Warum tun wir das eigentlich?
The business of business is business. Der berühmte Satz von Milton Friedmann geht heute so nicht mehr durch. Zu groß sind die Erwartungen der Anspruchsgruppen. Unternehmen müssen mit der Außenwelt kommunizieren und interagieren. Aber wie verändert sich das in Zeiten von Krisen und Rechtsruck? Wir sprechen darüber mit Peter Kromminga, Geschäftsführer vom UPJ Netzwerk für Unternehmensverantwortung und gesellschaftliches Engagement.
10.09.2024
UmweltDialog: UPJ ist vor allem für die seine Corporate-Citizenship-Projekte und Unternehmenspartnerschaften bekannt. Bekommen Sie die aktuellen Multi-Krisen zu spüren?
Peter Kromminga: Unsere Wurzeln liegen im Bereich Corporate Citizenship und dem Engagement von Unternehmen im Gemeinwesen. Das Thema Partnerschaften oder – wie wir es am Anfang genannt haben – Soziale Kooperation, also Kooperation mit dem Ziel, gesellschaftlich wirksam zu werden, ist weiterhin ein Kern dessen, wofür wir stehen. Aber UPJ hat sich wie auch das ganze Thema weiterentwickelt. So gehören heute im Unternehmensnetzwerk von UPJ und in unseren Programmen auch Wertschöpfungsthemen dazu wie etwa nachhaltige Lieferketten oder auch Klima und Umwelt. Aber auch da sind Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft, mit NGOs und Politik und Verwaltung das Mittel der Wahl, um tatsächlich positiv wirksam zu werden.
Ich glaube, dass hier nicht nur die Multikrisen, wie Sie das nennen, sehr starken Einfluss auf das Verhalten der Unternehmen haben, sondern auch der regulatorische Rahmen, der dazu beiträgt, dass zurzeit ein starker Fokus auf Compliance liegt und sehr viele Ressourcen in den Unternehmen hier gebunden werden. Und dabei gerät manchmal aus dem Blickfeld, was man als Unternehmen mit verantwortlicher Wertschöpfung und dem Engagement im Gemeinwesen bewirken kann. Als erstes fällt dann oft das gesellschaftliche Engagement hinten runter, weil es keine große Rolle in der Regulatorik und den entsprechenden Standards spielt.
Was zurzeit aber den größten Einfluss auf das Engagement von Unternehmen in der Gesellschaft hat, ist der schwindende gesellschaftliche Zusammenhalt. Ob Populismus, Rassismus, Tendenzen zum Ausschluss von Menschen – das sind noch mehr als die anderen Krisen oder Kriege ein Faktor, weshalb Unternehmen zunehmend beginnen, sich einzumischen und sich zu positionieren.
Laut einer Studie der Zeno-Gruppe sagen 75 Prozent der Führungskräfte der C-Suite, dass ihr Unternehmen keine formalen Prozesse etabliert hat, um die Reaktionen von Stakeholdern auf ihr soziales Engagement zu messen und zu bewerten. Nur 35 Prozent verfügen über einen etablierten Rahmen, um die Auswirkungen des Engagements ihres Unternehmens zu sozialen Themen zu bewerten. Was läuft da schief in den Chefetagen?
Kromminga: Da muss man grob unterscheiden zwischen kapitalmarktorientierten und inhabergeführten Unternehmen. Manchmal kann man schon den Eindruck bekommen, dass am Ende des Tages bei allem Wohlwollen der Shareholder Value immer noch die Maxime ist, nach der sich kapitalmarktorientierte Unternehmen verhalten, auch wenn sich das unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Stakeholder langsam verändert. Bei familiengeführten Unternehmen sieht das anders aus, weil da viel stärker eine Haltung zum Ausdruck kommt und sie sich aktiver gesellschaftlich einmischen.
Inwieweit hat der Rechtsruck in der Politik auch Auswirkungen auf die regulatorischen Anforderungen? Wird der Green Deal und die ganze Buchstabensuppe von CSRD, CSDDD etc. jetzt wieder rückabgewickelt?
Wenn wir uns die geopolitische Landschaft anschauen, sei es das Verhältnis zu China, zu Russland sowieso oder wenn ein Trump wiederkommt, dann wird es für die Politik tatsächlich immer herausfordernder, einen Weg für eine smarte Regulierung zu finden.
Kromminga: Wenn man weltweit schaut, erleben wir eine sehr schwierige Situation für Themen wie Nachhaltigkeit, nachhaltige Unternehmensführung und nachhaltige Entwicklung. Smarte Gesetzgebung, die einen Beitrag zum Guten hin bewirkt, wird möglicherweise zurückgefahren. Bestimmte Interessengruppen wie etwa die großen Wirtschaftsverbände orchestrieren das dann mit der Bürokratiekeule. Das ist aber gar nicht so sehr das Thema der einzelnen Unternehmen, die, wie in unserem Netzwerk, den regulatorischen Initiativen eher positiv gegenüber stehen. Aber wenn wir auf einzelne Politikerinnen und Politiker und Parteien schauen, dann wird da Schritt für Schritt versucht, regulatorische Anforderungen zurückzufahren.
Wenn wir uns die geopolitische Landschaft anschauen, sei es das Verhältnis zu China, zu Russland sowieso oder wenn ein Trump wiederkommt, dann wird es für die Politik tatsächlich immer herausfordernder, einen Weg für eine smarte Regulierung zu finden. Und auch für international tätige Unternehmen wird es in dieser Situation zunehmend schwieriger werden, richtig zu navigieren.
„Do no harm“ forderte vor 20 Jahren der UN Global Compact. Das reicht heute längst nicht mehr. Unternehmen und Unternehmerinnen und Unternehmer sollen heute einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Den bewertet aber jeder anders. Wie kann ein Kompass zur Orientierung aussehen?
Kromminga: Als Norddeutscher gefällt mir das Bild vom Kompass sehr. Ein Kollege aus einem Ministerium hat auf einer unserer Veranstaltungen zu nachhaltigen Lieferketten gefragt: „Warum machen wir das eigentlich alles ?“ Die Antwort ist einfach: Zum Wohle von Mensch und Umwelt. Warum fragen wir uns nur, was von uns erwartet wird, ohne selbst diesen Kompass zu haben? Was können wir Gutes bewirken für Mensch und Umwelt in unseren internationalen Wertschöpfungsketten? Wir sollten diese Fragen immer im Hinterkopf haben und uns im Alltag stellen – das ist, glaube ich, der Kompass.
Der wirtschaftliche Erfolg ist nicht der einzige Maßstab, sondern es geht darum, wie wir wirtschaften, um Mensch und Umwelt zu dienen. Das sollten Manager und Managerinnen, Inhaberinnen und Inhaber, Eigentümer immer auf dem Schirm haben. Warum tun wir das eigentlich? Welchen Sinn verfolgen wir damit?
Ein tolles Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch!