Das 50-Liter-Haus
Duschen, kochen, waschen und vor allem Toilettenspülungen. Über 160 Liter Wasser verbraucht jeder von uns im Haushalt – jeden Tag. Zu viel, findet Procter & Gamble. Das Unternehmen steht deshalb mit an der Spitze eines Programms, das sich einen 50-Liter Wasserverbrauch je Haushalt zum Ziel gesetzt hat.
23.01.2020
Duschen? Maximal eine Minute. Klospülung? Ein Mal am Tag. Kochen, putzen, trinken, Wasser für Haustiere, Blumen gießen? Maximal acht Liter. Anfang 2018 stand die südafrikanische Metropole Kapstadt kurz vor „Day Zero“ – dem Tag, an dem kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt. Schon vorher hatte die Stadtverwaltung strenge Auflagen für die Wassernutzung erlassen und die Wasserausgabe auf gerade einmal 50 Liter pro Person beschränkt. In allen Haushalt wurden Wasserzähler installiert, die wöchentlich abgelesen werden. Bei Verstößen drohen 10.000 Rand Strafe. Das sind umgerechnet rund 700 Euro.
Seitdem hat sich die Wassersituation am Kap zwar etwas entspannt, aber die latente Gefahr bleibt bestehen. Christine Colvin, Wasserbeauftragte des WWF Südafrika, warnte in der Tagesschau: „Wir müssen uns vor Augen halten, dass Dürren Teil unseres neuen Alltags sind. Die Gefahr bleibt, und wir müssen uns auf das nächste Mal vorbereiten.“
Genau an dieser Stelle setzt ein innovatives Projekt des Konsumgüterherstellers Procter & Gamble an: Das weltweite Programm „50L Home“ zielt darauf ab, den städtischen Wasserverbrauch im urbanen Leben mit einer einfachen Frage neu zu erfinden: „Was wäre, wenn unsere zukünftigen Häuser mit 50 Litern Wasser pro Tag und Person betrieben werden könnten, sich aber dennoch „wie 500 Liter anfühlen“ würden?“ So wie Kapstadt droht nämlich vielen Metropolen rund um den Globus in Zukunft ein „Day Zero“-Szenario. 14 der 20 größten Städte der Welt erleben bereits Wasserknappheit.
Wir sprachen über die Projektidee und was das alles beinhaltet mit Frantz Beznik, R&D Director und Head of Sustainable Innovation bei P&G. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Forschung und Entwicklung von P&G ist Beznik ein unermüdlicher Streiter für Nachhaltigkeitsfragen in verschiedenen Kategorien und P&G-Milliarden- Dollar-Marken (Ariel/Tide, Mr Clean/Meister Proper etc.). So hat er unter anderem die Themen Cold- Washing und Einzeldosierung durch „Ariel-Pods“ ins Leben gerufen.
Beznik sagt von sich selbst, seine Leidenschaft sei es, „Innovationsgrenzen auf Make Sustainable Irresistible anzuheben“. Dafür hat er neue Ansätze entwickelt, um Ideen und Innovationen zu inspirieren, die „für den Verbraucher im Kern wirklich unwiderstehlich sind und somit zu unwiderstehlichen Angeboten für das Unternehmen führen“. Der Weg dahin sei es, zunächst die wichtigen Zukunftsfragen zu stellen und daraufhin Ziele für P&G in Richtung eines verantwortungsbewussten Konsums bis 2030 zu definieren.
UmweltDialog (UD): 50 Liter pro Person und Haushalt, das bedeutet derzeit erhebliche Einschränkungen. Wie wollen Sie uns darauf vorbereiten?
