Material Compliance: Ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Produkte
Neben Qualität, Funktionalität und Sicherheit ist die Einhaltung von geltendem Recht, etwa bei Umweltauflagen, ein entscheidendes Merkmal von Produkten. Zu den Vorschriften im Bereich der Material Compliance zählen beispielsweise die europäische Chemikalienvorordnung REACH oder die EU-Richtlinie RoHS. Dabei sind nicht nur Hersteller, sondern auch Importeure, Lieferanten und Händler von den Vorgaben betroffen. Der Software-Anbieter tec4U hilft Unternehmen, diese Daten entlang der Lieferkette offenzulegen.
19.03.2015
Von Stefan Nieser und Markus Glauben, tec4U-Solutions GmbH
Unternehmen sehen sich heute einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen gegenüber. Das Spektrum reicht von gesetzlichen Auflagen über bindende Branchenstandards bis hin zu freiwilligen Verpflichtungen wie etwa dem Global Compact. Während sich in der Vergangenheit der Fokus auf die Einhaltung der rein technischen, funktionalen und wirtschaftlichen Vorgaben konzentrierte, spielt seit Beginn dieses Jahrhunderts immer mehr die Erfüllung materialspezifischer Umweltauflagen eine zentrale Rolle.
Die starke Ausprägung des Umweltrechts reicht zurück bis in die 1980er-Jahre mit dem Aufkommen der Grünen als Partei und einer stetig steigenden Sensibilisierung der Bevölkerung. Das führte zu einer Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, die konkrete Einschränkungen bei der Verwendung von Chemikalien und Materialien zum Schutz von Mensch und Umwelt machten. Führungskräfte sehen darin zwar oft nur einen weiteren Kostenfaktor, unterschätzen jedoch in unserer medial erschlossenen globalen Welt die Effekte einer positiven Außenwirkung.
Eine entscheidende Antriebsfeder im Kontext der Thematik Material Compliance bildet die europäische REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals)-Verordnung. Diese formulierte erstmalig die verpflichtende Weitergabe von Materialinformationen entlang der Lieferkette für ausgesuchte chemische Substanzen in Erzeugnissen.
Als Kommunikationsinstrument für die sichere Verwendung von Reinstoffen und Gemischen hat sich seit Jahrzehnten das Sicherheitsdatenblatt etabliert. Diese ausgesuchten chemischen Substanzen werden von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in der Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Substanzen (englisch: Substances of Very High Concern; kurz: SVHC) veröffentlicht. Diese Liste wird zweimal im Jahr jeweils im Juni und Dezember um neue Einträge erweitert. Die Liste bildet Stufe eins in einem zweistufigen Verfahren, in dessen zweiter Stufe aus den SVHC autorisierungspflichtige Stoffe werden können. Die weitere Verwendung dieser Substanzen ist dann nur noch nach einer Autorisierung durch die Chemikalienagentur erlaubt.
Eine weitere materialspezifische Vorgabe ist die RoHS 2-Richtlinie, die die Verwendung von Blei, Kadmium, Chrom (VI), Quecksilber und bromierten Flammschutzmitteln in Elektro- und Elektronikgeräten innerhalb der EU einschränkt. Aktuell kommen für international tätige Unternehmen auch vermehrt Anfragen bezüglich Deklarationen von sog. Konfliktmineralien hinzu.
Die Umsetzung im Unternehmen
Produkte bestehen oftmals aus einer Konstruktion von eigengefertigten Teilen und zugekauften Artikeln. Bei der Eigenfertigung verfügt das Unternehmen über die Materialhoheit und kann direkt Aussagen zur Materialzusammensetzung treffen. Bei den Zukaufartikeln lag der Schwerpunkt in der Vergangenheit auf der Erfüllung der technischen Anforderungen. Um als Unternehmen nun Aussagen zur Materialkonformität der eigenen Endprodukte treffen zu können, müssen die Informationen aus Eigenfertigung und Zukauf in einem Bericht zusammengeführt werden.
Die erforderlichen Informationen zu den Zukaufartikeln erhält man durch eine Lieferantenanfrage. Vielen Unternehmen begehen den Fehler, diese Lieferantenanfrage als einmalige Aufgabe zu sehen, welche nach Abschluss dokumentarisch abgelegt und danach als abgeschlossen vermutet wird. Die Realität hat jedoch gezeigt, dass die Kommunikation mit den Lieferanten zum Thema Materialkonformität eine wiederkehrende Aufgabe ist. Und jede sich wiederholende Aufgabenstellung ist prädestiniert, durch eine Software unterstützt zu werden, wie sie von der tec4U-Solutions GmbH im Zuge ihres Dienstleistungsspektrums über Jahre entwickelt und in vielen Kundenprojekten erfolgreich angewendet wird.
