bremse treten und ihre CO2-Bilanz verbessern. Nach der Kürzung der Mittel für den Eisenbahnverkehr waren die sächsischen Verbände allerdings ungehalten: Note 4,7 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik".
Hamburg (8): Statistisch spitze, hohe Dynamik
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Hamburg den achten Platz. Während die Stadt beim Statistik-Index Spitzenreiter im Ländervergleich ist und sich auch schneller als alle anderen Bundesländer verbessert, reicht es beim Politik-Index nur für den elften Rang. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Mobilität" beispielsweise nur die Note 3,7.
Schleswig-Holstein (9): Mehr Bahn für die Menschen im Norden
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Schleswig-Holstein Rang 9. Beim Statistik-Index kommt das Land sogar auf Platz sieben: Mit wenig Verkehrslärm, einer vorzeigbaren Klimabilanz und guter Luft hat Schleswig-Holstein nur bei der Ressourcenschonung Nachholbedarf und rangiert im letzten Drittel der Länder. Bei den politischen Weichenstellungen versteckt sich das Land hinter den auf Bundesebene gesetzten Zielen, die Verbände loben aber ein ausgeweitetes Angebot auf der Schiene. Sogar ein landesweiter integraler Taktfahrplan ist in Sicht. Dafür gibt's eine überdurchschnittliche Note im Fach "nachhaltige Mobilität": 3,2.
Brandenburg (10): Wenig Verkehrslärm, grandiose Radwege
Das Land Brandenburg liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem zehnten Rang. Bei der Zahl der Verkehrstoten nimmt das Land zwischen Uckermark und Lausitz zwar einen traurigen Spitzenplatz ein, andererseits leben die Brandenburger mit wenig Verkehrslärm: Nur ein Prozent der Bürger leidet unter dieser Begleiterscheinung der Mobilität. Die Landesregierung könnte allerdings noch mehr Phantasie entwickeln, um mögliche Einschränkungen beim Eisenbahnangebot abzufedern. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Mobilität" deshalb nur die Note 4,5.
Bayern (11): Beim CO2 hält sich der Freistaat bedeckt
Bayern liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem elften Rang. Dass der Freistaat beim Statistik-Index sogar die rote Laterne aller Bundesländer trägt, liegt vor allem an mangelnder Transparenz: Einzig Bayern hält CO2-Emissionen geheim. Bei den politischen Zielen sieht es besser aus: Die Landesregierung in München punktet bei der Verkehrssicherheit und hat seit der Regionalisierung das Nahverkehrsangebot auf der Schiene deutlich erweitert. Die Verbände geben die Note 3,2.
Thüringen (12): Die Bürger fühlen sich abgeschnitten
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität liegt Thüringen auf Platz 12, während es beim Statistik-Index sogar nur für Rang 13 reicht. Viele Bürger in Thüringen verfügen über keine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und mussten aus Kostengründen häufig auf Reisen verzichten. Lichtblicke sind die gute Luftqualität (Platz eins) und die niedrige Zahl der Verletzten im Straßenverkehr (ebenfalls Platz eins). Die Verbände gaben nur die Note 4,7 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik" - im Ländervergleich eine der schlechtesten Wertungen.
Saarland (13): Vorreiter beim Bahnstrom, vorzeigbare Klimabilanz
Das Saarland belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität zwar nur den 13. Rang, hat aber viel Potenzial, um sich künftig weiter vorn zu platzieren. So leiden die Saarländer wenig unter Verkehrslärm, stehen selten im Stau und können auf eine gute Klimabilanz stolz sein. Bei den konkreten Zielen ist die Politik zwar noch etwas zögerlich, dafür können sich die Maßnahmen schon sehen lassen: Dass die Nahverkehrszüge im Land mit Ökostrom fahren, wussten die Verbände zu schätzen: Note 3,6 bei "nachhaltiger Mobilität". Da ist mehr drin.
