Fast zwei Drittel der Menschen im Jemen von Hunger bedroht
Sieben Jahre nach Kriegsbeginn wird die Situation der Menschen im Jemen immer dramatischer. Nicht nur die Zahl der Todesopfer durch Luftangriffe oder Landminen steigt immer weiter an, auch die Hungerkrise verschärft sich – nicht zuletzt wegen der Ukraine-Krise. Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam fordert verstärke Anstrengungen für einen dauerhaften Frieden und eine ausreichende Finanzierung der humanitären Hilfe.
30.03.2022
- 17,4 Millionen Menschen im Jemen hungern bereits jetzt. Prognosen zufolge wird diese Zahl bis Ende des Jahres auf 19 Millionen ansteigen. Dies würde 62 Prozent der Bevölkerung entsprechen – also nahezu zwei Drittel.
- Im Vergleich zu 2015, dem ersten Jahr des Krieges, sind heute 4,8 Millionen mehr Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.
- Seit Beginn der Aufzeichnungen durch die Vereinten Nationen im Jahr 2017 wurden über 14.500 zivile Todesopfer registriert.
- 24.000 Luftangriffe haben während des Konflikts 40 Prozent aller Wohnungen in den Städten beschädigt.
- Über vier Millionen Menschen waren in den vergangenen sieben Jahren gezwungen, vor der Gewalt zu fliehen.
- Das diesjährige Hilfsprogramm ist derzeit zu 70 Prozent unterfinanziert, so dass nur 15 Cent pro Tag und Hilfsbedürftigem zur Verfügung stehen.
„Nach sieben Jahren Krieg sehnen sich die Menschen im Jemen verzweifelt nach Frieden – stattdessen sehen sie sich mit noch mehr Tod und Zerstörung konfrontiert", so Oxfams Landesdirektor im Jemen, Ferran Puig. „Gewalt und Hunger nehmen wieder zu, und Millionen Menschen können sich nicht mit dem Nötigsten versorgen."
Die Ukraine-Krise hat die Situation noch verschärft und die Sorge um die Versorgung mit Getreide und Speiseöl verstärkt. Der Jemen importiert 42 Prozent seines Getreides aus der Ukraine. Nach Recherchen von Oxfam sind die Preise bereits gestiegen. In Sana'a ist Brot in der Woche, in der die Kämpfe ausbrachen, um 35 Prozent teurer geworden.
Der Krieg im Jemen hat auch eine Treibstoffkrise verursacht. Die Preise sind seit 2019 um 543 Prozent gestiegen und haben sich allein in den letzten drei Monaten verdreifacht. Die Warteschlangen an den Tankstellen sind so lang, dass es drei Tage dauern kann, bis man an der Reihe ist. Und der Anstieg der Treibstoffpreise hat einen Dominoeffekt: Er erhöht die Preise für lebenswichtige Güter wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente.
„Die Menschen können es sich nicht leisten, Wasser für die Bewässerung ihrer Felder zu pumpen", so Landesdirektor Puig. „Und in abgelegenen Gebieten, in denen die Menschen auf mit Lastwagen angeliefertes Trinkwasser angewiesen sind, können sie sich die gestiegenen Preise nicht leisten, so dass sie Wasser verwenden müssen, das womöglich verunreinigt ist. Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen sind in einigen Gebieten von Stromausfällen von zehn bis zwölf Stunden pro Tag betroffen."
Die Landwirt:innen können es sich nicht leisten, ihre Erzeugnisse zu den Märkten zu transportieren, wodurch die Preise für Frischwaren noch weiter steigen. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land könnten bald gezwungen sein, lebensrettende Geräte abzuschalten, weil es an Treibstoff mangelt.
In den letzten sieben Jahren gab es über 24.600 Luftangriffe im Jemen. In den vergangenen Monaten hat die Verschiebung der Frontlinie zu einem Anstieg der Todesfälle und Verletzungen durch Landminen in der Gegend rund um Marib geführt, wo die sich zurückziehenden Streitkräfte Minen legen, um ihre Gegner aufzuhalten. Häufig sind Zivilist:innen Opfer, die verminte Straßen benutzen oder dort Feuerholz sammeln.
„Der Jemen braucht dringend einen dauerhaften Frieden, damit die Menschen ihr Leben und ihre Existenzgrundlage wieder aufbauen können", so Oxfam-Landesdirektor Puig. „Ohne Frieden wird sich der Kreislauf des Elends fortsetzen und vertiefen. Bis dahin ist eine angemessene Finanzierung der humanitären Hilfe von entscheidender Bedeutung".