Verteilungsgerechtigkeit

Deutsches Steuersystem entlastet Reiche spürbar

Das deutsche Steuersystem versagt in Sachen gerechter Umverteilung zusehends, wie ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nachgewiesen hat. Das heißt: Bei Geringverdienern in Deutschland fällt die prozentuale Gesamtbelastung durch Steuern insgesamt ähnlich aus wie beim obersten Fünftel. Die Umverteilungsleistung des deutschen Steuersystems hat seit Ende der 1990er-Jahre somit spürbar abgenommen.

09.01.2017

Deutsches Steuersystem entlastet Reiche spürbar

Den Berechnungen zufolge sind die Einkommens- und Unternehmensteuern zwar stark progressiv: Geringverdiener müssen aufgrund von Freibeträgen nichts zahlen, in der Mitte der Verteilung beträgt die Belastung nur rund fünf Prozent, beim obersten Zehntel steigt sie auf 25 Prozent und beim Top-Prozent auf 35 Prozent. Deshalb und wegen der großen Einkommensunterschiede kommt die ärmere Hälfte der Haushalte für knapp vier Prozent der Einnahmen aus der Einkommensteuer auf, während auf das reichste Zehntel 59 Prozent, auf das reichste Hundertstel 26 Prozent entfallen.

Umgekehrt verhält es sich bei den indirekten Steuern, die knapp die Hälfte des gesamten Aufkommens ausmachen und zu denen beispielsweise die Mehrwert-, die KFZ- oder die Tabaksteuer gehören. Das ärmste Zehntel wendet hierfür im Schnitt 23 Prozent seines Bruttoeinkommens auf, das reichste Zehntel nur knapp sieben Prozent. Obwohl sie nicht einmal drei Prozent des Gesamteinkommens erzielen, zahlen die Ärmsten über fünf Prozent der indirekten Steuern. Die Spitzenverdiener kommen auf ein Drittel des Einkommens, aber nur auf ein Fünftel der Verbrauchsteuern.

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Mittelschicht gleich belastet

Wenn man direkte und indirekte Steuern summiert, fällt die Progressionswirkung des Steuersystems insgesamt deutlich geringer aus, zeigen die Wissenschaftler. In den unteren Etagen der Einkommenspyramide ist die Wirkung wegen der großen Bedeutung der Verbrauchsteuern sogar regressiv: Die Gesamtbelastung sinkt von 23 Prozent beim ärmsten Zehntel bis auf unter 18 Prozent in der Mitte der Verteilung. Erst ab dem obersten Fünftel übersteigt sie wieder 23 Prozent. Beim reichsten Zehntel sind es 31 Prozent.

Wenn zusätzlich Sozialbeiträge einbezogen werden, die zwar als Versicherungsbeiträge zu sehen sind, aber auch zum Ausgleich von Einkommensunterschieden und zur Finanzierung von Leistungen ohne Versicherungscharakter verwendet werden, sieht es anders aus. Insofern hätten sie teils den Charakter von Steuern. Wenn man vereinfachend die Hälfte der Sozialbeiträge den Steuern zurechnet, erhöht sich die relative Belastung der Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen stark. Topverdiener profitieren dagegen von den Beitragsbemessungsgrenzen. Die Konsequenz der Ökonomen daraus: Die Gesamtbelastung fällt bei der Mittelschicht nicht viel niedriger aus als bei den sehr Wohlhabenden.

Laut ihrer Analyse sind Besserverdiener durch Reformen der Einkommensteuer deutlich entlastet worden. Von den Anhebungen der Mehrwertsteuer und der Energiesteuern waren dagegen die weniger betuchten Haushalte überproportional betroffen. Unter dem Strich beläuft sich die Mehrbelastung des ärmsten Zehntels bei den Steuern zwischen 1998 und 2015 auf 5,4 Prozent des Bruttoeinkommens, die Entlastung des reichsten Zehntels auf 2,3 Prozent. Das reichste Hundertstel ist sogar um 4,8 Prozent entlastet worden. Die Umverteilungswirkung des Steuersystems habe also spürbar abgenommen, so das Fazit der Studienautoren.

Quelle: UD/pte
 

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