Einkauf neu gedacht: Wie ESG den Unterschied macht
Unternehmen weltweit erkennen zunehmend: Umwelt-, soziale und Governance-Standards (ESG) sind längst mehr als ein notwendiges Geschäftsziel. Nachhaltigere Geschäftspraktiken und ESG-Initiativen können auch ein Katalysator für langfristigen Erfolg sein. Die Herausforderung besteht jedoch darin, alle Geschäftstätigkeiten vollständig an ESG-Prinzipien auszurichten – und das ist kein leichtes Unterfangen. Führungskräfte fühlen sich schnell überwältigt, wenn sie ihr gesamtes Unternehmen generalüberholen müssen, um diesen neuen Erwartungen gerecht zu werden.
27.11.2024
Von Wolfgang Eckert, Country Manager Amazon Business Germany
Unternehmen, die ihre ESG-Ziele effektiv vorantreiben wollen, müssen dabei zunächst identifizieren, welche Geschäftsbereiche den größten Einfluss haben und diese als Startpunkt nutzen. Bis zu 90 Prozent des ökologischen Fußabdrucks eines Unternehmens hängen mit seinen Lieferketten zusammen – deshalb lohnt es sich, den Einkauf zur Priorität zu machen.
Derzeit treten viele neue Gesetze in Kraft, die Unternehmen zur Annahme und Umsetzung von ESG-Zielen verpflichten. In der EU etwa müssen Institutionen der öffentlichen Hand inzwischen Umwelt- und soziale Faktoren in ihre Einkaufsentscheidungen einbeziehen – wer das nicht tut, riskiert rechtliche Konsequenzen. Dies bedeutet auch für Deutschland Veränderungen, etwa durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder die EU-Offenlegungsverordnung (SFRD). Unternehmen sollten solche Gesetze jedoch nicht als Hindernis betrachten – und genauso wenig sollten gesetzliche Verpflichtungen der einzige Motivator für nachhaltigere Geschäftsentscheidungen sein.
Das Bewusstsein für und die Einforderung von sozial verantwortlichem Handeln nimmt dabei stetig zu. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Kantar aus dem Jahr 2022 zeigt: Für drei Viertel (74 Prozent) der Deutschen beeinflusst das ESG-Engagement von Marken inzwischen die Kaufentscheidung. Parallel dazu zeigt die Forschung, dass nachhaltigere Entscheidungen im Einkauf den Markenwert um 15 bis 30 Prozent steigern können. ESG in den Einkauf zu integrieren, ist also nicht nur die ethisch und rechtlich richtige Entscheidung – sondern auch eine unternehmerische Chance. Einfach ausgedrückt: Unternehmen, die ESG implementieren, haben viel zu gewinnen – und nicht zuletzt einen Wettbewerbsvorteil.
Unternehmen wehren sich gegen den Wandel
Die Integration von ESG in den Einkauf bringt aber auch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Widerstand kann überall im Unternehmen entstehen, aber vor allem im budgetfokussierten mittleren Management. Deswegen müssen Beschaffungsleiter:innen die Unterstützung der oberen Führungsebene gewinnen – zum Beispiel, indem sie ihnen den Mehrwert zeigen, den ESG schaffen kann. Mit effizienten Prozessen und dem damit einhergehenden positiven Wandel können sie dann weitere Anwender:innen ins Boot holen. Doch dieser Wandel geschieht weder über Nacht, noch können einzelne Personen ihn allein zustande bringen. Stattdessen braucht es einen Kulturwandel, der ganz oben im Unternehmen beginnt und einen operativen Wandel auf allen Ebenen auslöst. Damit lassen sich Stakeholder überall im Unternehmen motivieren, etablierte Geschäftspraktiken und die veraltete Unternehmenskultur zu überwinden und in die Zukunft zu gehen.
Von oben nach unten: ESG als Business-Case
Die Unterstützung der oberen Führungsebenen ist entscheidend, wenn eine Veränderung herbeigeführt werden soll – sowohl in der Unternehmenskultur als auch in den Arbeitsprozessen. Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei der finanzielle Aspekt: Die Forschung zeigt, dass die Umsetzung von ESG-Zielen den Cashflow steigern kann. Ein nachhaltigeres Angebot kann Unternehmen Zugang zu neuen Kund:innen ermöglichen – und schafft darüber besseren Zugang zu Ressourcen: Mit nachhaltigerem Handeln stärken Unternehmen zudem auch ihre lokalen Beziehungen. Die Forschung zeigt darüber hinaus, dass ESG-konformes Handeln das Purpose-Empfinden im Unternehmen und damit die Produktivität unter den Beschäftigten steigern sowie neue Talente anziehen kann.
