Somalia: Jedes zweite Kind leidet an Unterernährung
Fast die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren im Baidoa District in der Bay-Region in Südwestsomalia leidet an chronischer Unterernährung, was ihr körperliches und geistiges Wachstum einschränkt, stellt Save the Children fest.
24.01.2022
Die neuesten Zahlen zeigen, wie gravierend sich die langanhaltende und zunehmende Dürre in Somalia auswirkt und wie die Fähigkeit der Familien schwindet, ihre Kinder ausreichend zu ernähren. Save the Children rechnet damit, dass sich die lebensbedrohliche Dürre in den kommenden Monaten weiter verschlimmern wird.
Die Daten, die den Ernährungszustand einer Zufallsstichprobe von etwa 860 Kindern im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren im Baidoa District zwischen Oktober und November 2021 bewerteten, zeigten einen Anstieg der Raten chronischer Unterernährung von 30 Prozent im Jahr 2019 auf 48 Prozent im Jahr 2021.
Chronische Unterernährung, die zu Wachstumsverzögerungen führt, wird durch schlechte Ernährung, wiederholte Infektionen und einen Mangel an psychosozialer Stimulation in den ersten Lebensjahren eines Kindes verursacht. Sie ist mit irreversiblen Langzeitfolgen für Kinder verbunden, auch die geistige Entwicklung wird beeinträchtigt.
Die verheerende Dürre betrifft bereits mehr als 90 Prozent des Landes, wobei der Süden und die Mitte Somalias am stärksten betroffen sind. Die Dürre hat Viehbestände und landwirtschaftliche Betriebe vernichtet, Wasserlöcher ausgetrocknet und zu Massenhunger und Vertreibung geführt.
„Unser Hof wurde zerstört und alle unsere Ernten sind ausgefallen“, erzählt Ayaan (42), die vor kurzem ihren Hof in einem Dorf im Baidoa District aufgeben musste und mit ihren acht Kindern in einem Vertriebenenlager Zuflucht gesucht hat. „Früher haben wir unseren Hof mit Regenwasser bewässert, aber im April hat es nicht geregnet und alle Brunnen sind versiegt. Wir hatten kein Wasser, um unsere Pflanzen zu bewässern, und deshalb konnten wir unser Land nicht bewirtschaften. Nachdem unsere Ernte ausgefallen war, beschlossen wir, nach Baidoa zu ziehen.“ Im Lager ist bei Ayaans dreijährigen Baby Mohammed Unterernährung festgestellt worden.
„Ich bin Arzt und habe schon viele Krankheiten gesehen, aber die Auswirkungen dieser langanhaltenden Dürre auf die zerbrechlichen Körper und Seelen kleiner Kinder sind erschreckend“, sagt Dr. Binyam Gebru, stellvertretender Landesdirektor für Programmentwicklung und -qualität bei Save the Children in Somalia. „Wir sehen Fünfjährige, die so groß sind wie Zweijährige, und Kinder, die den ganzen Tag schlafen, weil sie nicht die Kraft haben, aufzustehen und zu laufen. Es ist besonders schockierend, die Verwirrung unter den Viehhaltern zu sehen. Sie gehören zu den widerstandsfähigsten Menschen der Welt und sind es gewohnt, in Dürrezeiten bis zu 200 Kilometer weit zu laufen, um Weideland für ihre Tiere zu finden. Jetzt folgen sie den ausgetretenen Pfaden zu Brunnen und Wasserlöchern, nur um die verschrumpelten Kadaver von Tieren in den ausgetrockneten Flussbetten zu finden. Wir befürchten, dass sich die schrecklichen Zustände von 2016/17 wiederholen werden, die zu langanhaltendem Elend für Kinder geführt haben, wenn jetzt keine Mittel freigegeben werden.“
Mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar werden dringend benötigt, um gefährdete Kinder und ihre Familien in ganz Somalia zu schützen und ihnen die Verpflegung, Gesundheitsversorgung und Bildung zu geben, die sie brauchen, um diese Krise zu überstehen.
Save the Children fordert die somalische Regierung auf, der humanitären Hilfe Priorität einzuräumen und dafür zu sorgen, dass die derzeitigen politischen Blockaden zwischen der Regierung und den Mitgliedsstaaten nicht dazu führen, dass humanitäre Hilfe Kinder und ihre Familien nicht erreichen kann.
Save the Children in Somalia
Save the Children ist seit über 60 Jahren in Somalia tätig und unterstützt die betroffenen Gemeinden in Somalia bei der Bewältigung der unmittelbaren humanitären Auswirkungen der Dürre. Wir stellen dringend benötigte Wasservorräte bereit, behandeln unterernährte Kinder, unterstützen die Bildungssysteme, damit Kinder, die durch die Dürre vertrieben wurden, nicht den Unterricht verpassen, betreiben Gesundheitseinrichtungen und stellen Bargeld und Unterstützung für den Lebensunterhalt für die am meisten gefährdeten Menschen bereit.
Save the Children Deutschland beteiligt sich mit einer Förderung des Auswärtigen Amtes bei humanitären Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, WASH (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) und Kinderschutz sowie Geldtransfers für bedürftige Familien mit Kindern in Somalia. Mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes konnte die NGO aufgrund der aktuellen Dürre auf insgesamt 14.550.000 Euro erhöhen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert im Rahmen der Übergangshilfe über die Zusammenarbeit mit Save the Children mit einem Betrag von rund 21.000.000 Euro Projekte in Somalia und verfolgt unter anderem das Ziel binnenvertriebene Jugendliche in Baidoa, Garowe und Mogadischu dabei zu unterstützen, verbesserte Einkommensmöglichkeiten und soziale Teilhabe zu erlangen.