Niedersachsen (14): Wenig Feinstaub und Stickoxyde, aber auch wenig Ziele
Das Land Niedersachsen belegt Rang 14 in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Während das Flächenland sich im Statistik-Index immerhin auf Rang neun platziert und etwa bei der Luftqualität gut abschneidet, fehlt es der Politik weitgehend an konkreten selbstgesetzten Zielen. Ein neues Bewusstsein für Radfahrer und moderne Fahrzeuge im ÖV ändern nichts am Votum der Verbände: Die geben im Fach "nachhaltige Mobilität" nur die Note 4,5. Hoffnungsstreif am Horizont: Niedersachsen kommt bei der Dynamik auf Platz 3: Nur Hamburg und Bremen verbessern sich im Ländervergleich schneller in Richtung nachhaltige Mobilität.
Sachsen-Anhalt (15): Erfreuliche Ansätze, aber Nichtteilnahme an Befragung
Sachsen-Anhalt belegt Rang 15 in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Während das Land im Statistik-Index mit Rang sechs ganz gut dasteht - nirgendwo in Deutschland belästigt der Verkehrslärm weniger Menschen - schafft Sachsen-Anhalt bei den politischen Weichenstellungen nur den 16. Platz. Als einziges von allen Bundesländern versäumte es die Regierung in Magdeburg, ihre verkehrspolitischen Ziele darzulegen. Die Verbände gaben die Note 3,8 im Fach "nachhaltige Mobilität" und lobten eine hohe Zugbegleiter-Quote sowie die kostenlose Fahrradmitnahme.
Hessen (16): Rote Laterne im Fach "nachhaltige Mobilität"
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Hessen den 16. Platz und bildet damit das Schlusslicht unter den Bundesländern. Transitverkehr und Großflughafen schlagen auf die Klimabilanz, die Politik hat beim Setzen eigener Ziele noch Nachholbedarf. Wegen gekürzter Mittel für die Schiene bei weiterem Fernstraßenausbau gaben die Verbände im Fach "nachhaltige Mobilität" die Note 4,7. Kein Land war schlechter. Kleiner Lichtblick: bei den ökonomischen Indikatoren belegt Hessen einen der vorderen Plätze im Länderranking.
Einen systematischen Bundesländervergleich, der vorhandene statistische Daten im Bereich Mobilität oder die verkehrspolitischen Weichenstellungen in allen 16 Ländern abfragt und vergleichbar aufbereitet, gibt es bislang nicht. Mit dem "Bundesländerindex Mobilität" betritt die Allianz pro Schiene daher verkehrspolitisches Neuland. Die Datensammlung soll von jetzt an jedes Jahr aktualisiert erscheinen und Anregungen zur Diskussion liefern. Bürger, Verbände und Politiker eines Bundeslandes können erstmals direkt ablesen, wie nachhaltig die Mobilität des eigenen Umfelds bei der Statistik und den politischen Zielen im Vergleich mit den Nachbarn ausgerichtet ist. Eine Mobilität, die im Sinne des Allianz-pro-Schiene-Indexes nachhaltig ist, erreicht im Kraftfeld des Dreiklangs von Ökonomie, Ökologie und Sozialem eine möglichst ausgewogene Lösung: Nachhaltige Verkehrspolitik setzt begrenzte Ressourcen effizient ein, nutzt verstärkt erneuerbare Energien und ermöglicht es gleichwohl weiten Teilen der Bevölkerung, an der Mobilität teilzuhaben.
Für den Bundesländerindex Mobilität hat sich die Allianz pro Schiene wissenschaftliche Begleitung gesichert: Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement an der Universität St. Gallen, hat den fertigen Index auf Herz und Nieren geprüft und auch zuvor schon seine Entstehung kritisch begleitet. "Es gehört Mut dazu, einen Bereich anzufassen, der so viele innere Widersprüche in sich birgt", sagte Stölzle bei der Vorstellung des Indexes in Berlin. Schließlich berge das Konzept der nachhaltigen Mobilität eine Fülle von Zielkonflikten: So führe ein guter Wert beim Indikator "Erreichbarkeit von Zielen mit dem Öffentlichen Verkehr" möglicherweise dazu, dass ein Land beim Indikator "Verkehrslärm" schlechter abschneide. "Weil der Bundesländerindex Statistik und politische Ziele gleichermaßen betrachtet, gelingt es, Anspruch und Wirklichkeit zu reflektieren."
