Nachhaltigkeit gestalten, beteiligen, messen
Die betrieblichen Abläufe an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen werden auch durch den Umgang mit Nachhaltigkeit geprägt. Unter der Prämisse „Gestalten – Beteiligen – Messen“ diskutierten etwa 100 Teilnehmer(innen) beim 2. Forum N der FU Berlin Zugänge, Ansätze und Gestaltungsmöglichkeiten für nachhaltige Entwicklung. Eine zentrale Rolle spielten dabei Instrumente und Methoden für die Motivation und Beteiligung aller Akteure.
06.05.2014
Prof. Dr. Jens Pape von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zeigte in seinem Vortrag das breite und facettenreiche Spektrum von Nachhaltigkeitsansätzen und -strukturen auf. Nachhaltige Entwicklung sei ein Prozess, der als strategische Querschnittsaufgabe angegangen und kontinuierlich betrieben werden müsse und sich unterschiedlichsten gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen zu stellen habe. Für Hochschulen sei Nachhaltigkeit keine Nische, so Pape, sondern ließe sich „quer in der Lehre curricular verankern“.
Prof. Dr. Peter Schmuck von der Universität Göttingen arbeitete aus psychologischer Sicht Bedingungen heraus, unter denen die Motivation von Akteuren gelingen kann: Für jede Veränderung sei es wichtig, so genannte „Funkensprüher“ zu gewinnen – Menschen, die für ihr Thema, die Nachhaltigkeit, brennen. Ohnehin fördere Engagement für Nachhaltigkeit auch individuelles Wohlbefinden: „Es macht Spaß und Freude, sich hierfür zu engagieren“, so Schmuck. Anhand von Praxisbeispielen aus dem kommunalen Bereich illustrierte Schmuck, wie man von der Motivation zu einer Vision hin zu Projekten gelangen und schließlich auf Basis guter Projekte Strukturen schaffen kann, welche eine nachhaltige Gesellschaft ermöglichen.
Wie die beiden Akteure in diesem Streitgespräch kam auch Dr. Dominik Brem (ETH Zürich) zum Thema Partizipation zu dem Fazit: es brauche beide Ansätze, sowohl Top-down als auch Bottom-up. In diesem Zusammenhang wies er auf die strategische Einbettung von Nachhaltigkeit an der ETH Zürich sowie auf konkrete, partizipativ angelegte Nachhaltigkeitsprojekte hin. Konsequenterweise sei einerseits Nachhaltigkeit seit 2008 Chefsache: „ETH Sustainability“ sei direkt dem Präsidenten unterstellt und werde durch einen Lenkungsausschuss inhaltlich geleitet. Andererseits stünden die
zahlreichen partizipativen Aktivitäten unter den Prämissen Selbstbestimmung, Motivation durch Freiwilligkeit, Innovation und Reaktion auf bestimmte Bedürfnisse.
Professor Dr. Klaus Helling beschrieb die Partizipation von Studierenden im Nachhaltigkeitsmanagement des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier. Mit dem Leitgedanken „Leben in unserem akademischen Dorf“ seien die Studierenden sehr eng mit dem Credo aus der Gründung des Umwelt‐Campus Birkenfeld im Jahre 1994 verbunden, auf umweltschonende, nachsorgende und ökonomische Gestaltung des Stoffkreislaufs besonderen Wert zu legen. Nachhaltigkeitsberichte werden seinen Ausführungen zufolge seit 2011 von studentischen Teams im Rahmen von Projekten im Masterstudiengang „Umwelt‐ und Betriebswirtschaft“ erstellt und kontinuierlich weiterentwickelt; die Ausgabe 2013/2014 ist angekündigt.
Andreas Wanke (Freie Universität Berlin) beleuchtete unterschiedliche Motive, Ziele und Levels von Partizipation im Nachhaltigkeitsmanagement, die letztlich den Erfolg von Beteiligungsprozessen prägten. Wanke stellte den Partizipationsansätzen des bisherigen Energie- und Umweltmanagements jene des künftigen Nachhaltigkeitsmanagements an der Freien Universität Berlin gegenüber. Eine besondere Rolle spielte dabei die von Felix Grosse-Kreul (Politikstudent an der Freien Universität Berlin) vorgestellte Nachhaltigkeitsinitiative - Sustain It! –, in der sich Studierende und Mitarbeiter(innen) der Freien Universität seit 2010, koordiniert durch das Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU), gemeinsam für Nachhaltigkeit engagieren. Routine sei der Feind der Kreativität – und so facettenreich und vielfältig gestalteten sich daher auch die Aktionen, mit denen die Initiative „Alternativen zu aktuellen Gewohnheiten schaffen und Dialoge initiieren“ wolle: von UniGardening über Kochaktionen und World Café, Aktionstheater und Science Slam, Stromlosparty und Umsonstladen bis hin zur fächerübergreifenden Ringvorlesung.
