Bei Unternehmen herrscht Aufholbedarf in Sachen Emissionsreduzierung
Auf Grundlage derzeitiger Emissionsziele europäischer Unternehmen wird bis 2100 eine Erwärmung von etwa 2,7 Grad Celsius erreicht. Dennoch richten weniger als zehn Prozent der Unternehmen ihre Klimaziele nach dem Pariser Klimaschutz Abkommen aus. Achtmal mehr Klimaengagement wäre nötig. Das zeigt der aktuelle CDP Europe Report.
15.03.2021
Zwischen der Kreditvergabe von Banken, die ihre eigenen Emissionsziele nach dem Pariser Klimaabkommen auszurichten planen, und dem Markt für diese Unternehmenskredite in Europa bildet sich eine Diskrepanz von vier Billionen Euro. So eine neue Analyse der EU-finanzierten Non-Profit-Organisation CDP Europa, Betreiber des globalen Environmental-Disclosure-Systems, mit der global agierenden Management-Consulting-Agentur Oliver Wyman. Gemeinsam stellten sie kürzlich die Ergebnisse ihrer Untersuchung „Running Hot: Accelerating Europe's Path to Paris“ vor. Demnach stammen 95 Prozent aller Unternehmenskredite in Europa von Banken, die ambitioniert sind, die Abkommensziele von Paris zu erreichen. Jedoch passen weniger als zehn Prozent der europäischen Unternehmen ihre Klimaziele entsprechend der Pariser Zwei-Grad-Grenze an. Behalten sie dieses Tempo bei der Emissionsreduzierung bei, erreichen Unternehmen in Europa bis 2100 gerade mal durchschnittlich 2,7 Grad Celsius. Die Untersuchung basiert auf fast 1.000 europäischen Unternehmen, die rund 80 Prozent des gesamten europäischen Marktwerts ausmachen und bis 2020 ihre Umweltdaten sowohl für CDP als auch für breitere Marktforschung offengelegt haben.
Die herrschende Lücke scheint sich langsam zu schließen: Aktuelle Unternehmensdaten zeigen, dass sich Unternehmen bessere, erreichbare Ziele setzen – jene, die diese erreichen, steuern schneller auf eine kohlenstoffärmere Zukunft zu. 56 Prozent geben an, bereits einen Übergangsplan entwickelt und etabliert zu haben – im Energiesektor sind es sogar über dreiviertel. Über 50 Prozent der europäischen Unternehmen (nach Marktwert) sind bereits der Science Based Targets Initiative beigetreten. Diese prüft, ob und inwieweit die Ziele einer Organisation mit dem Pariser Abkommen übereinstimmen.
Unternehmen, die ihren Kohlenstoffausstoß erfolgreich reduzieren konnten, berichten von einem insgesamt 15-prozentigen Emissionsrückgang im letzten Jahr sowie einer Senkung der Kohlenstoffintensität (Emissionen pro Umsatz) um ein Fünftel. Allerdings herrschen auch Defizite: Sowohl im Stahl- als auch Stromversorgungssektor sind die besten Unternehmen immer noch bis zu viermal effizienter in ihrem Kohlenstoffausstoß als jene, die am schlechtesten abschneiden. Und nur 35 Prozent der Unternehmen der einflussreichsten Branchen legen bisher Daten zu ihren wichtigsten indirekten Emissionen (Scope 3) offen, welche mindestens 80 Prozent aller Gesamtemissionen ausmachen.
