„Wir stehen mit dem Klimawandel vor einer nie dagewesenen Herausforderung“
Mit rund 8,7 Billionen Dollar Anlegergeldern und 16.000 Mitarbeiter*innen in 38 Ländern ist BlackRock der größte Vermögensverwalter der Welt. Seit Jahren macht sich BlackRock-CEO Larry Fink dafür stark, dass Unternehmen nicht nur gewinnorientiert denken, sondern auch mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollten. Klimaschutz habe zudem „höchste Priorität“. Doch wie grün ist der „Schwarze Fels“ wirklich und wie groß ist dessen Einfluss auf Politik und Unternehmen? Antworten vom Chef von BlackRock Deutschland, Dirk Schmitz.
24.08.2021
Herr Schmitz, Sie sind seit 2018 Deutschland-Chef von BlackRock. Was hat Demokratie mit Geldanlage zu tun, und welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?
Dirk Schmitz: Demokratie und deren Werte sind wesentliche Pfeiler unserer Gesellschaft – in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt auch. Sie haben sich historisch bewährt und bilden die Voraussetzung für Freiheit, Gerechtigkeit, Inklusion und Chancengleichheit. Hier zeigt sich der Brückenschlag zwischen Demokratie und Geldanlage: Um eine gerechtere Welt mit gleichen Chancen für mehr Menschen zu ermöglichen, gilt es, auch die finanzielle Inklusion zu fördern. Das beginnt beim Zugang zu einem Konto, der in manchen Entwicklungsländern nach wie vor nicht selbstverständlich ist. Und es betrifft ebenso die Altersvorsorgekrise, die auch bei uns und in anderen westlichen Industriestaaten eine große Herausforderung darstellt. Mit unserem ETF-Sparplan-Angebot leisten auch wir einen Beitrag zur Demokratisierung der Geldanlage in Deutschland. Bereits ab einem Euro pro Monat bieten wir einen Zugang zum Kapitalmarkt und helfen so zahlreichen Sparern in Deutschland ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
Handelshemmnisse im Export nehmen zu – weltweit. Was tun, damit die Menschen die Globalisierung als Chance und nicht als Bedrohung sehen? Wie könnte Ihrer Meinung nach ein „ethischer Welthandel“ aussehen?
Schmitz: In erster Linie geht es darum, einen fairen Welthandel zu etablieren, der allen Parteien zugutekommt. Ein internationaler Handel, der globale Investitionen zu fairen Rahmenbedingungen ermöglicht, schafft Wachstum und Arbeitsplätze. Doch um weltweit den Kauf und Verkauf von Waren auf Augenhöhe (Level Playing Field) zu etablieren, brauchen wir einen regelbasierten Welthandel. Gleichzeitig stehen wir mit dem Klimawandel vor einer nie dagewesenen Herausforderung. Die globalen Bemühungen, das Klima zu schützen, fordern oft ein „Green Premium“, das kein Handelshemmnis werden darf. Eine der drängendsten Aufgaben ist es daher, das Welthandelssystem so aufzustellen, dass es zum Katalysator auf dem globalen Weg in Richtung einer klimaneutralen Zukunft werden kann.
Laut aktueller Opinium-Studie spielt Nachhaltigkeit für viele Deutsche auch bei der Geldanlage eine immer größere Rolle. Was ist „nachhaltiges Anlegen“ und welche Kriterien gelten bei nachhaltigen Investments?
Schmitz: In der Tat erkennen immer mehr Anleger, dass Nachhaltigkeitsrisiken auch Anlagerisiken sind. Viele sehen, dass die Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien in der Geldanlage zu besseren risikobereinigten Renditen führen kann. Nachhaltiges Anlegen bedeutet, dass ökologische, soziale und auf die Unternehmensführung bezogene Aspekte - auf Englisch: Environmental, Social und Governance, kurz ESG - berücksichtigt werden. Abhängig von individuellen Werten und Präferenzen des individuellen Anlegers steht eine breite Auswahl entsprechender Lösungen zur Verfügung. Es gibt beispielsweise „ESG Screened“-Ansätze, die Unternehmen aufgrund kontroverser Geschäftspraktiken in Bezug auf Umwelt- und soziale Kriterien sowie Aspekte der Unternehmensführung ausschließen. Ein anderes Beispiel ist „Impact Investing“. Neben einer finanziellen Rendite ermöglicht es auch eine messbare nachhaltige Wirkung.