Nachhaltige Entwicklung im Spagat zwischen Kosten-Nutzen-Zwängen und der Chance zur Profilierung aus Sicht der Hochschulleitungen diskutierten die Kanzler Peter Lange (Freie Universität Berlin), Claas Cordes (Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, HNEE) und Dietmar Smyrek (Technische Universität Braunschweig) in einer Podiumsrunde. Finanzieller Druck unterstütze ebenso wie die systematische Suche nach ökologischen und ökonomischen Win-Win-Situationen die Entstehung von Nachhaltigkeitsaktivitäten, allerdings bedürfe es auch der Bereitschaft zu Innovationen und des Mutes zu strukturellen Veränderungen.
Dr. Monique Wölk (Universität Greifswald) stellte die nachhaltige Entwicklung der Universität anhand des Weges zur Klimaneutralität dar. Hierfür beleuchtete sie die Themen Strom, Wärme, Transport und Beschaffung und das vielfältige Aktivitätsspektrum der Universität auf diesen Feldern. Dazu zähle die Senkung der Emissionen infolge von Dienstreisen; weitere Optionen seien das Vermeiden von Flugreisen mit weniger als 800 Kilometern, eine Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer oder die Beteiligung am Car-Sharing. Die Universität besitze etwa 3.000 Hektar Wald. Dieser solle durch neue Formen der Bewirtschaftung sein Kohlendioxid-Senkungspotenzial erhöhen und den Weg zur Klimaneutralität ebnen.
Laura Gouverneur (Hochschule Esslingen) berichtete über ihre Analysen zur aktuellen Nachhaltigkeitsberichterstattung an deutschen Hochschulen. Sie identifizierte verschiedene Gründe für die bisher geringe Anzahl hochschulischer Nachhaltigkeitsberichte: Es bestehe keine Berichtspflicht und gebe keinerlei gesetzliche Regularien. Es bestehe ein Mangel an Expertise und gebe große Unsicherheit bezüglich „richtiger Vorgehensweise” – großer Aufwand ohne standardisierte Instrumente. Vor der Prämisse einer Vergleichbarkeit und der Abbildung eines Zielabgleichungssystems identifizierte sie explizite Qualitätskriterien von Nachhaltigkeitsberichten im Hochschulkontext.
Dr. Burkhardt Kühnemann vom Institut für Umwelttechnik aus Hannover mahnte ein höheres Veränderungstempo an. Die Berücksichtigung der Umweltmanagement-Norm EMAS könne eine wichtige Unterstützung beim Aufbau eines systematischen Nachhaltigkeitsmanagements sein. Entscheidend für die erfolgreiche Gestaltung von Lern- und Veränderungsprozessen sei aber die Berücksichtigung der spezifischen institutionellen Vorraussetzungen und Möglichkeiten. Aus Sicht des Gutachters liege häufig ein großer Fokus auf Themen wie Energie(-kosten), Wasserverbrauch oder Versiegelung von Flächen, sodass andere Nachhaltigkeitsaspekte, etwa die Berücksichtigung globaler Gerechtigkeit häufig nicht die angemessene Beachtung fänden. Hochschulen hätten vielfältige und lohnenwerte Ansatzpunkte, Nachhaltigkeitsaktivitäten zu entwickeln, betonte er.
Kanzler und Studenten, Wissenschaftler und Absolventen, Gutachter und technische Leiter von Hochschulen kamen in unterschiedlichen Tagungsformaten zu Wort. „Es gibt keinen Königsweg“ – war das einhellige Ergebnis der Diskussionen und Referate. Kommunikation, Beteiligung und Toleranz gehörten zu den weichen Erfolgsfaktoren, die
Nachhaltigkeitsprojekte an Hochschulen gelingen ließen. Aber auch konkrete Aspekte des Hochschulbetriebs wie Nachhaltige Beschaffung, Kohlendioxid-Bilanzierung, Veranstaltungsorganisation sowie der Einfluss von Urban Gardening auf nachhaltige Flächenbewirtschaftung im hochschulischen und städtischen Raum fanden ein Forum für den Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.