Auch für den Bundesvorsitzenden des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Michael Ziesak, birgt das Länderranking viel Spannung. "Ich bin sicher, dass der Bundesländerindex der Allianz pro Schiene auf der Ebene der Bundesländer für dauerhafte Diskussionen sorgt." So versetze der Ländervergleich die Verbände in die Lage, "mit klar messbaren Anliegen in den Ministerien vorzusprechen". Ziesak, der zugleich stellvertretender Vorsitzender der Allianz pro Schiene ist, appellierte an die Verkehrsminister, sich politische Ziele für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr zu setzen. "Der Index zeigt, dass es besonders den Ländern im Mittelfeld und auf den hinteren Rängen an eigenen Vorstellungen für eine zukunftstaugliche Mobilität fehlt", sagte der VCD-Bundesvorsitzende.
Die Gesamtplatzierung eines Bundeslandes im Länderranking ergibt sich aus zwei Säulen, die zu gleichen Teilen das Ergebnis bestimmen: der "Statistik-Index nachhaltige Mobilität" wird über Indikatoren zu Bezahlbarkeit, Sicherheit, Qualität des öffentlichen Verkehrs, Flächeninanspruchnahme, Klimaschutz, Luftqualität, Lärm, Ressourcenschonung und Wertschöpfung aufgebaut. Der "Politik-Index nachhaltige Mobilität" speist sich aus einer ausführlichen Befragung aller Länderverkehrsminister und einer Umfrage unter mobilitätsrelevanten Verbänden mit einer föderalen Struktur.
Folgende Wertungen (Kurzfassung) erreichten die Länder im Bundesländerindex Mobilität 2012:
(Ein ausführliches Porträt zu jedem Land mit Daten und Fakten finden Sie unter http://www.allianz-pro-schiene.de)
Nordrhein-Westfalen (1): Mit Hybridantrieb und Ehrgeiz ganz vorn
Nordrhein-Westfalen belegt den ersten Rang in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Dabei gehört das bevölkerungsreichste Bundesland in puncto Statistik zur Spitzengruppe. Nirgendwo sonst verzichteten die Bürger aus Kostengründen so selten auf Fahrten mit Auto oder Bahn, kein Land verfügt über ein arbeitnehmerfreundlicheres Tariftreuegesetz. Hoch ist auch der Anteil an Pkw mit alternativen Antrieben. So bekam die Düsseldorfer Landesregierung durch ehrgeizige Zielsetzungen das Lob der Verbände: Note 2,5 im Fach "nachhaltige Mobilität", besser war nur Bremen.
Berlin (2): Die Hauptstadt ist top mobil, Punktabzug bei Sicherheit
Das Land Berlin belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität den zweiten Platz. Trotz des ersten Platzes beim Klimaschutz und Flächenverbrauch reicht es beim Statistik-Index insgesamt nur für den 14. Rang, etwa weil Berlin im Ländervergleich die meisten Staukilometer pro Autobahnkilometer anhäuft und sich das Sicherheitsgefühl der Berliner an Bahnhöfen und in Zügen verschlechtert hat. Die politischen Weichenstellungen gehen allerdings glasklar Richtung Nachhaltigkeit. Hier überholt der Stadtstaat den Bund und die EU. Die Verbände honorieren das mit der Note 2,8.
Baden-Württemberg (3): Musterländle mit Vision Zero
Baden-Württemberg belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität den dritten Rang. Im Teilbereich des Statistik-Indexes reicht es nur für den elften Platz. Einem "sehr gut" bei der verbesserten Erreichbarkeit von Bushaltestellen steht der letzte Rang beim Thema Ressourcenschonung gegenüber. Dafür glänzt die Landesregierung in Stuttgart mit einer Vielzahl von ehrgeizigen politischen Zielen. Bei der Verkehrssicherheit soll es nicht weniger als die "Vision Zero" sein und die Belastung durch Auspuffgase im Ländle soll bis 2020 geringer werden. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik" die Note 3,0.
Bremen (4): Primus in der Verbändewertung
Bremen liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem vierten Platz. Beim Statistik-Index nachhaltige Mobilität kommt der Stadtstaat sogar auf Platz zwei gleich hinter dem Spitzenreiter Hamburg, was Bremen der hervorragenden Qualität seines öffentlichen Personenverkehrs verdankt. Platz zwei erreicht die Stadt auch bei der Dynamik, mit der sie besser wird. Der Bremer Senat punktet mit eigenen Lärmschutzzielen und die Verbände geben der Hansestadt die Bestnote im Fach "nachhaltige Mobilität": 2,3. Besser war keiner.
Rheinland-Pfalz (5): Der Takt reißt's raus
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Rheinland-Pfalz den fünften Platz. Obwohl das Land beim Statistik-Index eher bescheiden abschneidet, sticht der zweite Platz bei der Luftqualität heraus. Die Mainzer Landesregierung punktet außerdem mit eigenen Zielen und auch der Rheinland-Pfalz-Takt bekommt Verbändelob: Note 3,0 im Fach "nachhaltige Mobilität".
Mecklenburg-Vorpommern (6): Bei Verkehrstoten gegengesteuert
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität liegt Mecklenburg-Vorpommern auf Platz sechs. Seinen guten vierten Rang im Statistik-Index verdankt das Land vor allem der Tatsache, dass die hohe Zahl der Verkehrstoten gesunken ist und die Bürger sich an ihren Bahnhöfen besonders sicher fühlen. Die Bestnote erreicht Mecklenburg-Vorpommern bei der Zahl der Staukilometer: In keinem anderen Bundesland stehen die Autofahrer pro Autobahnkilometer so wenig im Stau. Nur leichte Abzüge gibt's bei der Politik-Note: Obwohl die angekündigten Kürzungen im Schienen-Verkehr nicht auf das Wohlgefallen der Verbände stießen, reichte es immerhin noch für eine 3,0 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik".
Sachsen (7): Hier fühlt sich der Fahrgast sicher
Sachsen belegt den siebten Rang in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Fast überall beim Statistik-Index erreicht der Freistaat ein solides Mittelmaß, nur beim Sicherheitsempfinden der Bürger auf Bahnhöfen und im Öffentlichen Verkehr ist Sachsen Spitzenreiter und bei der Bezahlbarkeit von Mobilität belegt der Freistaat Platz zwei. Auch hat die Politik eigene Ziele: sie will bei der Flächeninanspruchnahme auf die Bremse treten und ihre CO2-Bilanz verbessern. Nach der Kürzung der Mittel für den Eisenbahnverkehr waren die sächsischen Verbände allerdings ungehalten: Note 4,7 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik".
Hamburg (8): Statistisch spitze, hohe Dynamik
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Hamburg den achten Platz. Während die Stadt beim Statistik-Index Spitzenreiter im Ländervergleich ist und sich auch schneller als alle anderen Bundesländer verbessert, reicht es beim Politik-Index nur für den elften Rang. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Mobilität" beispielsweise nur die Note 3,7.
Schleswig-Holstein (9): Mehr Bahn für die Menschen im Norden
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Schleswig-Holstein Rang 9. Beim Statistik-Index kommt das Land sogar auf Platz sieben: Mit wenig Verkehrslärm, einer vorzeigbaren Klimabilanz und guter Luft hat Schleswig-Holstein nur bei der Ressourcenschonung Nachholbedarf und rangiert im letzten Drittel der Länder. Bei den politischen Weichenstellungen versteckt sich das Land hinter den auf Bundesebene gesetzten Zielen, die Verbände loben aber ein ausgeweitetes Angebot auf der Schiene. Sogar ein landesweiter integraler Taktfahrplan ist in Sicht. Dafür gibt's eine überdurchschnittliche Note im Fach "nachhaltige Mobilität": 3,2.
Brandenburg (10): Wenig Verkehrslärm, grandiose Radwege
Das Land Brandenburg liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem zehnten Rang. Bei der Zahl der Verkehrstoten nimmt das Land zwischen Uckermark und Lausitz zwar einen traurigen Spitzenplatz ein, andererseits leben die Brandenburger mit wenig Verkehrslärm: Nur ein Prozent der Bürger leidet unter dieser Begleiterscheinung der Mobilität. Die Landesregierung könnte allerdings noch mehr Phantasie entwickeln, um mögliche Einschränkungen beim Eisenbahnangebot abzufedern. Die Verbände geben im Fach "nachhaltige Mobilität" deshalb nur die Note 4,5.
