Und wo bleibt da die Moral?
Kommunikationswissenschaftler der Universität Leipzig haben Mitte Dezember mit dem Bundesverband Influencer Marketing e. V. den „Ethikkodex Influencer-Kommunikation“ veröffentlicht. Zehn Richtlinien sollen Influencern, Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und Agenturen als Handlungsorientierung für ethisch angemessenes Verhalten dienen.
30.12.2019
Die Handlungsempfehlungen wurden auf Basis der Analyse bestehender Kodizes in den Feldern der Werbung, der Public Relations, des Journalismus und der Online-Kommunikation sowie auf Grundlage einer Studie zu den aktuellen ethischen Problemfeldern und Erwartungen in der Branche entwickelt. Das Whitepaper „Ethikkodex Influencer-Kommunikation“ erläutert umfassend die Entstehung, Funktion und Handlungsempfehlungen des Kodex.
Zehn zentrale Richtlinien
„Der Ethikkodex Influencer-Kommunikation bietet Antworten auf die Frage, wie die beteiligten Akteure der Influencer-Branche ethisch angemessen handeln sollen“, sagt Nadja Enke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft (KMW) der Universität Leipzig. „Diesem Ziel folgend, wurden zehn zentrale Richtlinien formuliert und mit konkreten Handlungsempfehlungen ergänzt.“
Die Richtlinien beziehen sich auf die Eigenständigkeit, Transparenz, Aufrichtigkeit, Wahrheit, Fürsorge, Professionalität, Wertschätzung, Respekt, Loyalität und Verantwortung innerhalb des Handlungsfeldes der Influencer-Kommunikation. „Sie gehen deutlich über bestehende rechtliche Regelungen hinaus. Dennoch liegt es in der Verantwortung der Branchenteilnehmer, sich über die bestehende Rechtsgrundlage zu informieren und diese auch einzuhalten“, betont Dr. Nils S. Borchers, der ebenfalls am Institut für KMW tätig ist.
„Social-Media-Influencer vereinen für Organisationen und Unternehmen potenzielle Funktionen aus den Bereichen Marketing beziehungsweise Werbung, Public Relations und Journalismus. Als unabhängige Blogger berichten sie beispielsweise kritisch über Unternehmen und Produkte. Im Rahmen von Organisationskooperationen produzieren sie wiederum Inhalte für Organisationen und verbreiten die Botschaften ihrer Auftraggeber“, führt Nadja Enke aus. „In der Influencer-Kommunikations- und Marketing-Branche verschmelzen somit die ethischen Anforderungen vormals getrennter kommunikativer Teildisziplinen.“
Standard für verantwortungsvolles Handeln
Der neue Kodex soll einen integrativen ethischen Orientierungsrahmen bieten, der es Influencern, Organisationen und Mittlern (Kommunikations- und Künstleragenturen sowie Influencer-Kooperationen vermittelnde Datenbanken) ermöglicht, in unterschiedlichen Situationen ethisch angemessen zu handeln. „Für den Bundesverband Influencer Marketing bedeutet dies, einen Standard für ein verantwortungsvolles Tun und Handeln innerhalb der Influencer-Marketing-Branche anbieten und etablieren zu können und gleichzeitig die Professionalisierung des eigenen Feldes voranzutreiben“, hebt Stefan Doktorowski, Vorsitzender des Bundesverbandes, hervor. „Für uns ist dieses Projekt ein Paradebeispiel für einen gelungenen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis. Der Kodex wurde wissenschaftlich fundiert und unabhängig von den Verbandsinteressen hergeleitet. Diese Unabhängigkeit war uns wichtig, um unseren Mitgliedern zukünftig eine bestmögliche, aber auch glaubwürdige ethische Orientierung bieten zu können.“
Der Kodex wurde auf Basis von zwei empirischen Teilstudien entwickelt: einer Inhaltsanalyse bestehender Kodizes und einer Expertenbefragung. Die Wissenschaftler untersuchten 65 Kodizes nach bestehenden Problemfeldern und übertragbaren Lösungsansätzen. Sie befragten zudem 28 Influencer, Unternehmens- und Agenturvertreter als Experten zu aktuellen Problemfeldern und Lösungserwartungen in der Influencer-Branche.
Hintergrundinformationen
Das Projekt „Ethikkodex Influencer-Kommunikation“ ist Teil eines größer angelegten Forschungsprogramms zur Influencer-Kommunikation. Im Rahmen des Programms beschäftigen sich Nadja Enke und Nils S. Borchers mit verschiedenen Phänomenen rund um Social-Media-Influencer aus Organisations-, Rezipienten- und gesellschaftlicher Perspektive. Sie haben bislang Arbeiten zum Management strategischer Influencer-Kommunikation, zum Persuasionswissen von Kindern und Jugendlichen zur Influencer-Kommunikation sowie zur Definition und Einordnung von Influencern als neuem Akteur öffentlicher Kommunikation veröffentlicht.