Frantz Beznik: Das „50l-Home“-Projekt ist eine Inspiration und eine Ambition zugleich. Derzeit gibt es keine Science-based targets für Wasser, an denen wir uns orientieren können. Aber 50 Liter Wasserverbrauch pro Person war die Vorgabe in Kapstadt. Wir haben deshalb diesen Wert als Grundlage genommen und uns gefragt: Was bedeutet es für Privathaushalte, wenn wir diesen Wert langfristig als normal voraussetzen? Es gibt heute innerhalb der Fachwelt und insbesondere den Wasserversorgungsgesellschaften einen Konsens, dass der Verbrauchswert unter 100 Litern Wasser pro Person und Tag liegen kann und sollte. Das Ziel ist, den Verbrauch auf durchschnittlich 80 Liter bis 2040 zu senken. Für die Zeit danach müssen wir die 50 Liter anpeilen. Das sind zwar keine wissenschaftlichen Ziele, aber es sind ambitionierte Ziele. Und das ist gut so, denn es bewirkt, dass Innovation und Ideen freigesetzt werden, um aus der Vision Realität zu machen. Diese Idee greift weit über die Handlungsfelder von P&G hinaus. Deshalb streben wir übergreifend öffentlich-private Partnerschaften an, um neue, mutige Lösungen zu entwickeln, die ein Leben mit 50 Liter Wasser am Tag als Standard von morgen wirklich attraktiv machen.
UD: Der Zusammenhang zwischen Wasser und Klimawandel ist offensichtlich und wird auch immer stärker von Investoren eingeplant. Das zeigt auch die Ausrichtung des Carbon Disclosure Projects (CDP). Sind das für Sie die Treiber des Umdenkens?
Beznik: Wasser ist das neue Gold. Natürlich sind Kapitalmärkte wichtige Treiber. Andere sind zivilgesellschaftliche Akteure. Dabei fällt auf, dass nicht immer alle Bereiche ausgeleuchtet werden. Einigen Nichtregierungsorganisationen geht es vor allem um die Bewahrung der Wasserreservoirs. Sie haben einen ökologischen Blick auf das Thema. Andere wiederum beschäftigen sich mit dem Zugang zu Wasser, etwa im ländlichen Raum und in Entwicklungszonen. Hier stehen soziale Fragen im Mittelpunkt.
Wir ergänzen das mit dem Blick auf die Privathaushalte. Neben der Landwirtschaft ist das nämlich das größte Verbrauchssegment. Immer mehr Menschen ziehen außerdem in die Städte, und deshalb werden Fragen zum Wasserverbrauch in Privathaushalten in immer mehr Städten existenziell.
UD: Vielerorts kommt dann oft noch die schlechte Infrastruktur dazu. Viel zu viel Wasser geht auf dem Transportweg verloren. Müssen da nicht erst mal die Kommunen ihre Hausaufgaben machen, bevor wir unser persönliches Dusch- und Waschverhalten ändern?
Beznik: Das ist absolut richtig, und deshalb sprechen wir hier auch von einem notwendigen Systemwechsel. Es reicht absolut nicht aus, wenn wir als P&G neue Produkte entwickeln, die soundso viel weniger Wasser verbrauchen. Das ist zwar sehr wichtig, aber wir müssen auch die Häuser und Wohnungen selbst mit einbeziehen. Wir müssen die Wasserleitungen und das ganze Leitungssystem im Haus verbessern. Deshalb schauen wir beim 50l-Home Projekt auf das gesamte Bild und nicht nur einzelne Aspekte.
UD: Wie funktioniert das 50l Home Projekt ganz konkret?
Beznik: Wir beschäftigen uns mit der Optimierung der Wasserkreisläufe und Wasserverbräuche vor allem bei Neubauten, aber auch bei Bestandsimmobilien. Wir gehen dabei der Frage nach, wie wir das Thema Bauen neu denken und angehen müssen. Ein Haus bauen bedeutet nämlich viel mehr als nur die äußere Hülle errichten.