Unternehmen sollten sich mehr Ziele setzen
Die Autoren des Untersuchungsberichts konnten zudem drei potenzielle Szenarien für das Jahr 2030 erstellen: In diesen rechnen sie hoch, wie lange europäische Unternehmen bräuchten, um die Pariser Zwei-Grad-Grenze zu erreichen. Dafür veränderten sie vor allem das „Engagement-Tempo“ – sprich: ob und wie schnell sich europäische Unternehmen Ziele setzen und wie lange sie für ihre Umsetzung brauchen. Diese Szenarien basieren sowohl auf CDP-Scores, einem Bewertungssystem, das die aktuelle Klima-Performance eines Unternehmens einschätzt, als auch auf CDP Temperature Ratings, die Unternehmen sogenannte ‚Temperaturwege‘ entsprechend ihrer Emissionsreduktionsziele zuweisen. Eines der Ergebnisse: Europäische Unternehmen müssten achtmal mehr Ziele setzen und umsetzen, um eine Reduzierung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen [1]. Der Bericht weist ebenfalls auf die wichtige Rolle hin, die Banken und Investoren für das Erreichen dieses Ziels spielen. Derzeit bewerten gerade mal die Hälfte dieser Einrichtungen die Strategien ihrer (potenziellen) Kunden und Investitionsempfänger hinsichtlich ihrer Ausrichtung nach dem Pariser Übereinkommen. Ohne weiteres Engagement – so schätzt der Bericht – müssten die Banken in einem Szenario mit ‚bescheidener Geschwindigkeit‘ ihr Kreditportfolio um 20 bis 30 Prozent anpassen, um ihre Ziele entsprechend den Pariser Vorgaben zu erreichen. Insgesamt sind europäische Unternehmen auf einem guten Weg, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf durchschnittlich 2,7 Grad Celsius herunterzuschrauben, wobei sich länderspezifische Unterschiede in dem Temperaturbereich von 2,3 Grad Celsius (Schweiz) und 3,0 Grad Celsius (Vereinigtes Königreich, Belgien und Italien) ergeben. Deutschland liegt mit 2,5 Grad Celsius etwas über dem Durchschnitt.
Grundsätzlich optimistische Entwicklung
„Europäische Unternehmen laufen buchstäblich heiß. Die Hochrechnung basierend auf den aktuellen Daten zeigt, dass wir bis 2100 eine Erderwärmung von durchschnittlich 2,7 Grad Celsius erreichen werden – über ein Grad oberhalb der Grenze, die wir laut Klimawissenschaft unterschreiten sollten, um katastrophale Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern“, sagt Maxfield Weiss, Executive Director, CDP Europa. „Die Tatsache, dass sich führende Unternehmen in vielen Sektoren nun ehrgeizige Ziele setzen und ihre Emissionen reduzieren können, ist nicht nur gut, sondern zeigt ganz klar, dass ein schneller Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Zukunft möglich ist. Jedoch verfolgen weniger als zehn Prozent der Unternehmen solch ehrgeizige Ziele, weshalb wir viel mehr Maßnahmen von Unternehmen und Finanzinstituten zum Erreichen unserer Klimaziele brauchen. Es ist Zeit, dass Banken und Investoren Unternehmen stärker in ihre eigenen Klimaziele einbinden, damit Europa durch bessere Offenlegung und Maßnahmen schneller die Ziele des Pariser Übereinkommens erreichen und den Europäischen Green Deal einhalten kann.“
„Die diesjährige Studie enthält ermutigende Entwicklungen, da mehr als die Hälfte der
Unternehmen Übergangspläne aufstellen und viele echte Fortschritte bei der Reduzierung von Emissionen machen. Aber sie zeigt auch, dass das Tempo beschleunigt werden muss, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen“, sagt Dr. Kai Bender, Deutschlandchef von Oliver Wyman.
Der vollständige CDP Europe Report steht hier zum Download bereit.
[1] Die potenziellen Szenarien deuten darauf hin, dass zum Erreichen des 1,5 Grad-Ziels mindestens 65 Prozent der europäischen Unternehmen Klimaziele haben müssten, die mindestens deutlich unter zwei Grad Celsius liegen, und 30 Prozent würden 1,5 Grad-Ziele benötigen. Dies steht im Vergleich zu den heutigen Werten von acht und sieben Prozent.