Initiative für eine soziale Taxonomie
Künftig sollen Finanzinvestitionen von Unternehmen auch anhand sozialer Kriterien bewertet werden. Dazu hat eine Arbeitsgruppe der Sustainable Finance Platform der Europäischen Kommission nun einen Entwurf für eine „Soziale Taxonomie“ vorgestellt. Dieser soll die grüne Taxonomie ergänzen, die einen Kriterienkatalog für klimaverträgliche Investitionen und Wirtschaftsaktivitäten von Unternehmen vorgibt.
14.07.2021
Ziel der Sozialen Taxonomie ist es, Finanzinvestitionen zusätzlich an ihrem Beitrag zur Einhaltung der Menschenrechte und anderen sozialen Grundbedürfnissen von Unternehmen auszurichten.
Das Südwind-Institut, Brot für die Welt und Misereor begrüßen, dass der Vorschlag konkrete Anforderungen für die Vergleichbarkeit von sozialen Investitionen formuliert. Damit wird eine Lücke in der bisherigen Regulierung von Finanzinvestoren geschlossen, da sich die grüne Taxonomie „nur“ auf Umwelt- und Klimakriterien bezieht. Die drei Organisationen begrüßen ausdrücklich die Vorschläge, als Basis für die Nachhaltigkeits-Bewertung künftig auch internationale und europäische Menschenrechts- und Sozialstandards, die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) heranzuziehen. Positiv hervorzuheben ist der geplante Ansatz, die Interessen aller Anspruchsgruppen – Belegschaft, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie betroffene Gemeinden gleichberechtigt zu bewerten.
„Dieser mehrdimensionale Ansatz macht eine Lenkung der Finanzströme hin zu Unternehmen, die ihre menschenrechtliche Verantwortung wirklich ernst nehmen sowie zu sozial positiven Produkten und Dienstleistungen erst möglich”, urteilt Ulrike Lohr, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Südwind. „Bislang ist das „S“ bei Nachhaltigkeitsbewertungen durch ESG-Research Agenturen der Bereich, der zu den widersprüchlichsten Ergebnissen kommt. Hier einen EU-weiten Standard zu setzen ist ein großer Fortschritt für die Lenkung von Finanzströmen hin zu einer grünen UND sozialen Transformation”, so Lohr.
„Die Soziale Taxonomie birgt großes Potential für besonders marginalisierte Menschen in Ländern des Globalen Südens. Die Aktivitäten der Unternehmen werden nicht nur danach beurteilt, ob Schaden abgewendet wird, sondern es werden auch Beiträge für inklusive und nachhaltige Gemeinschaften messbar“, urteilt Jutta Albrecht, Referentin Ethisches Investment von Brot für die Welt. „Doch wie die Autorinnen und Autoren des Berichts selbst anmerken, ist die Gefahr groß, dass Unternehmen versuchen werden, einzelne philanthropische Projekte bereits als positiven Beitrag für mehr Nachhaltigkeit lokaler Gemeinschaften zu verkaufen und andere schädliche Geschäftspraktiken unangetastet zu lassen. Hier werden wir sehr genau hinschauen, wie die soziale Taxonomie der Gefahr des „social washings“ begegnen wird.“
„Nachbessern muss die EU-Kommission auch bei den Vorschlägen zu guter nachhaltiger Betriebsführung” merkt Dr. Klaus Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor an. „Kriterien wie die Umsetzung von Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung sowie mehr Transparenz bei Steuerzahlungen sollten nicht dazu dienen, dass Unternehmen nur durch ihre Pflicht zur Einhaltung bestehender Gesetze bereits zusätzlich Punkte sammeln. Hier ist die EU wie auch die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie sich für die soziale Taxonomie qualifizieren oder nicht, stärker zur Verantwortung zu ziehen und Verstöße auch zu ahnden.“
Südwind, Brot für die Welt und Misereor fordern die EU dazu auf, den Entwurf nach dem Konsultationsprozess zügig umzusetzen und eine soziale Taxonomie die den Namen auch verdient, in EU-Gesetz umzuwandeln.
Den Bericht können Sie hier abrufen.