Unternehmenskultur

Wertebasierte Führung – ein Muss für zukunftsfähige Unternehmen

Warum wertebasierte Führung gerade in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und hohem Innovationsdruck so wichtig ist und wie sich wertebasierte Führung im Unternehmensalltag zeigt.

03.07.2018

Wertebasierte Führung – ein Muss für zukunftsfähige Unternehmen

Dies ist Teil drei der Serie zu Werten, Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit. In den  vorangegangenen Beträgen wurde dargestellt,

  • dass die Unternehmenskultur ein fundamentaler Treiber von organisationaler und finanzieller Leistung ist,
  • dass die Kultur über Werte abgebildet werden kann und deren Messung am Anfang eines strukturierten Prozesses steht, der Unternehmen dabei unterstützt, ihre Veränderungs- und Zukunftsfähigkeit von innen heraus zu stärken.

Der vorliegende Teil beleuchtet die hohe Bedeutung der Führungskräfte im Prozess des Kulturwandels. Konkret gehen wir auf die Fragen ein, warum wertebasierte Führung gerade in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und hohem Innovationsdruck so wichtig ist und wie sich wertebasierte Führung im Unternehmensalltag zeigt.

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Der permanente Wandel

Unternehmen müssen sich schneller verändern als je zuvor. Sie stehen zunehmend im Wettbewerb mit neuen Anbietern, die mit ihren digitalen Angeboten rasch die Märkte erobern oder gleich ganze Branchen umkrempeln.

Von Führungskräften und Teams ist daher noch mehr Flexibilität, Offenheit und Kollaboration gefordert. Flache Hierarchien stehen nicht nur für weniger Hierarchielevels, sondern vor allem für das Teilen von Wissen. Neue Konzepte wie Agile, Scrum, Design Thinking oder Working out loud erfreuen sich zunehmender Beliebtheit – während das Kerngeschäft weiterhin im Rahmen klassischer Strukturen und Prozesse abläuft.

Diese Grobskizze der neuen unternehmerischen Realität lässt bereits ahnen, in welchem Spannungsfeld Führungskräfte heute wirken. Beide Unternehmenswelten erfordern ein unterschiedliches Selbstverständnis von Führung sowie unterschiedliche Haltungen, die sich natürlich auch auf Verhaltens- und Kommunikationsweisen auswirken. Dieser tägliche Spagat bringt viele an die Grenzen der Belastbarkeit. Zugleich gilt: Ohne Führung wird es auch in Zukunft nicht gehen – sie wird jedoch anders und viel flexibler sein.

Werte als Ankerpunkt

Gerade darum sind Führungskräfte heute mehr denn je auf einen inneren Anker angewiesen, der es ihnen ermöglicht, ihren unterschiedlichen Rollen gerecht zu werden und zugleich authentisch zu bleiben. Hier kommen ihre individuellen Werte ins Spiel.

Führungskräfte, die sich ihrer persönlichen Werte bewusst sind, kennen ihre eigenen Bedürfnisse und haben gelernt, damit umzugehen. Das ermöglicht ihnen gerade in Zeiten umwälzender Veränderungen eine wirksame Selbststeuerung, denn sie wissen, was ihnen wichtig ist und sie können einordnen, wenn bestimmte Situationen starke emotionale Reaktionen in ihnen hervorrufen.

Das Bewusstsein für und die Orientierung an ihrem inneren Kompass macht diese Führungskräfte zu Persönlichkeiten, deren Kommunikations- und Verhaltensweisen von emotionaler Balance und sozialer Intelligenz geprägt sind. Peter Senge nannte diese Art der wirksamen Selbststeuerung "Personal Mastery".

Der vermeintlich "sachorientierte" Leser mag diese Aspekte für weichgespülte Rhetorik halten. Tatsache ist, dass gerade jene Skills, die ein bewusstes, gesundes Verhältnis zu sich selbst und anderen fördern, ein zuverlässiger Indikator für herausragende Führungsleistungen sind. Dieser Zusammenhang zeigt sich umso stärker, je weiter eine Führungskraft in der Organisation nach oben klettert. Warum das so ist, erklärt nachfolgender Kurzfilm der Harvard Business School.

