CSR-Management

Szenarien für Lebensmittelsektor in 2035

Viele gesellschaftliche und technologische Trends beeinflussen unser Ernährungssystem – aber wie könnte der europäische Lebensmittelsektor im Jahr 2035 aussehen und welche Rolle wird Nachhaltigkeit spielen? Um diese Fragen zu beantworten, stellt eine neue Studie im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts FOX drei Szenarien mit alternativen Entwicklungen für den Lebensmittelsektor vor.

19.10.2020

 
 

Die Zukunft des europäischen Lebensmittelsektors hängt von vielen Faktoren wie zum Beispiel Lebensmittelpolitik und -regulierung, internationalem Handel, Rohstoffen, Landwirtschaft, Konsumgewohnheiten und vielen mehr ab. Eine genaue Vorhersage, wie der europäische Lebensmittelsektor im Jahr 2035 aussehen wird, ist unmöglich - aber Szenarien helfen, alternative Entwicklungspfade strukturiert zu betrachten, machen die Zukunft greifbar und ermöglichen es den in der Branche aktiven Akteurinnen und Akteuren zukunftsorientiert zu handeln. Alternative Szenarien beleuchten verschiedene Handlungsoptionen und unterstützen die Entscheidungsfindung.

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Wie entstehen Zukunftsszenarien?

Aber wie entstehen detaillierte, konsistente und pointierte Zukunftsszenarien? In einem ersten Schritt führten Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer ISI eine Trendanalyse durch, um auf der Grundlage bestehender Zukunftsstudien die wichtigsten Einflussfaktoren für den Lebensmittelsektor zu identifizieren. Daraus entwickelten sie Zukunftsannahmen für Rohszenarien, die von Expertinnen und Experten in- und außerhalb des FOX-Konsortiums ergänzt wurden. Daraus ergaben sich drei finale Szenarien, die unterschiedliche Bilder des zukünftigen europäischen Lebensmittelsystems zeichnen.

Das erste von drei Szenarien mit dem Titel „Politik sichert Nachhaltigkeit“ stellt eine zukünftige Welt vor, in der Staaten selbst landwirtschaftliche Nutzflächen besitzen und Nahrungsmittel produzieren, die an lokale Bedingungen angepasst sind. Die Staaten achten auf das Wohlergehen ihrer Bürgerinnen und Bürger, die wiederum darauf vertrauen, dass ihre Regierung nahrhafte Lebensmittel bereitstellt und den Zugang zu Nahrungsmitteln gewährleistet. In dieser Zukunft hat die Politik erkannt, dass eine nachhaltige Landwirtschaft für die nationale Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung ist. Der Staat hat auch Zugang zu Daten entlang der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette, durch die sich das Kaufverhalten der Menschen leicht analysieren lässt und diesen Anreize für einen gesunden Lebensstil mit an die Hand gibt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind Aspekte wie nachhaltige Produktion oder fairer Handel zwar wichtig, Preis und Qualität sind bei der Auswahl von Lebensmitteln aber entscheidend. Infolgedessen gibt es auf Lebensmitteln nur eine geringe Anzahl unterschiedlicher Siegel und Label.

Nachhaltige und sozial verträgliche Produktion von Lebensmitteln

Im zweiten Szenario „Die Gesellschaft als Treiber für mehr Nachhaltigkeit“ sind es die Bürgerinnen und Bürger selbst, die auf der Suche nach einem gesunden und nachhaltigen Lebensstil die Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit vorantreiben - Wirtschaftswachstum ist nicht mehr das bestimmende Paradigma. Landwirtschaftliche Nutzflächen gehören einzelnen Bauern und das Thema lokale Biodiversität wird als wichtig erachtet. Viele frische Lebensmittel werden in einem Radius von wenigen Kilometern produziert. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, hohe Preise zu bezahlen, wenn die Lebensmittel nachhaltig und sozial verträglich produziert werden. Auch bauen sie gerne ihr eigenes Obst und Gemüse an oder kaufen Lebensmittel auf lokalen Märkten. In dieser Zukunft haben nationale Regierungen weniger und gut organisierte lokale Regierungen mehr Einfluss. Lebensmittel werden hauptsächlich online gekauft oder von Online-Services geliefert, die gesamte Lebensmittellogistik organisieren Einzelhändler. Konventionelle Supermärkte existieren nicht mehr.

Im dritten Zukunftsszenario „Ein CO2-Preis und Einzelhändler dominieren Handel und Konsum“ herrscht ein wettbewerbsorientiertes Umfeld, das von unbegrenztem Wachstum und einem dynamischen technologischen Fortschritt gekennzeichnet ist. Einzelhandel und Vertrieb verfügen über enorme Marktmacht und Lebensmittel werden fast nur noch online gekauft – dank KI und der allgemeinen Datenverfügbarkeit verstehen Einzelhändler das Kaufverhalten immer besser. Die landwirtschaftliche Produktion ist auf ökonomischen Profit und der Welthandel komplett auf günstige Lebensmittel ausgerichtet, was sich negativ auf die Lebensmittelqualität und -sicherheit auswirkt. Nachhaltigkeit ist zwar noch immer wichtig, aber vorwiegend, um mit nachhaltigen Produkten Geschäft zu machen – Nachhaltigkeit wird bei allen Produkten auch in Form eines CO2-Preises berücksichtigt. Da Rohstoffe knapp und teuer sind, werden Lebensmittelabfälle vermieden, eine Kreislaufwirtschaft ist das neue Paradigma. Die Macht der nationalen und lokalen Regierungen ist begrenzt.

Dr. Björn Moller, der das Forschungsprojekt FOX am Fraunhofer ISI koordiniert, fasst zusammen: „Unsere drei Zukunftsszenarien zeichnen sehr unterschiedliche Bilder davon, wie sich das europäische Lebensmittelsystem bis 2035 entwickeln könnte. Eine Sache verbindet sie aber: In allen Szenarien verändert sich das Ernährungssystem in Richtung mehr Nachhaltigkeit – und dieser Wandel ist aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs und der hohen CO2-Emissionen des heutigen Lebensmittelsektors dringend erforderlich. In der Tat hängt der Wandel stark von politischen Entscheidungen ab, welche Akteure den Ton angeben, wie sich Werte und Einstellungen gegenüber Lebensmitteln und Ernährung weiterentwickeln und wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher verhalten. Unsere Studie wirft die Frage auf, wer den Wandel am stärksten vorantreiben wird – Politik, Gesellschaft oder Lebensmittel-Einzelhandel? In jedem Fall sollten die Akteure, die die Zukunft des Lebensmittelsektors mitgestalten wollen, eine aktive Rolle bei Produktion, Vertrieb und dem Kauf von Lebensmitteln spielen.“

Zur Studie gelangen Sie hier.

Quelle: UD/pm
 

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