Messen & Konferenzen

BAU Online: Forschen für den Wandel

Die Digitalisierung im Bausektor, eine fortschreitende Ressourcenverknappung, gestiegene Ansprüche an die Energieeffizienz von Gebäuden oder deren Innenraumklima, eine zunehmende Verstädterung, aber auch die Corona-Pandemie verlangten im letzten Jahr nach neuen Lösungen. Auf der BAU Online 2021 stellt das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP im Rahmen einer Sonderschau der Fraunhofer-Allianz Bau Mitte Januar seine aktuellen Produkt- und Systemlösungen vor.

14.01.2021

BAU Online: Forschen für den Wandel zoom
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IBP entwickelten eine „Multifunktionale vorgehängte hinterlüftete Fassade“, die durch die Reduktion von Hitze, Lärm und Luftschadstoffen zur Klimaresilienz und Lebensqualität beiträgt.

Bedingt durch die Corona-Pandemie findet die diesjährige Messe BAU als Online-Event statt. Die Exponate des Fraunhofer IBP präsentieren sich daher eingebettet in einer Art digitalem Schaufenster. Während der drei Messetage haben die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, sich durch die virtuelle Fraunhofer-Welt zu navigieren und auf verschiedenen Ebenen die zum Teil dreidimensionalen Exponate anhand von hinterlegten, weiterführenden Informationen zu erkunden. Via Chat besteht die Gelegenheit, mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fraunhofer IBP in Kontakt zu treten und sich verschiedene Produkt- und Systemlösungen in den Bereichen Digitalisierung, zukunftsträchtige Werkstoffentwicklungen, Schutz vor COVID-19 am Arbeitsplatz und resiliente Städte persönlich erläutern zu lassen.

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Klimaneutralität – die Herausforderung im Gebäudesektor

Angesichts der zunehmenden Verstädterung und gleichermaßen wachsenden Belastungen urbaner Strukturen durch klimatisch bedingte Einflüsse wie Überflutungen oder Hitze-Inseln sind neue Verfahren, Systeme oder Materialien zur Verbesserung und Sicherung der Lebens- und Umweltqualität in unseren Städten unabdingbar. Einen großen, vielseitigen Gestaltungsspielraum bergen hierfür urbane Oberflächen. Bislang sind diese jedoch lediglich auf die dauerhafte Erfüllung einzelner Zwecke ausgerichtet. Ihr ganzheitliches Wirkpotenzial auszuschöpfen, ist das Ziel des vom Fraunhofer IBP koordinierten Verbund-Projekts BUOLUS (Bauphysikalische Gestaltung urbaner Oberflächen für nachhaltige Umwelt- und Lebensqualität in Städten). Neben horizontalen nehmen dabei vertikale Oberflächen aufgrund der steigenden Gebäudeverdichtung eine tragende Rolle ein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IBP haben daher eine „Multifunktionale vorgehängte hinterlüftete Fassade“ entwickelt, die durch die Reduktion von Hitze, Lärm und Luftschadstoffen multifunktional zur Klimaresilienz und Lebensqualität beiträgt: Über eine akustisch transparente, aber regendichte Außenverkleidung mit einer dahinterliegenden schallabsorbierenden Schicht erfolgt die Minderung von Außenlärm. Als zusätzlicher Schallabsorber dient die in einer vorgehängten Fassade ohnehin vorhandene Wärme- und Brandschutzschicht. Zudem ist sie in der Lage, die mit Schadstoffen belastete Stadtluft über die Hinterlüftungsebene anzusaugen und gereinigt wieder an die Umgebung abzugeben. Dank des modularen Aufbaus sind die Funktionen je nach Bedarf, Kosten und ästhetischen Aspekten flexibel anpass- und kombinierbar. Auch eine nachträgliche Begrünung ist möglich.

