Neue Strategie für Klimaschutz und UN-Nachhaltigkeitsziele
Eine Welt, die den Klimawandel bekämpft und gleichzeitig große Fortschritte zur Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) macht, ist möglich – so das Ergebnis einer neuen Studie. Forschende des PIK und des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik haben eine integrierte Strategie entwickelt, die ehrgeizigen Klimaschutz mit gezielten Maßnahmen für Entwicklung, Zugang zu Nahrung und Energie, globale und nationale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit verbindet.
09.08.2021
Sie wirft ein neues Licht auf Engpässe, aber auch auf Synergien, um die Erreichung von Klima- und nachhaltigen Entwicklungszielen zu ermöglichen.
Klimapolitik ist sehr wichtig, aber sie allein wird nicht ausreichen, um die Transformation hin zu einer nachhaltigen Welt mit einem guten Leben für alle Menschen zu erreichen - einer Vision, zu der sich die Politik mit der Verabschiedung des Pariser Abkommens und der UN-Nachhaltigkeitsziele im Jahr 2015 verpflichtet hat. Kein einziges der 17 SDGs wird bis 2030 erreicht werden, wenn die Welt so weitermacht wie bisher. Und das war schon vor der COVID-19-Pandemie der Fall“, sagt Björn Soergel, Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Erstautor der Studie, die in Nature Climate Change veröffentlicht wurde. „Aber die gute Nachricht ist: Wir haben die Möglichkeit, dies zu ändern.“
Maßnahmen für ein menschenwürdiges Leben innerhalb ökologischer Grenzen
In der neuen Studie stellen die Forschenden einen nachhaltigen Entwicklungspfad vor – eine gezielte Strategie, die die Menschen vor dem Klimawandel schützt und gleichzeitig große Fortschritte in Richtung der SDGs macht. Dazu untersuchten sie verschiedene Handlungsfelder wie Ernährung, Energie oder globale und nationale Gerechtigkeit und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsziele. Die in der Studie verwendeten Modelle decken erstmals die UN-Nachhaltigkeitsagenda in ihrer gesamten Breite ab. Diese reicht von der Beseitigung von Armut und Hunger bis hin zu Klimaschutz und anderen Umweltzielen. Viele der Ziele stehen miteinander in Wechselwirkung und können daher nicht isoliert betrachtet werden.
Neben ambitionierter Klimapolitik zur Erfüllung des Pariser Abkommens umfasst der Nachhaltigkeitspfad auch zusätzliche Maßnahmen wie gesunde Ernährung, internationale Klimafinanzierung und eine Rückverteilung der Einnahmen aus dem CO2-Preis zur Bekämpfung von Armut. „Dies sind einige der Hebel, um bis 2030 wirkliche Fortschritte bei den SDGs zu erzielen und diesen Weg bis 2050 fortzusetzen. Sie ermöglichen es uns, einen menschenwürdigen Lebensstandard für alle Menschen zu erreichen und zugleich die ökologischen Grenzen unseres Planeten nicht zu überschreiten“, so Soergel.
Gesund ernähren und gleichzeitig gesunde Ökosysteme schützen
Reine Klimaschutzpolitik könnte möglicherweise die Lebensmittelpreise weltweit erhöhen – unter anderem wegen der erhöhten Nachfrage nach Bioenergie. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Klimaschutz mit weiteren gezielten Maßnahmen und einer Änderung des Lebensstils kombiniert wird. „Eine Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten hin zu weniger tierischem Eiweiß, wie in der von einer Expertenkommission empfohlenen ‚Planetary Health‘-Ernährung, hat weitreichende positive Effekte“, erklärt PIK-Wissenschaftlerin und Ko-Autorin Isabelle Weindl. „Die ‚Planetary Health‘-Ernährung ist ernährungsphysiologisch ausgewogen, reduziert vor allem die Menge an tierischen Lebensmitteln und ist damit deutlich gesünder als die durchschnittliche Ernährung in Industrieländern. Außerdem würde die Nahrungsmittelproduktion viel weniger Landfläche, Wasser und Dünger benötigen sowie weniger Treibhausgase erzeugen als bei einer Ernährung mit einem hohen Anteil an Fleisch oder Milchprodukten. Eine Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten trägt also entscheidend zum Schutz des Klimas und unserer Ökosysteme bei.“
Wie Klimapolitik den Ärmsten der Welt zugutekommen kann
In ähnlicher Weise würde ein weniger energieintensiver Lebensstil in Industrieländern den Anstieg des Energieverbrauchs ausgleichen, der für einen angemessenen Lebensstandard und den Aufbau von Infrastruktur in Entwicklungsländern erforderlich ist. Ein weiteres Handlungsfeld umfasst globale Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung in Form von internationaler Klimafinanzierung und einer Umverteilung der Einnahmen aus den CO2-Preisen: „Wir haben festgestellt, dass Klimapolitik auch die Armut im Globalen Süden reduzieren kann. Die Bepreisung von Treibhausgasemissionen und die Verwendung eines Teils der Einnahmen aus den Industrieländern zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklungspolitik in einkommensschwachen Ländern kommt sowohl dem Planeten als auch den Menschen zugute“, erklärt Soergel.
„Anstatt den Klimawandel als isoliertes Problem zu betrachten, müssen wir Klimaschutz mit einer breiten Nachhaltigkeitsstrategie verbinden; dies erfordert eine Reihe von Politikmaßnahmen. Die Bepreisung von Treibhausgasen ist dabei ein wichtiger Eckpfeiler; weitere wichtige Handlungsfelder umfassen zum Beispiel Umverteilungsmaßnahmen, die Förderung gesunder und nachhaltiger Ernährung sowie die Reduzierung unseres Energiebedarfs“, erklärt Elmar Kriegler, Ko-Autor der Studie. „Unsere Analyse stellt einen möglichen Weg in eine nachhaltige Zukunft vor und zeigt, wie menschliches Wohlergehen mit dem Schutz unseres Planeten in Einklang gebracht werden kann. Es liegt an Politik und Gesellschaft, diese Vision in konkrete Maßnahmen umzusetzen.“
Artikel: Björn Soergel, Elmar Kriegler, Isabelle Weindl, Sebastian Rauner, Alois Dirnaichner, Constantin Ruhe, Matthias Hofmann, Nico Bauer, Christoph Bertram, Benjamin Leon Bodirsky, Marian Leimbach, Julia Leininger, Antoine Levesque, Gunnar Luderer, Michaja Pehl, Christopher Wingens, Lavinia Baumstark, Felicitas Beier, Jan Philipp Dietrich, Florian Humpenöder, Patrick von Jeetze, David Klein, Johannes Koch, Robert Pietzcker, Jessica Strefler, Hermann Lotze-Campen, Alexander Popp (2021): A sustainable development pathway for climate action within the UN 2030 Agenda. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-021-01098-3
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