Politik
EKD legt Studie zu Biopatenten und Ernährungssicherung vor
Die Frage der Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren beschäftigt nach wie vor deutsche und europäische Institutionen und Unternehmen. Mitte August 2012 zog das Europäische Patentamt ein bereits erteiltes Patent auf eine bestimmte Tierzuchtmethode zurück. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) legt jetzt eine Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD zu diesem Thema vor. Sie wird heute unter dem Titel "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist. Biopatente und Ernährungssicherung aus christlicher Perspektive" als Nr. 115 in der Reihe EKD-Texte veröffentlicht.
14.09.2012
"Beim Thema Biopatente geht es um weitreichende ethisch-moralische Entscheidungen", betont der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider. Aus Sicht einer sozio-ökonomischen und ökologischen Folgeabschätzung spreche nur wenig für Biopatente bei Pflanzen und Tieren. "Bei Biopatenten geht es auch um grundsätzliche Gerechtigkeitsfragen", so der EKD-Ratsvorsitzende. "Wenn zum Beispiel Saatgut patentiert wird, droht eine Monopolisierung der Nahrungsgrundlagen." So hatten im Jahr 2009 am internationalen Saatgutmarkt zehn Unternehmen bereits einen Weltmarktanteil von 73 Prozent. Die drei führenden Saatzuchtunternehmen kontrollierten 85 Prozent der Patente auf gentechnisch veränderten Mais und 70 Prozent der sonstigen Patente auf transgene Pflanzen in den USA.
Patente als eine Form von geistigen Eigentumsrechten werden nicht nur für technische Erfindungen, sondern seit den 1980er Jahren auch auf Lebewesen und deren Bestandteile erteilt. Ein wesentliches Regelwerk für Biopatente in Europa stellt die "Europäische Biopatentrichtlinie" von 1998 dar, die klare Grundlagen für die Patentierung von Lebewesen festschreiben soll. "Mehr als zehn Jahre Erfahrung mit der Europäischen Biopatentrichtlinie zeigen jedoch," so Nikolaus Schneider, "dass befürchtete Auswirkungen der Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere eingetreten sind: Es werden auch Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt, die nicht gentechnisch verändert wurden. Die Vielfalt an Saatgut und Tierrassen nimmt ab. Landwirtschaftliche Forschung und Zucht werden behindert. Traditionelles Wissen wird durch Biopiraterie privatisiert. Die Ernährungssicherheit für Menschen wird nicht gefördert, sondern noch stärker gefährdet und eingeschränkt."
Aufgrund dieser Erfahrungen der vergangenen Jahre habe sich die EKD herausgefordert gese-hen, sich vertieft mit Biopatenten auseinander zu setzen. In christlicher Perspektive ist Gott der Schöpfer allen Lebens. Im alttestamentlichen Erfahrungskontext hat dies der Psalmist so be-kannt: "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen" (Psalm 24,1). Auf dieser Grundlage entfaltet die Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, die den Text erarbeitet hat, vor allem die Gesichtspunkte der Schöpfungsgerechtigkeit, des Rechtes auf Nahrung und des Schutzes traditionellen Wissens:
- Menschen haben ihren Umgang mit der Schöpfung vor Gott zu verantworten. Ihnen sind die Gaben der Schöpfung - Gene, lebende Materie bis hin zu den Lebewesen - gleichermaßen geschenkt, um davon zu leben. "Da durch Biopatente eine exklusive Verfügung über pflanzliches und tierisches Leben stattfindet und infolgedessen Artenvielfalt und Ernährungssicherung deutlich eingeschränkt werden, ergeben sich für die Kirche grundlegende kritische Anfragen an die Erteilung von Biopatenten. Zu fragen ist, wie Biopatente mit dem Schöpfungsauftrag zu vereinbaren sind, die Gaben der Schöpfung so zu bewahren und zu nutzen, dass sie allen zu Gute kommen. Aus christlicher Sicht wäre daher folgende Einstellung zu Biopatenten angemessener: nämlich der freiwillige und dankbare Verzicht auf die Patentierung biotechnischer Erfindungen und die Frei-Gabe von Innovationen im Bereich der Biologie als Gemeinbesitz."