Wir sehen: Auf der Ebene der C-Suite erklärt emotionale und soziale Intelligenz zu 90 Prozent den Unterschied zwischen Top-Performern und allen anderen.

Der Weg zur Führungspersönlichkeit

Wer anhand seines inneren Kompass gelernt hat, sich selbst mit hoher "Personal Mastery" zu führen, ist auch für das Team, die Kollegen und die Organisation eine Bereicherung – eine authentische Persönlichkeit.

Im nächsten Schritt kommt das Bewusstsein für den Sinn und Zweck des eigenen Tuns. Dabei helfen Fragen nach der Kernmotivation, beispielsweise anhand von Übungen aus dem Handbuch "Get Connected" des Barrett Values Centre. Nachfolgend ein Beispiel.
Die Übung sollte paarweise durchgeführt werden und beginnt mit der Vervollständigung des Satzes: "Ich komme jeden Tag zur Arbeit bei (Firma ...), weil ich möchte, dass ..." Partner B schreibt mit, stellt weitere Fragen und schreibt wiederum auf, was A sagt. Gute Fragen sind z. B.:

  1. Wozu möchtest du ...?
  2. Was ist Dir dabei besonders wichtig?
  3. Welche Überzeugung liegt dem zugrunde? Welche positive Absicht steckt dahinter?
  4. Wozu ist das wichtig für dich? Welchem höheren Zweck dienst du damit, dass du ...?
  5. Was möchtest du dadurch, dass du ... tust, erreichen, das noch wichtiger ist?

Dieser Prozess wird so lange weitergeführt, bis beide Partner den Eindruck haben, dass die Antworten erschöpfend sind. Die Übung hilft den Beteiligten herauszufinden, was ihnen selbst – jenseits von Geldverdienen – bei der Arbeit wichtig ist, was sie im tiefsten Inneren motiviert und wie beides zusammenhängt.

Das Barrett-Modell der 7 Ebenen für wertebasierte Führung

Unsere Werte sind der Spiegel unserer Bedürfnisse. Wessen wir in einer bestimmten Phase unseres Lebens am meisten bedürfen, das "wert"-schätzen wir.

Bei der Entwicklung der eigenen Individualität geht es darum, sich selbst noch besser kennenzulernen und mit seinen persönlichen Werten in Verbindung zu sein.
Dabei helfen Assessments wie etwa der kostenlose Onlinetest "Personal Values Assessment" des Barrett Values Centre. Er zeigt nicht nur die zehn wichtigsten persönlichen Werte eines Menschen, sondern deckt auch Stärken und Potentiale der persönlichen Weiterentwicklung auf, indem er die Werte sieben Bewusstseinsebenen zuordnet.

Das Modell der sieben Bewusstseinsebenen.

Die ersten drei Bewusstseinsebenen beziehen sich auf unser Eigeninteresse: Hier geht es um die Befriedigung unserer Bedürfnisse nach Sicherheit, Liebe und Zugehörigkeit, aber auch nach Zufriedenheit mit uns selbst.

Stehen in der aktuellen Lebensphase physische und Überlebensbedürfnisse im Vordergrund, wird das an Werten wie "finanzielle Stabilität" oder "Gesundheit" sichtbar (Ebene eins). Sind gute Beziehungen zu anderen ein besonders wichtiges Thema, sind Werte wie "Familie" oder "Respekt", die mit Zugehörigkeit und menschlichem Miteinander zu tun haben, in der engeren Wahl (Ebene zwei). Ist die Selbstachtung ein Thema, geht es darum, mit sich selbst zufrieden zu sein, wichtige Aspekte im Leben positiv zu gestalten, äußert sich dies in Werten wie "Kompetenz" oder "Selbstvertrauen" (Ebene drei). 