Ressourcen und Recycling – Mit CT-Analytik und Laser Bauschäden ermitteln, Werkstoffe optimieren und innovative Baumaterialien etablieren

Im Bereich Hoch- und Tiefbau spielen die Kombination und die Zusammensetzung verschiedener Materialien eine gewichtige Rolle: So entscheidet das Gefüge von Werkstoffen maßgeblich über funktionale und mechanische Eigenschaften von Bauteilen. Ein detailliertes Wissen über deren inneren Aufbau ermöglicht eine gezielte Optimierung von Eigenschaften und hilft bei der Entwicklung neuer, innovativer Materialien – die die Baubranche in Zeiten von zunehmender Ressourcenverknappung so dringend benötigt. Daher kombinieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IBP unter anderem etablierte Prüfverfahren mit Computertomografie-Analytik. Proben in einer Größe von bis zu zehn Zentimetern werden dabei mittels Röntgenstrahlung durchleuchtet sowie dann digital im Mikrometerbereich dargestellt und ausgewertet. Vorteile bietet dieses zerstörungsfreie Verfahren insbesondere bei der Untersuchung von Bauteilschäden. Mit dem Mikro-CT ist es nun möglich, Schadensbilder wie Rissbildungen, Faserverteilung oder die Porengrößenverteilung in Baustoffen dreidimensional zu ermitteln und darzustellen. Damit lassen sich sowohl Rückschlüsse auf Qualitätsmerkmale wie Dauerhaftigkeit als auch auf akustische und wärmedämmenden Eigenschaften eines Baustoffes ziehen. Das Mikro-CT soll vorwiegend für eine zielgerichtete Produktentwicklung von Baustoffen eingesetzt werden.

Mit die bekanntesten irreversiblen Schäden, die an Betonkonstruktionen – zum Beispiel in Form von Rissen an Bahnschwellen oder Autobahnen – auftreten, werden durch die Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) hervorgerufen. Auslöser sind silikatische Gesteinskörnungen, die im Beton unter bestimmten Bedingungen mit alkalihaltigem Wasser reagieren und ein quellfähiges Alkali-Kieselsäure-Gel bilden. Bestehende Methoden zur Prüfung der Gesteinskörnungen sind mit sehr hohem Zeitaufwand und Kosten verbunden, sodass ein frühzeitiges Erkennen von Schadreaktionen nicht möglich ist. Das Fraunhofer IBP hat ein schnelles AKR-Prüfverfahren entwickelt, das bereits innerhalb weniger Stunden stichhaltige Ergebnisse liefert. Hierfür nutzen die Forschenden die Raman-Spektroskopie: Sie bestrahlen den Probekörper mit einem Laser, wobei es zu Verschiebungen der Wellenlängen zwischen dem eingestrahlten und dem an der Probe gestreuten Licht kommt. Anhand dieser Verschiebungen können sie dann Rückschlüsse auf die einzelnen Materialien und damit auf den molekularen Verknüpfungsgrad der Gesteinskörnung ziehen. Daraus ist wiederum ableitbar, ob diese anfällig für die AKR-Reaktion ist oder nicht.

Das Typhaboard, ein nachhaltiges und innovatives Baumaterial aus Rohrkolben, ist wenig schadensanfällig und mit zahlreichen ökologischen und ökonomischen Vorteilen verknüpft.
Das Typhaboard, ein nachhaltiges und innovatives Baumaterial aus Rohrkolben, ist wenig schadensanfällig und mit zahlreichen ökologischen und ökonomischen Vorteilen verknüpft.

