Taugt Nachhaltigkeit als „Blue Ocean Strategy“?
"Das Geschäftsleben ist ein Haifischbecken. Es gibt Haie und es gibt Haifischfutter“, lautet eine Redensart. Welches Unternehmen sehnt sich da nicht nach ruhigeren Gewässern? Nachhaltigkeit kann hier ein Kompass sein, allerdings müssen Unternehmen dafür nicht nur das eigene Haus, sondern vor allem ihre Lieferketten einbinden.
04.07.2019
Es ist für eine Firma nicht leicht, sich am Markt zu behaupten. In Zeiten der Globalisierung und digitalen Disruption erst recht nicht. Vor diesem Hintergrund entstand um die Jahrtausendwende an der renommierten französischen INSEAD Business School das Konzept der „Blue Ocean Strategy“.
Laut Theorie sind diese „Blauen Ozeane“ (Blue Oceans) geprägt von unberührten Märkten mit wenig oder am besten gar keinem Wettbewerb. „Rote Ozeane“ (Red Oceans) hingegen bezeichnen gesättigte Märkte, charakterisiert durch harte Konkurrenz, überfüllt mit Mitbewerbern, welche alle den gleichen Service oder die gleichen Produkte anbieten“, schreibt Wikipedia.
Doch wie gelangt man als Unternehmen an diese Sehnsuchtsorte mit tiefblauen, konkurrenzarmen Gewässern? Und ist Nachhaltigkeit dabei ein nützliches Merkmal? Die Antwort lautet: Ja. Die Blue-Ocean-Strategie setzt auf Innovation („Value Innovation“). Nachhaltigkeit wiederum kann diesem Ansatz Value Creation hinzufügen. Gut gemacht, lässt sich beides treffend kombinieren und Nachhaltigkeit kann als Marktvorteil genutzt werden. Beispiel The Body Shop: Die Kosmetikindustrie definierte sich lange Zeit über Glamour, Stars und schönen Schein. Annita Roddick brach 1976 radikal mit der Branche und setzte als erste auf natürliche Produkte mit unaufgeregter Verpackung. Mit Erfolg: The Body Shop tummelte sich für Jahrzehnte in einem Blue Ocean-Wettbewerbsumfeld.
Kai Michael Beckmann ist Director of Sustainability bei der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Mazars und ist sich sicher: „Mit der richtigen Strategie können Unternehmen nicht nur die Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen, sondern auch Marktvorteile erzielen. Schließlich ermöglicht die intensive Analyse der eigenen Wertschöpfungskette auch einen ständigen Austausch mit wichtigen Stakeholdern. Das bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Wer mit Kunden oder Lieferanten regelmäßig in Kontakt steht, erhält auch früh Einblicke in Trends und Entwicklungen, die sich in der eigenen Branche abzeichnen. Ein nicht zu unterschätzender Punkt, der sich in dieser Intensität ohne Nachhaltigkeitsstrategie nicht umsetzen lässt.“
Die eigene Wertschöpfungskette gründlich durchleuchten
Neben der richtigen Strategie braucht es aber auch richtige Prozesse und hier vor allem ein fundiertes Verständnis für die eigenen Lieferketten. Denn nur, wer die rechtlichen Bedingungen kennt, kann Risikofaktoren in den eigenen Geschäftsprozessen identifizieren. Kai Beckmann von Mazars empfiehlt daher, dass Verantwortliche sich in diesem Zusammenhang unter anderem fragen sollten:
- In welchen Bereichen seines Geschäfts trägt unser Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung?
- Berührt unser Unternehmen innerhalb von Liefer- oder Dienstleistungsketten beispielsweise das Thema Menschenrechte?
Beckmann: „Für die Antworten auf diese Fragen muss die eigene Wertschöpfungskette grundlegend durchleuchtet werden. Um die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie voranzutreiben, müssen die identifizierten Risiken anschließend priorisiert werden. Innerhalb dieser Auswahl gilt es dann, den Bereich mit dem höchsten Gefahrenpotenzial festzulegen.“
So können sie Unternehmen Schritt für Schritt einen Weg in „blauere Gewässer“ erarbeiten. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Richtung stimmt, sondern auch, dass die Personalressourcen den Unternehmensrealitäten angepasst werden. Das schrittweise Vorgehen ermöglicht es, die Unternehmenskapazitäten zielgerichtet einzusetzen – sowohl finanziell und zeitlich als auch planerisch. Zusätzlich müssen für die Strategie klare Verantwortlichkeiten festgelegt und kommuniziert werden. So sollten etwa die Verantwortlichen für Corporate Social Responsibility möglichst frühzeitig in die strategische Planung eingebunden und mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden. „Nur eine solche strategische Herangehensweise kann mittelfristig zu positiven und ökonomisch verantwortbaren Resultaten führen“, so Beckmann. „Denn ohne Strategie kostet Nachhaltigkeit in erster Linie Geld und bringt, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Nutzen.“