Jenseits der Angst

Wenn die Bedürfnisse auf den ersten drei Ebenen nicht befriedigt sind, empfinden wir Angst. Diese Angst äußert sich in potenziell limitierenden Werten wie Vorsicht, Kontrolle, Eifersucht, Macht und Status. Die Summe dieser potenziell limitierenden Werte kennzeichnet die persönliche Entropie eines Menschen (s. u.).
Der Schwerpunkt der vierten Ebene, Transformation, hängt mit der Überwindung der Angst zusammen. Wir bauen ein Bewusstsein für unsere innere Stimme auf und wir entscheiden uns bewusst dafür, zu wachsen. Typische Werte hierzu: lebenslanges Lernen, persönliche Weiterentwicklung.

Die Bewusstseinsebenen fünf bis sieben beschreiben Bedürfnisse, in denen es um Gemeinwohl und Sinn geht. Letzteren bringen wir dadurch zum Ausdruck, dass wir uns darum bemühen, unsere Welt ein bisschen besser zu machen und uns für ein größeres Ganzes einzusetzen. Wenn diese Bedürfnisse erfüllt sind, führt das zu hoher Motivation und Engagement. Typische Werte auf Ebenen fünf bis sieben lauten: Authentizität, Leidenschaft, Integrität, Empathie, Wohlbefinden, Ethik, Umweltschutz.

Das Modell verdeutlicht: Wenn sich unsere Bedürfnisse im Laufe des Lebens verändern, ändern sich auch unsere Werte. Auch für Führungskräfte ist es daher spannend, in gewissen Abständen ihre eigene Entwicklung zu beobachten und zu hinterfragen.
Wenn eine Führungskraft ihre Werte erkannt hat, helfen an dieser Stelle Fragen wie "Wie lebe ich meine Werte?" und "Was hält mich davon ab, diese Werte zu leben und meine Ziele zu erreichen?". Ziel dieser Fragen ist es, das "Alignment" zu erhöhen. Alignment, sich ausrichten, sich anpassen, bedeutet, dass Menschen sich bewusst von ihren Werten leiten lassen. Hohes Alignment zeigt derjenige, dessen Worte und Handeln mit seinen Werten und Überzeugungen in Einklang sind.

Persönliche Entropie

Eingangs wurde postuliert, dass die in einer Organisation gelebte Kultur die Bewusstseinsebenen und die persönliche Entropie des Managements reflektiert.
Persönliche Entropie resultiert aus der Summe der potenziell limitierenden Werte eines Menschen. Wenn nun eine Führungskraft unerfüllte Bedürfnisse auf einer oder mehreren der ersten drei Ebenen hat (oft aus Kindheitserlebnissen heraus), wird sie stark zu potenziell limitierenden Werten wie Kontrolle, Macht oder Status tendieren. Mit entsprechenden Folgen für die Mitarbeitenden und die Organisationskultur.
Denn je höher die Führungskraft in der Hierarchie aufsteigt, desto stärker wirken sich ihre Werte auf die Strukturen und Prozesse im Unternehmen aus: Bürokratie, Hierarchie, interner Wettbewerb oder Gier rauben der Organisation dann wertvolle Energie.

In vielen Unternehmen spürt man noch Jahre nach Ausscheiden eines Vorstands oder Geschäftsführers dessen persönliche Werte. Sie hallen förmlich nach. Die deutsche Wirtschaft ist voller bekannter Beispiele für dieses Phänomen.
Auf den starken Zusammenhang von kultureller Entropie und der Wirtschaftskraft von Unternehmen haben wir bereits in einem unserer früheren Beiträge hingewiesen.

Vom Top-Einzelkämpfer zum Hochleistungs-Managementteam

Was für den einzelnen gilt, gilt analog für Teams. Es wurde vielfach nachgewiesen, dass Managementteams, die aus individualistischen Top-Performern bestehen, bei weitem nicht das Leistungsniveau eines an gemeinsamen Werten ausgerichteten Teams erreichen. Wenn Konkurrenzdenken statt vertrauensvoller Zusammenarbeit vorherrscht, geht dies eindeutig auf Kosten der Teamleistung. Wenn die Führungsmannschaft authentisch und berechenbar handelt und kommuniziert, wenn sie Vertrauen, Offenheit und Kooperation vorlebt, fördert dies die Energie und das Engagement aller im Unternehmen.

