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Der Kampf der Ureinwohner – ein persönlicher Einblick des Pajé Pawana

Sie spielen eine der wohl bedeutendsten Rollen im Schutz der Erde, denn ihre bewohnten Gebiete bewahren 80 Prozent der Biodiversität unseres Planeten und das obwohl sie nur circa fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die indigenen Völker kämpfen nicht nur für die Erhaltung der Natur – unser aller Lebensraum – sondern zunehmend auch ums eigene Überleben, die Selbstbestimmung, das Recht auf eigenes Land oder das Fortführen ihrer Kultur und Jahrtausende alter Traditionen.

03.01.2023

Der Kampf der Ureinwohner – ein persönlicher Einblick des Pajé Pawana
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Von Michelle „Jaciara“ Alb

Obwohl die Gesetzgebung weltweit jedem Menschen die gleichen Rechte zuspricht, werden im realen Leben leider die der indigenen Bevölkerung wie beispielsweise das Recht auf Leben oder das Recht auf Freiheit von Diskriminierung oft einfach untergraben oder mutwillig verletzt. Zum einen weil die schriftlichen Formen der Gesetze bis heute eher unverbindlich gehalten wurden und zum anderen weil die Einhaltung und Kontrolle dessen meist allein in den Händen des jeweiligen Staates liegt.

Einer der letzten Ureinwohner, der mit Kraft und Ehre seine Wurzeln verteidigt, ist Pawana. Er lebt mit seinem Stamm „Kariri-Xocó“ im Bundesstaat Alagoas im Nordosten Brasiliens. Seiner Mission folgend, leitet er seine Gemeinschaft an und lehrt ein größeres Verständnis für ihre traditionelle Lebensweise und für unsere Mutter Erde (genannt „Pachamama“). Rund um den Globus, praktiziert Pawana traditionelle Rituale, um die Kraft seiner Vorfahren in Erinnerung zu rufen. Auf Veranstaltungen aller Art führt er zusammen mit seiner Gruppe „Grupo Sabuka“ uralte Stammeslieder und -tänze für ein breites Publikum auf.

Vor ein paar Jahren öffnete er mit Liebe und Herz die Türen für den kulturellen Austausch zwischen seiner Gemeinschaft und den Menschen der westlichen Welt. Juma Vitali (im Stamm genannt Wruãna) begann die Arbeit mit dem Stamm im Jahr 2018. Zusammen mit ihrem Partner Bakatym widmet sie ihr Leben heute der Arbeit, das vom Stamm erhaltene Wissen und deren uralten Weisheiten in die Welt zu tragen. Sie unterstützen, wo es auch geht, die Ureinwohner Brasiliens in ihrem täglichen Kampf zum Erhalt ihrer Kultur. Um dies möglich zu machen und vor allem den Lebensunterhalt der indigenen Gemeinde innerhalb des bestehenden Regieriengssystems zu sichern, entstand der „Cabocla“ Stamm. Mit dieser Vereinigung entstannt auch ein neues Kulturzentrum für die Kariri-Xocós das „Centro Culturo Sabuká Xocó Peretó Kanghi Teroá“. Diesen Ort nutzen sie heute zum Beispiel, um traditionell gefertigtes Kunsthandwerk zu verkaufen. Außerdem werden Reisen für Leute aus aller Welt angeboten, sodass auch für Außenstehende des Tribes die Möglichkeit besteht, an den heiligen Ritualen teilzunehmen.

Mit folgendem Interview geben uns Wruãna und Pawana einen ganz persönlichen Einblick in die alltäglichen Herausforderungen des Kariri-Xocó Stammes:

Pajè Juma Wruãna: Wie ist die Situation, die Sie, Pawana, in Bezug auf Politik und Wirtschaft im Dorf Kariri Xocó erleben?

Der Kampf der Ureinwohner – ein persönlicher Einblick des Pajé Pawana

Pajè Pawana: In der Sprache der Eingeborenen beginnt der mit Federn geschmückte Pawana mit einem Dank an die Kräfte der Vorfahren, die uns heute hier zusammengeführt haben. 

Kariri Xocó ist ein Volk von 1020 Familien, die auf 800 Hektar leben. Unser Fluss, unser Land, von dem wir spirituell abhängen und das uns immer Nahrung und Wasser gegeben hat, wurde uns seit mehr als fünfzig Jahren geraubt und uns der Zugang zum Fluss „Opara“, der nur dreißig Meter von mir entfernt ist, verwehrt. Wir wurden nicht geschaffen, um in steinernen Städten zu leben. Wir können nicht mit einer Kultur überleben, die nicht die unsere ist. Wenn wir noch leben, dann wegen unserer spirituellen Verbindung zur Natur. Die Erfahrungen, die wir persönlich als Kariri Xocó mit der Regierung Lula und der Regierung Bolsonaro gemacht haben, sind sowohl positiv als auch negativ. Sagen wir es gab die Qualität und die Mängel. Der Verdienst von Lula war es, dem brasilianischen Volk Gleichheit zu bringen. Wir reisten oft, um unser Land zu verkaufen und wir haben gemerkt, wie sehr er unseren weißen Brüdern geholfen hat, sich für den Wert der Gleichheit zu öffnen. Und er hat uns auch beim Überleben geholfen. In Bezug auf die Frage der territorialen Neuverteilung war er dagegen nicht sehr erfolgreich.

Mit Bolsonaro war die Erfahrung tausendmal schlimmer. Die Ungleichheit kehrte zurück. Er erklärte vor der ganzen Welt, dass er uns Indigenen keinen Millimeter Land zurückgeben würde und dass eine indigene Person mit jedem brasilianischen Bürger vergleichbar sei. Aber das zu sagen ist zutiefst falsch, dass eine indigene Person nur ein weiteres Salzkorn sei. Es ist unmöglich, uns zu zwingen, eine andere Kultur als die unsere zu leben. Ich kann nicht weiß sein. Ich kann nicht in einer Stadt leben. Ich bin Kariri Xocó, ich kann in meinem Wald leben, auf meinem Land, meinem Fluss, ich pflanze, ich weiß, was ich pflanze. Ich weiß nicht, wie ich in diesem kolonisierenden kapitalistischen System leben soll, das mir aufgezwungen wird, sowie jedem Einheimischen hier in Brasilien. 

Pajè Juma Wruãna: Was ist die Botschaft für die Jugend, die in einer zunehmend virtuellen Realität lebt? 

Pajè Pawana: Ich sehe das sehr negativ, denn egal ob man weiß, schwarz oder indigen ist, man kämpft darum, der Technologie zu entkommen. Aber niemand von uns sollte zulassen, dass diese Technologie die reale Welt ersetzt. Unsere wirkliche Welt ist die Natur. Lassen Sie niemals zu, dass die Welt der Technik die Welt der Spiritualität, die Welt der Natur, dominiert. Diese Welt der Technologie wurde geschaffen, um die Spiritualität zu beherrschen. Und der Mensch lässt dies zu. Deshalb leiden wir alle. Wenn also keiner von uns versteht, wie man in diesem modernen Kontext zwischen Impulsen und Begrenzungen unterscheiden kann, leidet jeder von uns. Wir Einheimischen sind traurig um euch, die Menschen werden schwächer, kränker, zerbrechlich im Geist, das ist nicht gut. Und wir sind mit all dem nicht einverstanden, wir sind traurig, dies in der Gesellschaft zu sehen. Unser ständiges Bestreben ist es, die Mitglieder unseres Volkes und die gesamte Menschheit an die Kultur der Natur und der Spiritualität heranzuführen, die die wahre Welt ist.

Der Kampf der Ureinwohner – ein persönlicher Einblick des Pajé Pawanazoom

Pajè Juma Wruãna: Pawana, wie siehst du den kulturellen Austausch, der 2018 mit unseren europäischen Leuten vom Cabocla-Stamm und dem Sabuka-Zentrum begonnen hat, den du jetzt im Dorf hast, um uns Ausländer aufzunehmen? 

Pajè Pawana: Wir mit euch fühlen uns „zusammengerechnet“. Wir und ihr. Die Leute denken, dass wir Indigenen eine Minderheit sind, aber das ist nicht wahr. Dies ist der Beweis dafür. Wir sind in der ganzen Welt und die ganze Welt ist in uns. Wir vervollständigen uns. Wenn du hierher kommst, fühlst du, dass eine unerklärliche Leere, die vorher in dir war, gefüllt ist. Wir geben dir Reichtum. Was ist Reichtum? Natur, Liebe, Freude, Fürsorge, traditionelle spirituelle Praktiken. Jeder Europäer, der mit neuen Ideen nach Hause kommt, kehrt nicht mehr gleich in den Steinwald zurück.

Du, Wruãna „wirfst immer einen Pfeil“, damit wir eine ‚Patamà‘ (eine Lösung) des Glücks, des Wohlstands und der Entwicklung erreichen können, die wir uns wünschen. Das Sabuka-Zentrum ist ein Stützpunkt kultureller Nahrung für die ganze Menschheit, aus Italien, aus Deutschland, aus Slowenien. Ihr habt sie bereits hergebracht, unser Wunsch ist es, mehr und mehr zu wachsen. Wir wollen ein Vorbild für die ganze Welt sein. 

Pajè Juma Wruãna: Wie ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der indigenen Realität?

Pajè Pawana: Bei uns Kariri Xocó gibt es keine Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Die Frau hat die gleichen Freiheiten wie der Mann. Sie ist nicht stärker als der Mann und auch nicht umgekehrt. Wir folgen dem Mond und der Sonne, die wissen, was ihre Aufgabe sind.

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Pajè Juma Wruãna: Was braucht das Sabuka-Zentrum jetzt, um die „Aldeia“ (das Dorf) in dieser kritischen wirtschaftlichen Situation zu unterstützen? Da die Regierung den Frauen in letzter Zeit die Nahrungsmittelhilfe verweigert hat, ist die Situation sehr schwierig. 

Pajè Pawana: Ja, weißt du, Wruãna, hier erlauben sie uns nicht zu fischen oder zu jagen. Also müssen wir Geld verdienen. Das ist nicht unsere Mentalität. Wir haben mit der Landwirtschaft begonnen, aber es ist ein langsamer Prozess. Wir verpflichten uns, in die Nachbarstädte zu reisen, um unser Kunsthandwerk zu verkaufen und in Schulen und Zentren, die uns einladen, Kurse über die Kultur von Kariri Xocó zu geben. Aber wir brauchen dringend einen Lieferwagen, der 30.000 Reais kostet. Wie du vorgeschlagen hast, haben wir ein PayPal für unserem Verband erstellt. 

Pajè Juma Wruãna: In den letzten Jahrzehnten sind viele Gemeinschaften entstanden, viele Ökodörfer, von denen viele nicht überlebten. Ihr seid eine tausendjährige Gemeinschaft, was ist das Geheimnis?

Pajè Pawana: Zuallererst braucht man einen Anführer, der viel Kraft hat, um sein Volk zu leiten. Denn es gibt keine Führung ohne ein Volk und es gibt kein Volk ohne Führung. Man muss lernen, in diesem Gleichgewicht zusammen zu leben. Man muss in diesem Gleichgewicht zusammen gehen. Und das Geheimnis von all dem liegt in der Spiritualität. Wenn eine Gemeinschaft geboren wird und nicht glaubt, nicht lebt, nicht den totalen Glauben an ihre Spiritualität hat und nur in der materiellen Realität leben will, wird sie keine Liebe, Freude, Frieden und Wohlstand haben. Das Geheimnis liegt also in der Spiritualität. Es geht nur darum. Zu suchen, zu leben, zu glauben, zu lieben und zu bewahren. Das ganze Geheimnis liegt in der spirituellen „Basis“. Die Spiritualität hat Wasser, Erde, Luft, Feuer und Pflanzen erschaffen. Auch die modernen Gebäude, das sollten wir nicht vergessen, sind in der Spiritualität gebaut. Hier haben sie unsere zerstört, wir haben nur noch uns selbst, aber ich sage euch eines: Solange es nur eine Ameise, nur ein einzelnes Blatt gibt, werden die Kariri Xocò existieren, niemand kann unser Wesen, unser Blut, unsere Seele zerstören. „Inatekiè“ Danke.

Wenn Sie die Kariri-Xocós in ihrem Kampf unterstützen wollen, sind Spenden herzlich willkommen! 

IBAN: BR63 0000 0000 0011 7000 1013 106C1
BIC/SWIFT: BRASBRRJ
Banco do Brasil
Name: Centro de Cultura Sabuka Kariri Xocó oder
paypal: acc.sabuka.kx@gmail.com

Besuchen Sie die Caboclas auf ihrer Website oder den Social Media Profilen und erfahren Sie mehr.

Auf dem offiziellen YouTube Kanal finden Sie Videos und Lieder der Ureinwohner und des Cabocla Stammes. Folgen Sie Ihnen!

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Quelle: UD
 

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