- Wo die Einführung von Biopatenten zu Monopolisierungstendenzen auf dem Saatgutmarkt beitragen, lokale Sorten verdrängt werden und Bauernfamilien in ihrer Region möglicherweise den Zugang zu nichtpatentiertem Saatgut verlieren und sich die Kosten für patentiertes Saatgut nicht leisten können, kann dies Auswirkungen auf die Ernährung und damit auf die Wahrnehmung des Menschenrechtes auf Nahrung haben.
- Aus einer gerechtigkeitsethischen Perspektive heben Biopatente den Schutz traditionellen Wissens auf und stellen das Verständnis von biologischer Vielfalt als globales Gemeingut in Frage. "Wer genetische Ressourcen und traditionelles Wissen indigener Völker nutzt und sich eine darauf beruhende Erfindung ohne deren vorherige informierte Zustimmung patentieren lässt, missachtet ihr Recht, über ihr Wissen und ihre Ressourcen zu verfügen. Um dieses Menschenrecht angemessen juristisch einfordern zu können, ist die Einrichtung eines Mechanismus erforderlich, der indigenen Völkern eine Klagemöglichkeit gegen Biopatente eröffnet."
Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Gesichtspunkte empfiehlt die Studie in ihrem Schlusskapitel: Um die derzeitigen negativen Auswirkungen des Patentwesens möglichst stark zu minimieren und die Erteilung von Biopatenten nur unter Einhaltung strengster Kriterien zu ermöglichen, sollten juristische und institutionelle Reformen im Patentwesen ins Auge gefasst werden. Dies könnte zu einem gerechteren Vorteilsausgleich zwischen Patentanmelder und Gesellschaft beitragen. Noch besser als solche Reformen wäre es jedoch, statt der Biopatentierung das klassische Sortenschutzrecht anzuwenden. Es sieht Privilegien für Landwirte, Züchter und Forscher vor, die dazu beitragen sollen, dass Innovationen im Bereich der Pflanzenzucht sowie der Zugang zu Saatgut nicht übermäßig behindert werden. "Das klassische Sortenschutzrecht weist im Vergleich zum Patentrecht ein höheres Potenzial auf, den Interessen von Kleinbauern, der ländlichen Entwicklung und dem Erhalt der Agrobiodiversität zu dienen. Hierdurch wird der Schutz traditionellen Wissens gewährleistet und die Sicherung der Ernährung verbessert."
Patente als eine Form von geistigen Eigentumsrechten werden nicht nur für technische Erfindungen, sondern seit den 1980er Jahren auch auf Lebewesen und deren Bestandteile erteilt. Ein wesentliches Regelwerk für Biopatente in Europa stellt die "Europäische Biopatentrichtlinie" von 1998 dar, die klare Grundlagen für die Patentierung von Lebewesen festschreiben soll. "Mehr als zehn Jahre Erfahrung mit der Europäischen Biopatentrichtlinie zeigen jedoch," so Nikolaus Schneider, "dass befürchtete Auswirkungen der Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere eingetreten sind: Es werden auch Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt, die nicht gentechnisch verändert wurden. Die Vielfalt an Saatgut und Tierrassen nimmt ab. Landwirtschaftliche Forschung und Zucht werden behindert. Traditionelles Wissen wird durch Biopiraterie privatisiert. Die Ernährungssicherheit für Menschen wird nicht gefördert, sondern noch stärker gefährdet und eingeschränkt."
Aufgrund dieser Erfahrungen der vergangenen Jahre habe sich die EKD herausgefordert gese-hen, sich vertieft mit Biopatenten auseinander zu setzen. In christlicher Perspektive ist Gott der Schöpfer allen Lebens. Im alttestamentlichen Erfahrungskontext hat dies der Psalmist so be-kannt: "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen" (Psalm 24,1). Auf dieser Grundlage entfaltet die Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, die den Text erarbeitet hat, vor allem die Gesichtspunkte der Schöpfungsgerechtigkeit, des Rechtes auf Nahrung und des Schutzes traditionellen Wissens:
- Menschen haben ihren Umgang mit der Schöpfung vor Gott zu verantworten. Ihnen sind die Gaben der Schöpfung - Gene, lebende Materie bis hin zu den Lebewesen - gleichermaßen geschenkt, um davon zu leben. "Da durch Biopatente eine exklusive Verfügung über pflanzliches und tierisches Leben stattfindet und infolgedessen Artenvielfalt und Ernährungssicherung deutlich eingeschränkt werden, ergeben sich für die Kirche grundlegende kritische Anfragen an die Erteilung von Biopatenten. Zu fragen ist, wie Biopatente mit dem Schöpfungsauftrag zu vereinbaren sind, die Gaben der Schöpfung so zu bewahren und zu nutzen, dass sie allen zu Gute kommen. Aus christlicher Sicht wäre daher folgende Einstellung zu Biopatenten angemessener: nämlich der freiwillige und dankbare Verzicht auf die Patentierung biotechnischer Erfindungen und die Frei-Gabe von Innovationen im Bereich der Biologie als Gemeinbesitz."
- Wo die Einführung von Biopatenten zu Monopolisierungstendenzen auf dem Saatgutmarkt beitragen, lokale Sorten verdrängt werden und Bauernfamilien in ihrer Region möglicherweise den Zugang zu nichtpatentiertem Saatgut verlieren und sich die Kosten für patentiertes Saatgut nicht leisten können, kann dies Auswirkungen auf die Ernährung und damit auf die Wahrnehmung des Menschenrechtes auf Nahrung haben.
- Aus einer gerechtigkeitsethischen Perspektive heben Biopatente den Schutz traditionellen Wissens auf und stellen das Verständnis von biologischer Vielfalt als globales Gemeingut in Frage. "Wer genetische Ressourcen und traditionelles Wissen indigener Völker nutzt und sich eine darauf beruhende Erfindung ohne deren vorherige informierte Zustimmung patentieren lässt, missachtet ihr Recht, über ihr Wissen und ihre Ressourcen zu verfügen. Um dieses Menschenrecht angemessen juristisch einfordern zu können, ist die Einrichtung eines Mechanismus erforderlich, der indigenen Völkern eine Klagemöglichkeit gegen Biopatente eröffnet."
Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Gesichtspunkte empfiehlt die Studie in ihrem Schlusskapitel: Um die derzeitigen negativen Auswirkungen des Patentwesens möglichst stark zu minimieren und die Erteilung von Biopatenten nur unter Einhaltung strengster Kriterien zu ermöglichen, sollten juristische und institutionelle Reformen im Patentwesen ins Auge gefasst werden. Dies könnte zu einem gerechteren Vorteilsausgleich zwischen Patentanmelder und Gesellschaft beitragen. Noch besser als solche Reformen wäre es jedoch, statt der Biopatentierung das klassische Sortenschutzrecht anzuwenden. Es sieht Privilegien für Landwirte, Züchter und Forscher vor, die dazu beitragen sollen, dass Innovationen im Bereich der Pflanzenzucht sowie der Zugang zu Saatgut nicht übermäßig behindert werden. "Das klassische Sortenschutzrecht weist im Vergleich zum Patentrecht ein höheres Potenzial auf, den Interessen von Kleinbauern, der ländlichen Entwicklung und dem Erhalt der Agrobiodiversität zu dienen. Hierdurch wird der Schutz traditionellen Wissens gewährleistet und die Sicherung der Ernährung verbessert."
Quelle: UD / na