Als wenig schadensanfällig hingegen gilt ein nachhaltiges und innovatives Baumaterial aus Typha. Die Verwendung des Rohrkolbens (lateinisch Typha) als Rohstoff für die Baustoffproduktion ist mit zahlreichen ökologischen und ökonomischen Vorteilen verknüpft. Bereits sein Anbau birgt Potenziale, wie zum Beispiel die Reinigung nährstoffbelasteter Oberflächengewässer. Als Wasserpflanze ist Typha zudem resistent gegen Schimmel, der strukturelle Aufbau der Blätter macht ihn leicht und stabil. Diese natürlichen Eigenschaften nutzend arbeiten Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IBP gemeinsam mit dem Architekten Werner Theuerkorn seit Jahren an unterschiedlichen Produkten, die sich alle durch eine hervorragende Kombination aus Statik und Dämmwirkung auszeichnen und energiearm in der Herstellung sind. Die neueste Entwicklung ist eine magnesitgebundene Aufdachdämmplatte, die eine mit Holzfaserdämmplatten vergleichbare Dämmwirkung (0,045 Watt pro Meter und Kelvin) hat, jedoch eine höhere Festigkeit und vor allem einen ausgezeichneten Brandschutz bietet – ohne die nachteilige Neigung zum Glimmen. Durch den Verzicht auf Zusatzstoffe wie Biozide ist eine komplette Rückführung in den Stoffkreislauf möglich.

Die Baubranche auf dem Weg zur Digitalen Transformation

Ein Gespür für ein Gebäude und seine Innenräume zu bekommen, ohne es je tatsächlich betreten zu haben – das ermöglicht der vom Fraunhofer IBP entwickelte Demonstrator „VR MultiSense“ . In Form eines digitalen Zwillings können Planer, Bauherren, Produkthersteller und Nutzende das geplante Bauobjekt nicht nur virtuell besichtigen, sondern auch mittels weiterer Sinneseindrücke erspüren: Über Sensoren und Aktoren werden Licht, Wärme, Kälte, Luftströmungen und -qualität fühlbar dargestellt. Weitere variable Faktoren für die Simulation sind die Außentemperatur, Baukonstruktion und Gebäudetechnik. Auf diese Weise können Nutzerinnen und Nutzer Aussagen über die Wirkung einzelner Bauelemente – wie Fassaden- oder Fensterelemente, Bauprodukte oder Montagezustände – in unterschiedlichen Kombinationen treffen und folglich fundierter an planerischen Entscheidungsprozessen mitwirken. Für Architekten, Planer und Bauherren ist es damit möglich, künftige Projekte auch über das auf Fakten basierende Fachwissen hinaus verlässlich zu planen und zur umfangreichen Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden zu realisieren.

Auch für das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen ist die Digitale Transformation eines der Kernthemen auf der BAU Online. Das Zentrum unterstützt – unter der Federführung des Fraunhofer IBP – kleine und mittelständische Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche beispielsweise bei der Einführung und Umsetzung von Building Information Modeling (BIM) und wird während der Messe über die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung in KMUs informieren.

Arbeiten und Wohnen der Zukunft – mehr Sicherheit im öffentlichen Leben

Menschen, die an Kassen oder Schaltern arbeiten, tragen ein besonders hohes Risiko, an COVID-19 zu erkranken. Übliche Hygienemaßnahmen wie das Tragen von Masken oder installierte Plexiglaswände bieten nur bedingten Schutz, da die Viren etwa hinter die Abschirmung gelangen können. Um an diesen Arbeitsplätzen die Ansteckungswahrscheinlichkeit zu minimieren, entwickelte das Fraunhofer IBP den „Schutzhimmel“ – eine Art Luftschleuse, die betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der übrigen Raumluft abschirmt. Das Luftfiltergerät von der Größe eines Raumluftbefeuchters wird unabhängig von der Gebäudesteuerung betrieben und ist durch Rollen flexibel einsetzbar. Dabei saugt der Schutzhimmel die Raumluft an, filtert diese durch einen für Viren geeigneten, sogenannten „High Efficiency Particulate Air Filter (HEPA)“ und führt sie dann über einen Luftauslass direkt über dem Arbeitsplatz zurück. Durch den steten Luftstrom wird ein Eindringen der Umgebungsluft in den Arbeitsbereich verhindert.

Quelle: UD/fo
 

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