De omnibus dubitandum
„An allem ist zu zweifeln“ – dieses Motto scheint derzeit die Haltung der EU-Kommission zu ESG-Themen zu beschreiben. Mit dem sogenannten „Omnibus-Plan“ soll jedoch Klarheit geschaffen werden. Doch worum genau handelt es sich dabei?
22.01.2025
Der sogenannte „Omnibus-Plan“ der Europäischen Kommission, angekündigt von Ursula von der Leyen im November 2024, zielt darauf ab, die ESG-Berichtspflichten (Environmental, Social, Governance) für Unternehmen in der EU zu vereinfachen und zu harmonisieren. Aktuell müssen Unternehmen zahlreiche Berichte gemäß unterschiedlicher Regelwerke wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und der EU-Taxonomie-Verordnung vorlegen. Diese Anforderungen sind häufig redundant oder überschneiden sich, was insbesondere für kleinere und mittelständische Unternehmen einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeutet. Der Omnibus-Plan soll Abhilfe schaffen, indem die bestehenden Vorschriften konsolidiert und überflüssige Datenanforderungen reduziert werden, ohne dabei die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele der EU zu gefährden.
Ein Kernziel des Plans ist es, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken, indem die Bürokratie erheblich reduziert wird. Im Rahmen der Budapester Erklärung zum „Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit“ hat sich die Kommission dazu verpflichtet, die Berichtspflichten bis Mitte 2025 um mindestens 25 Prozent zu senken. Ein zentraler Ansatzpunkt wird dabei die Harmonisierung der Berichtsformate und -anforderungen sein. Einheitliche Standards sollen sicherstellen, dass Unternehmen ihre ESG-Daten effizienter erfassen und melden können. Auch die Einführung eines zentralisierten digitalen Berichtsportals wird in Betracht gezogen, um Prozesse zu automatisieren und den Verwaltungsaufwand zu verringern.
Die geplante Vereinfachung birgt jedoch Herausforderungen. Zum einen könnte es schwierig sein, die umfangreichen und vielfältigen Anforderungen der bestehenden ESG-Vorschriften in einem einzigen konsolidierten Rahmen zusammenzuführen. Die Berichterstattung umfasst Themen wie CO2-Emissionen, Menschenrechte und Lieferketten, die alle spezifische und oft detaillierte Anforderungen mit sich bringen. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Harmonisierung wichtige Details und Nuancen der bisherigen Regelungen verwässert. Insbesondere Mitgliedstaaten mit strengeren Standards könnten die Initiative kritisch betrachten und befürchten, dass ihre nationalen Vorgaben abgeschwächt werden.
Auch die Unternehmen selbst stehen vor Anpassungsaufwänden. Obwohl sie langfristig von einem vereinfachten System profitieren könnten, erfordert die Umstellung auf ein neues Berichtswesen kurzfristig Ressourcen und Investitionen. Gleichzeitig müssen die Erwartungen von Investoren und anderen Stakeholdern erfüllt bleiben, die verstärkt auf detaillierte und transparente ESG-Berichterstattung setzen.
Besonders der Mittelstand, der oft weniger Kapazitäten zur Bewältigung komplexer Berichtspflichten hat, könnte von den Maßnahmen profitieren. Eine klarere Struktur, weniger Überschneidungen und eine Verringerung des Verwaltungsaufwands würden diesen Unternehmen erheblich zugutekommen. Insgesamt bietet der Omnibus-Plan die Chance, die Nachhaltigkeitsagenda der EU praktikabler und effizienter zu gestalten, ohne dabei die hohen Standards und Ambitionen der Union zu gefährden. Die tatsächlichen Auswirkungen und der Erfolg des Plans hängen jedoch davon ab, wie er konkret ausgestaltet und umgesetzt wird. Unternehmen sollten die Entwicklungen genau beobachten, um frühzeitig ihre Prozesse anzupassen und die Vorteile der Vereinfachung voll auszuschöpfen.