EFRAG ESRS Q&As zusammengefasst
Die „Compilation of Explanations“ von Januar bis November 2024 gibt einen Überblick über Fragen und Erläuterungen im Zusammenhang mit den Europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS). Diese Standards betreffen große börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen in der EU. Hier ist eine ausführliche Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:
22.01.2025
Struktur und Zielsetzung der ESRS
Die ESRS wurden entwickelt, um große börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Diese Standards verpflichten Unternehmen dazu, ihre Nachhaltigkeitsstrategie und deren Auswirkungen in verschiedenen Bereichen wie Klimaschutz, Arbeitsbedingungen und Unternehmensführung offenzulegen.
Das neue Dokument bündelt über 150 Erklärungen und behandelt zentrale Themen wie die Materialitätsbewertung, die Auslegung verpflichtender und freiwilliger Berichtsanforderungen sowie technische Details zur Datenerfassung. Ziel ist es, den Unternehmen eine praxisnahe Unterstützung zu bieten und die Einhaltung der Standards zu erleichtern.
Pflichten und Freiheiten: Was Unternehmen berichten müssen
Eine zentrale Unterscheidung der ESRS betrifft verpflichtende und freiwillige Offenlegungen. Der Begriff „shall disclose“ kennzeichnet verpflichtende Angaben, wie etwa den Anteil von Menschen mit Behinderungen unter den Beschäftigten, sofern dies rechtlich möglich ist. „May disclose“ hingegen bezeichnet freiwillige Angaben, die zwar empfohlen werden, aber nicht zwingend erforderlich sind. Ein Beispiel hierfür wäre die zusätzliche Geschlechteraufteilung innerhalb der Gruppe der Mitarbeitenden mit Behinderungen.
Die Materialitätsbewertung ist ein weiteres Kernelement der Standards. Unternehmen sind verpflichtet, sowohl negative als auch positive Auswirkungen ihrer Tätigkeiten zu bewerten. Bemerkenswert ist, dass auch Themen, die ausschließlich potenzielle positive Auswirkungen haben, als wesentlich eingestuft werden können. So könnte ein innovatives, umweltfreundliches Produkt trotz fehlender negativer Aspekte als berichtspflichtig gelten.
Klimaschutz und Umweltmanagement
Die Offenlegung von Treibhausgasemissionen, einschließlich der Emissionen in Scope 1, 2 und 3, steht im Mittelpunkt der Umweltthemen. Unternehmen müssen zudem Ziele und Fortschritte bei der Reduktion dieser Emissionen offenlegen. Besondere Herausforderungen bestehen bei der Erfassung von Daten in globalen Lieferketten.
Ein weiteres Thema ist der Umgang mit Wasserressourcen. Unternehmen werden dazu angehalten, detaillierte Informationen über ihren Wasserverbrauch sowie Maßnahmen zum Schutz von Wasserressourcen bereitzustellen. Dies gilt sowohl für den eigenen Betrieb als auch für die vorgelagerte Wertschöpfungskette.
Arbeitsbedingungen und soziale Verantwortung
Im sozialen Bereich fordern die ESRS detaillierte Angaben zu Arbeitsbedingungen, Diversität und Inklusion. Ein Beispiel ist die Offenlegung des Anteils von Frauen, Menschen mit Behinderungen oder anderer benachteiligter Gruppen in der Belegschaft. Unternehmen müssen dabei oft rechtliche und kulturelle Gegebenheiten berücksichtigen, die die Datenerhebung erschweren können. Auch die Menschenrechte stehen im Fokus: Unternehmen müssen darlegen, wie sie mit betroffenen Gemeinschaften interagieren und potenzielle Menschenrechtsverletzungen vermeiden.
Governance: Unternehmensführung und Korruptionsprävention
Die Governance-Aspekte der ESRS zielen darauf ab, Transparenz in der Unternehmensführung zu schaffen. So sollen Unternehmen etwa offenlegen, wie Nachhaltigkeitsthemen in die Entscheidungsprozesse von Management und Aufsichtsräten integriert werden. Darüber hinaus wird von Unternehmen erwartet, dass sie Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung dokumentieren und relevante Vorfälle melden.
Herausforderungen: Von Datenqualität bis Lieferkettenmanagement
Die Umsetzung der ESRS stellt viele Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Zum einen sind die Standards komplex und erfordern eine hohe Granularität der berichteten Daten. Zum anderen stellt die Beschaffung von Informationen aus globalen Lieferketten eine besondere Schwierigkeit dar. In vielen Fällen fehlen belastbare Daten, oder die Daten müssen geschätzt werden – eine Praxis, die jedoch strengen Kriterien unterliegt. Ein weiterer Knackpunkt ist die Einführung neuer IT-Systeme und Prozesse, um die Berichterstattung zu standardisieren. Für kleinere Unternehmen oder solche mit begrenzten Ressourcen könnte dies zu einem erheblichen Aufwand führen.
Beispiele aus der Praxis
Die Anwendung der ESRS wird durch konkrete Beispiele illustriert:
- Materialität positiver Auswirkungen: Ein Unternehmen, das ein besonders umweltfreundliches Produkt entwickelt, könnte verpflichtet sein, dessen potenzielle positive Auswirkungen auf die Umwelt zu berichten – auch wenn keine negativen Auswirkungen bestehen.
- Wasserverbrauch in Lieferketten: Wenn ein Unternehmen feststellt, dass der Wasserverbrauch in seiner Lieferkette wesentlich ist, obwohl die ESRS hierfür keine spezifischen Metriken vorsehen, muss es eigene, unternehmensspezifische Metriken entwickeln.
- Schätzungen und Datenqualität: Ein Produktionsunternehmen, das den Wasserverbrauch seiner Hauptanlagen präzise misst, kann für kleinere Niederlassungen Schätzungen verwenden. Diese müssen jedoch klar dokumentiert und transparent kommuniziert werden.