Bayern (11): Beim CO2 hält sich der Freistaat bedeckt
Bayern liegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität auf dem elften Rang. Dass der Freistaat beim Statistik-Index sogar die rote Laterne aller Bundesländer trägt, liegt vor allem an mangelnder Transparenz: Einzig Bayern hält CO2-Emissionen geheim. Bei den politischen Zielen sieht es besser aus: Die Landesregierung in München punktet bei der Verkehrssicherheit und hat seit der Regionalisierung das Nahverkehrsangebot auf der Schiene deutlich erweitert. Die Verbände geben die Note 3,2.
Thüringen (12): Die Bürger fühlen sich abgeschnitten
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität liegt Thüringen auf Platz 12, während es beim Statistik-Index sogar nur für Rang 13 reicht. Viele Bürger in Thüringen verfügen über keine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und mussten aus Kostengründen häufig auf Reisen verzichten. Lichtblicke sind die gute Luftqualität (Platz eins) und die niedrige Zahl der Verletzten im Straßenverkehr (ebenfalls Platz eins). Die Verbände gaben nur die Note 4,7 im Fach "nachhaltige Verkehrspolitik" - im Ländervergleich eine der schlechtesten Wertungen.
Saarland (13): Vorreiter beim Bahnstrom, vorzeigbare Klimabilanz
Das Saarland belegt in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität zwar nur den 13. Rang, hat aber viel Potenzial, um sich künftig weiter vorn zu platzieren. So leiden die Saarländer wenig unter Verkehrslärm, stehen selten im Stau und können auf eine gute Klimabilanz stolz sein. Bei den konkreten Zielen ist die Politik zwar noch etwas zögerlich, dafür können sich die Maßnahmen schon sehen lassen: Dass die Nahverkehrszüge im Land mit Ökostrom fahren, wussten die Verbände zu schätzen: Note 3,6 bei "nachhaltiger Mobilität". Da ist mehr drin.
Niedersachsen (14): Wenig Feinstaub und Stickoxyde, aber auch wenig Ziele
Das Land Niedersachsen belegt Rang 14 in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Während das Flächenland sich im Statistik-Index immerhin auf Rang neun platziert und etwa bei der Luftqualität gut abschneidet, fehlt es der Politik weitgehend an konkreten selbstgesetzten Zielen. Ein neues Bewusstsein für Radfahrer und moderne Fahrzeuge im ÖV ändern nichts am Votum der Verbände: Die geben im Fach "nachhaltige Mobilität" nur die Note 4,5. Hoffnungsstreif am Horizont: Niedersachsen kommt bei der Dynamik auf Platz 3: Nur Hamburg und Bremen verbessern sich im Ländervergleich schneller in Richtung nachhaltige Mobilität.
Sachsen-Anhalt (15): Erfreuliche Ansätze, aber Nichtteilnahme an Befragung
Sachsen-Anhalt belegt Rang 15 in der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität. Während das Land im Statistik-Index mit Rang sechs ganz gut dasteht - nirgendwo in Deutschland belästigt der Verkehrslärm weniger Menschen - schafft Sachsen-Anhalt bei den politischen Weichenstellungen nur den 16. Platz. Als einziges von allen Bundesländern versäumte es die Regierung in Magdeburg, ihre verkehrspolitischen Ziele darzulegen. Die Verbände gaben die Note 3,8 im Fach "nachhaltige Mobilität" und lobten eine hohe Zugbegleiter-Quote sowie die kostenlose Fahrradmitnahme.
Hessen (16): Rote Laterne im Fach "nachhaltige Mobilität"
In der Gesamtwertung des Bundesländerindexes Mobilität belegt Hessen den 16. Platz und bildet damit das Schlusslicht unter den Bundesländern. Transitverkehr und Großflughafen schlagen auf die Klimabilanz, die Politik hat beim Setzen eigener Ziele noch Nachholbedarf. Wegen gekürzter Mittel für die Schiene bei weiterem Fernstraßenausbau gaben die Verbände im Fach "nachhaltige Mobilität" die Note 4,7. Kein Land war schlechter. Kleiner Lichtblick: bei den ökonomischen Indikatoren belegt Hessen einen der vorderen Plätze im Länderranking.
Quelle: UD / pte