In seinem diesjährigen Schreiben mahnt BlackRock CEO Larry Fink Unternehmen zu mehr Klimaschutz. Das Thema habe „höchste Priorität“. Lobenswert, aber mit einem Appell sparen wir noch kein CO2 ein, oder?
Schmitz: Die Erfahrung zeigt, dass wir mit unseren Appellen an die Unternehmen Gehör finden. Beispielsweise hat das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) einen deutlichen Anstieg von Reportings im Sinne der von ihm definierten Standards bekanntgegeben, nachdem Larry Fink in seinem Brief an die CEOs im Januar 2021 zu mehr SASB-konformen Reportings aufgerufen hatte. Denn sie wissen, dass wir von Natur aus langfristig orientiert sind. Unser Investment Stewardship Team pflegt einen regelmäßigen Austausch mit den Unternehmen, in die wir im Auftrag unserer Kunden investieren. Zum Beispiel hatten wir im Juli 2020 weltweit 244 Unternehmen identifiziert, die dem Management des Klimarisikos unserer Ansicht nach unzureichend Rechnung trugen. Von diesen Unternehmen machten circa 65 Prozent binnen eines Jahres nennenswerte Fortschritte.
Schattenmacht BlackRock: Was sagen Sie den Menschen, die davon überzeugt sind, BlackRock sei zu mächtig, ihre Risikoplattform „Aladdin“ zu marktbeherrschend? Wie groß ist der Einfluss auf Politik und Unternehmen?
Schmitz: Wir nehmen das sehr ernst und arbeiten daran Missverständnisse in diesem Zusammenhang aufzuklären. Um unser verwaltetes Vermögen ins richtige Verhältnis zu setzen: Asset Manager verwalten der Beratungsgesellschaft BCG zufolge weltweit rund 103 Billionen Dollar (Stand: Ende 2020). BlackRocks Anteil daran beträgt rund acht Prozent. Gleichzeitig haben die fünf größten Fondsgesellschaften weltweit zusammen genommen knapp über 20 Prozent Marktanteil. Das zeigt, dass wir weit von einer Machtkonzentration entfernt sind. Was unser Risikoanalyse- und Anlageverarbeitungssystem Aladdin angeht, so stellen wir Kunden damit eine Plattform zur Verfügung. Wie Kunden diese nutzen und befüllen, ist individuell verschieden. Insofern ist Aladdin gewissermaßen mit Excel zu vergleichen, wo Kunden ihre eigenen Formeln eintragen, um damit zu rechnen. Das Programm schreibt ihnen jedoch nicht das Rechenergebnis vor.
Schon vor Ihrer Zeit bei BlackRock hatten Sie leitende Positionen bei der Deutschen Bank und Morgan Stanley inne. Was genau fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit? Was macht den Kapitalmarkt so spannend?
Schmitz: Der Kapitalmarkt begeistert mich, seit meine Eltern mir im Alter von 13 Jahren meine erste Aktie schenkten. Faszinierend finde ich erstens, dass Menschen über die Märkte am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens teilhaben können - auch mit vergleichsweise kleinen Summen. Zweitens die Vielseitigkeit der Märkte, die für unterschiedliche Anlegertypen und Anlageziele passende Instrumente und Zugänge bieten – von klassischen Aktien und Anleihen bis hin zu Privatmarktanlagen. Und drittens, wie der technologische Fortschritt als Wettbewerbsfaktor immer wichtiger wird, wenn es um den Anlageerfolg geht – zum Beispiel, weil er über Datenanalysen Informationsvorsprünge liefern kann. Das betrifft beispielsweise Investitionen unter Berücksichtigung des Klimawandels.
Dieses Interview führte die Initiative Gesichter der Demokratie.