Jugendliche stellen Chancengleichheit im Bildungssystem infrage
Jugendliche zweifeln weiterhin an der Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Stifterverbandes, der SOS-Kinderdörfer weltweit und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Vorfeld des Tages der Bildung.
11.12.2018
Der Aktionstag am 8. Dezember richtete damit seine Aufmerksamkeit in diesem Jahr auf das vierte UN-Nachhaltigkeitsziel, im Rahmen dessen die Vereinten Nationen inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und das lebenslange Lernen für alle fördern möchten.
Rund die Hälfte der befragten 14- bis 21-Jährigen glauben nicht an Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem (47 Prozent). Die Umfragewerte haben sich in den letzten Jahren jedoch positiv entwickelt. So sahen 2016 insgesamt 52 Prozent keine gleichen Bildungschancen. Vor drei Jahren zweifelten sogar noch 55 Prozent an der Chancengleichheit in Deutschland.
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Bildungschancen sind für die Jugendlichen die Qualität der Schule und Lehrer (91 Prozent), die eigene Motivation (90 Prozent) und die Zuwendung und Unterstützung der Eltern (88 Prozent). Dass der kulturelle Hintergrund der Erziehungsberechtigten einen großen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder hat, glauben immerhin 49 Prozent. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2016. "Es ist bedenklich, dass nach Meinung der jungen Menschen der kulturelle Hintergrund der Eltern wieder einen größeren Einfluss hat. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gemeinsam mit unseren Partnern weiterhin für Chancengleichheit einsetzen", sagt Prof. Dr. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes.
Gut ausgebildete Lehrkräfte für hochwertige Bildung
Damit eine hochwertige Bildung in Deutschland erreicht werden kann, sind laut den Befragten speziell für den Beruf ausgebildete Lehrkräfte besonders wichtig (94 Prozent). Auch die Vermittlung von Problemlösungskompetenzen (94 Prozent), sozialen Kompetenzen (93 Prozent) und die umfangreiche Unterstützung und Zuwendung beim Lernen durch die Lehrkräfte (91 Prozent) sind relevant. Dagegen finden mehr als die Hälfte der Jugendlichen, dass mit digitalen Medien wie Smartboards oder Tablets ausgestattete Klassenräume unwichtig für eine hochwertige Bildung sind (55 Prozent). "Die Antwort der Jugendlichen zeigt: Die politischen Diskussionen um die technische Ausstattung von Klassenzimmern greift viel zu kurz. Was nützt den Schülern ein Tablet, wenn digitales Lernen immer noch nicht selbstverständlicher, fächerübergreifender Teil ihres Unterrichts ist? Dafür braucht es mutige Bildungskonzepte und gut ausgebildete Lehrkräfte", sagt Dr. Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.
Bildungssystem schlecht auf Schüler mit Beeinträchtigungen vorbereitet
Deutschland hat sich im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele außerdem dazu verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen, in dem Schüler mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam unterrichtet werden. Dass die Schulen gut auf Kinder mit geistiger Behinderung vorbereitet sind, glauben jedoch weniger als ein Viertel der Befragten (22 Prozent). Kritisch wird auch der gemeinsame Unterricht mit Schülern gesehen, die unter Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsproblemen leiden (33 Prozent) oder über mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (33 Prozent). Häufiger glauben die 14- bis 21-Jährigen an die Inklusion von Kindern aus sozial schwacher Herkunft (59 Prozent), Schülern mit einer Lernschwäche (59 Prozent) oder jungen Menschen mit einer körperlichen Behinderung (55 Prozent).
Lebenslanges Lernen wird wichtiger
Die große Mehrheit der Befragten ist darüber hinaus der Ansicht, dass das lebenslange Lernen wichtiger werden wird (71 Prozent). Die wichtigsten Kenntnisse und Fähigkeiten für die persönliche berufliche Zukunft sind dabei Selbstorganisation (97 Prozent), Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen (96 Prozent), Kenntnisse der deutschen Sprache (93 Prozent) und von Fremdsprachen (87 Prozent). Auslandserfahrungen (47 Prozent) oder Kenntnisse in Kunst, Musik und Literatur (30 Prozent) sind für die jungen Erwachsenen dagegen weniger relevant.
Dass sich Deutschland auch weltweit dafür einsetzt, dass Bildungssysteme inklusiv, chancengerecht und hochwertig werden, hält die große Mehrheit für wichtig (83 Prozent). Dr. Wilfried Vyslozil, Vorstandsvorsitzender der SOS-Kinderdörfer weltweit: "Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland geben einen wichtigen Auftrag an uns. Die Bildungschancen müssen weltweit verbessert werden, vor allem dort, wo bittere Armut herrscht und Bildung eher marginal stattfindet. Mit guter Bildung wird der Generationenfluch der Armut gebrochen und eine nachhaltige Verbesserung erreicht."