Von unten nach oben: Operativen Wandel herbeiführen
Gleichzeitig ist es wichtig, die Endnutzer:innen von den Vorteilen von ESG zu überzeugen. Widerstände lassen sich gut überwinden, wenn die notwendige neue Infrastruktur übergangslos implementiert wird. Dies lässt sich zum Beispiel über die Einführung neuer Einkaufskriterien erreichen – so wird die Auswahl kleiner und ggf. leichter und alle Einkäufe sind ESG-konform.
Im öffentlichen Sektor ist dies besonders wichtig: Wo Institutionen einkaufen, hat vor Ort direkten Einfluss auf das wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Wohlergehen. In Deutschland sind Unternehmen etwa durch das Lieferkettengesetz in der Verantwortung, die Wahrung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen.
Ein Beispiel dafür, wie Institutionen Unternehmen auf lokaler Ebene unterstützen können, zeigt sich im Vereinigten Königreich: Nach der Corona-Pandemie hat dort ein Gemeinderat gemeinsam mit ortsansässigen Unternehmen einen Ansatz für mehr soziale Wertschöpfung entwickelt. Ein entscheidender erster Schritt war hier, Einkaufsentscheidungen von unten nach oben zu analysieren.
Es liegt in der Natur des öffentlichen Sektors, dass Institutionen im Einkauf große Ausgaben bewältigen müssen, wenn viele Personen gleichzeitig verschiedene Artikel benötigen: Vom IT-Equipment für die Büros über Medizinartikel für Gesundheitszentren bis hin zu Büchern für die örtlichen Bibliotheken. Dies führte in der Vergangenheit oft dazu, dass die Verantwortlichen sich einfach für die preisgünstigste Option entschieden – oft mit internationalem Transportweg oder nicht nachhaltigem Verpackungsmaterial. Das war mit den Werten der lokalen Gemeinde nicht vereinbar.
Mithilfe von Amazon Business konnte der Gemeinderat Filter im Einkaufsprozess einsetzen, die lokale Anbieter:innen hervorheben. So bleibt das Geld vor Ort in der Gemeinde, ohne dass der Preis aus dem Blick gerät. Mit der „Buy Local“-Option unterstützt der Gemeinderat Unternehmen vor Ort. Die Maßnahme hat doppelten Einfluss auf die ESG-Ziele der Gemeinde: Durch den lokalen Einkauf fallen weniger Transportwege an – und das reduziert den CO2-Fußabdruck.
Dieser Bottom-up-Ansatz funktioniert in verschiedenen Sektoren. Ähnlich der „Buy Local“-Option bietet Amazon Business Funktionen, um den Einkauf umweltverträglicherer Produkte zu stärken: Unternehmen können ihre Suchanfragen einfach filtern und so Händler:innen und Produkte identifizieren, die zu ihren Nachhaltigkeitszielen passen – ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand. So kann beispielsweise sichergestellt werden, dass Waren des täglichen Gebrauchs wie Kaffee und Papier von Unternehmen bezogen werden, die nachhaltigere Verpackungsoptionen anbieten.
Wenn die Einkaufsabteilungen motiviert werden, den Wandel mitzutragen, ermutigt dies auch das mittlere Management – denn so lässt sich zeigen: ESG muss keine negativen Auswirkungen auf die stets knappen Haushalte haben.
Das ESG-Zeitalter mit offenen Armen empfangen
Die Unternehmenslandschaft befindet sich im Wandel – und die Einbindung von ESG-Prinzipien im Einkauf ist nicht nur ethisch, sondern auch strategisch notwendig. Unternehmen, die diese Entwicklung verpassen, riskieren den Anschluss zu verpassen, während die gesetzlichen Anforderungen und Erwartungen von Kund:innen steigen. Durch die Priorisierung von ESG können Unternehmen den Ruf ihrer Marke stärken, Kosten reduzieren und langfristig resilienter werden. Sie erfüllen nicht nur neue gesetzliche Anforderungen, sondern sichern sich Erfolg in einer Welt, in der Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung immer stärker in den Mittelpunkt rücken.