In deutschen Unternehmen wurde bisher stark auf Hierarchie, Rollen und Strukturen gesetzt. Jetzt ist eine Zeit gekommen, in der es mehr denn je auch auf Beziehungen, Dialog, Kooperation und das Alignment persönlicher und organisationaler Werte ankommt. Davon profitiert nachweislich das Engagement aller – und damit die Veränderungsbereitschaft, Flexibilität sowie die wirtschaftliche und operative Leistungskraft der Unternehmen. Der Anfang liegt im Wertewandel der Führung. Prof. Fredmund Malik aus St. Gallen formuliert die neuen Anforderungen: „Als Manager müssen wir lernen, das zu sein, was wir wirklich sind: keine Macher und Befehlsgeber, sondern Katalysatoren und Pfleger eines sich selbst organisierenden Systems in einer sich fortentwickelnden Umwelt.”

Manager legt Hände auf den Tisch

Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit erfordern einen Paradigmenwechsel vom ICH zum WIR. Gebraucht werden Führungskräfte, die die Bedürfnisse aller Stakeholder im Blick haben, die systemisch denken und es verstehen, wirtschaftlichen Erfolg mit Sinn und Gemeinwohl zu verbinden.

Im Sieben-Ebenen Modell drückt sich dieser Paradigmenwechsel in einem "full-spectrum“ Profil aus. Individuen oder Organisationen mit einem solchen Profil zeigen Werte auf allen oder den meisten der sieben Ebenen. Die Werte stehen oft sogar in positiver Wechselwirkung zueinander. Denn natürlich sind finanzieller Erfolg, Selbstachtung und Leistung für sie wichtig (Eigeninteresse), zugleich streben sie zu Weiterentwicklung und Lernen (Transformation), sehen einen Sinn im eigenen Tun, schmieden Partnerschaften und leisten einen Beitrag für das große Ganze (Gemeinwohl).

Fünf Merkmale evolutionärer Führungskräfte

In seinem Buch "Everything I have learned about values" beschreibt Richard Barrett fünf Merkmale, die eine evolutionäre Führungskraft auszeichnen und ihr die Fähigkeit verleihen, Kultur nachhaltig zu verändern:

  1. Anpassungsfähigkeit. Sie ist die Voraussetzung dafür, sich entschlossen weiterzuentwickeln, ohne vor Schwierigkeiten zu kapitulieren.
  2. Kontinuierliches Lernen. Vor dem Wachstum steht die eigene Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung.
  3. Die Fähigkeit, Verbindungen mit anderen einzugehen. Das ist wichtig, weil sich gemeinsam mit anderen viel mehr erreichen lässt. Alle werden gestärkt und widerstandsfähiger. Führungskräfte und Teams verbinden sich miteinander, wenn sie gemeinsame Werte und Ziele haben.
  4. Die Fähigkeit – oder auch der Wille – zur Kooperation. Er bringt Teams und Organisationen zusammen und stärkt sie von innen. Erst gemeinsam lassen sich Hindernisse überwinden, die den Einzelnen überfordern würden.
  5. Der souveräne Umgang mit Komplexität. Er resultiert aus Erfahrung, Wissen und Klugheit. Mit einer zunehmend reifenden Persönlichkeit wächst die Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität und Ambiguität. Die Führungskraft ist in der Lage, sich vom Problem zu lösen und das große Ganze zu sehen.

Die eigenen Werte zu kennen und bewusst mit ihnen zu arbeiten, ist der Schlüssel zu Authentizität, Erfolg und Zukunftsfähigkeit von Individuen, Teams und Organisationen. Denn es sind nicht die Organisationen, die sich verändern – sondern die Menschen, die in ihnen wirken.

Worauf warten Sie noch?

Quelle: UmweltDialog
 

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