Die Voraussetzung: Material Compliance als Produktmerkmal
Die wichtigste Voraussetzung, sozusagen „Grundstein“ zur Bearbeitung des Themas Material Compliance in den Unternehmen, ist die Anerkennung der Vorgabe als ein Produktmerkmal. Produktmerkmal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben zur Materialzusammensetzung von Produkten genauso relevant ist wie sonstige funktionsbedingte oder sicherheitsrechtliche Produktvorgaben.
Die Einhaltung der Material Compliance hat auch einen rechtlichen Hintergrund: Es ist eine produkthaftungsrechtliche Prävention bei der Sicherstellung der dem Hersteller in den Zielmärkten auferlegten Verkehrssicherungspflicht. Hiermit verbunden sind konsequenterweise auch die Risiken der Produkthaftung und des Strafrechts, die für Geschäftsführer und Vorstände persönlich relevant sein können. Der Umgang mit Material Compliance ist dementsprechend eine Aufgabe, die die Unternehmensleitung auch zur Vermeidung eigener Risiken nicht unterbewerten sollte. Gerade in diesem Punkt allerdings begegnet man immer wieder Managern, welche erst einen Nachweis der tatsächlichen Konsequenz eines Fehlverhaltens einfordern. Dabei liegen die Haftungsrisiken wie auch die Möglichkeit der Aufdeckung des Fehlverhaltens deutlich auf der Hand:
- Wenn die Material Compliance nicht angemessen berücksichtigt wird, drohen Strafen und Auflagen seitens der Marktüberwachungsbehörden, aber auch Haftungsrisiken sowohl gegenüber dem Vertragspartner als auch gegenüber Dritten.
- Mögliche Auslöser einer Untersuchung und damit verbunden die mögliche Feststellung einer Non-Compliance sind Meldungen des Wettbewerbes, von NGOs, Kunden oder behördliche Routinekontrollen.
Neben diesen haftungstechnisch relevanten Themen spielen auch marktspezifischen Anreize zur Einhaltung der Material Compliance eine wachsende Bedeutung: Bereits heute finden wir in vielen Ausschreibungen den Hinweis auf die notwendige Einhaltung der REACH- und RoHS-Vorgaben, unabhängig davon, ob der Lieferant sich nun selber im Kontext dieser Verordnungen sieht oder nicht. Dies ist unabhängig davon, ob diese Vorgaben über den eigentlichen Ausschreibungstext, über Einkaufsbedingungen, Lastenhefte, Hausnormen oder Qualitätsvereinbarungen kommuniziert werden – sie sind gleichermaßen wirksam.
Ein zusätzlicher Punkt ist die Sicherstellung der weiteren Verfügbarkeit sowohl von Lieferantenprodukten wie auch von Produktions- und Produktionshilfsstoffen. Im Zuge dieser Verordnungen überlegen viele Rohstoffproduzenten im Rahmen von Portfoliobereinigungen, ob sie zukünftig noch bestimmte Substanzen oder Werkstoffe herstellen wollen. Dies ist nicht nur den hohen Registrierungskosten und den damit verbundenen notwendigen Testaten geschuldet, sondern auch den Bestrebungen der Industrie, sich auf das Kerngeschäft zu reduzieren.
Die damit verbundenen Probleme sind: Die meisten mittelständischen Unternehmen beziehen ihre Materialien über den Handel, welcher in den wenigsten Fällen in Kenntnis gesetzt wird, wenn bestimmte Materialien nicht weiter produziert werden. In der Praxis heißt dies, dass der Hersteller oder dessen Lieferant erst von dem Wegfall des Produktes erfährt, wenn seine Bestellung nicht mehr erfüllt wird und sein Stock fast aufgebraucht ist. Die nachfolgenden Umstellungen verursachen erhebliche Kosten und unabsehbare Qualitätsrisiken im Produkt. Es bleibt zu hoffen, dass das Management das Thema Material Compliance aus seinem vielfach verbreiteten Dornröschenschlaf erweckt und dem Thema die ihm erforderliche Priorität im operativen Geschäft einräumt.