Es gibt bereits enorme Fortschritte bei der Errichtung sogenannter Null-Emissions- Häuser und sogar beim Aspekt der Null-Emissions-Produktion der Baubestandteile. Das ist alles die Hülle, wenn Sie so wollen. Aber was passiert danach? Dann werden oft völlig dumme und überholte Technologien in diese Häuser eingebaut. Ich denke da an Hausgeräte, Boiler et cetera. Das alles verursacht Konsum-basierte Emissionen und die emittieren dann anschließend das Vielfache an CO2, das vorher beim Bau mühsam eingespart wurde. Diese Fehler müssen wir vermeiden. Wir müssen das Thema ganzheitlich betrachten.
Bei Wasser etwa geht es um geschlossene Wasserkreisläufe, kurze Wasserwege im Haus sowie um eine effizientere und auch mehrfache Nutzung von Wasser. Nehmen wir das Beispiel Duschen: Nur die ersten Minuten fällt wirklich schmutziges Abwasser an. Das meiste Wasser ist kaum verunreinigt. Für Toilettenspülungen reicht es vollkommen aus. Dafür müssen wir kein Trinkwasser vergeuden. Wir müssen die zu- und abgehenden Leitungen im Haus so verlegen, dass Duschwasser für Sanitäreinrichtungen gesammelt und genutzt werden kann.
Wie gehen Sie dabei vor?
Beznik: Wir bemühen uns sehr aktiv darum, Unternehmen, Entscheidungsträger, Influencer und Communities zusammenzubringen und bilden dabei die gesamte Kette beim Wasserverbrauch ab. Unser Ziel ist es, einen niedrigeren Wasserverbrauch zuhause in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Darüber hinaus entwickeln wir gemeinsam konkrete Pilotprojekte, um das Leben mit 50 Litern Wasser am Tag in Städten überzeugend zu demonstrieren. Wir werden das am Beispiel von städtischen Wohnungen, Hochhäusern und sogar einem gesamten Stadtviertel an verschiedenen Orten weltweit testen. Auf diese Weise werden wir lernen, wie man die Grundidee global skaliert.
Häuser bauen oder Leitungen verlegen ist nun nicht das Geschäft von Procter & Gamble. Warum beschäftigt Sie das Thema?
Beznik: Die meisten unserer Produkte sind mit der Nutzung von Wasser im Haushalt verknüpft. Die Frage, wie viel Wasser zur Verfügung steht, ist daher elementar. Unter dem Stichwort Cold Washing beschäftigen wir uns bereits länger mit den Facetten. Beispiel Ariel PODs für Waschmaschinen: Mit Ariel und Tide können Verbraucher zu Hause viel Energie sparen, indem sie den Temperaturregler bei jeder Wäsche nach unten drehen und so bis zu 50 Prozent weniger Energie als bei der Warmwäsche verbrauchen. Bis zur Fertigstellung jedes Produkts waren Jahre der Innovation und die Zusammenarbeit mit Partnern nötig. Jedes Produkt wird durch fortlaufende Kampagnen in den Geschäften unterstützt, damit die Käufer den Nachhaltigkeitswert von Kaltwaschgängen bei gleichzeitig hoher Leistung kennenlernen. Der Anteil der Kaltwaschgänge ist seit 2010 von 38 auf 56 Prozent angestiegen. Wir möchten, dass bis 2020 70 Prozent aller Waschladungen mit kaltem Wasser gewaschen werden.
Anfang des Jahres haben wir außerdem ein Trockenshampoo und verwandte Produkte auf den Markt gebracht. Die Kollektion umfasst ein ultraleichtes wasserloses Schaumshampoo, ein wasserloses Trockenshampoo-Spray, wasserlose Trockenspülungen und alkoholfreie wasserlose Haar-Erfrischer. Die Haarpflegekollektion wird zunächst in Kapstadt eingeführt. Darüber hinaus planen wir flüssigkeitsfreie Reinigungsprodukte für den Haushalt. Die innovative Idee dabei ist, Wasser aus dem Endprodukt zu entfernen. Das spart außerdem 80 Prozent des Gewichts und gleichzeitig 70 Prozent des Platzbedarfs.