Zertifikate & Siegel

MSC zertifiziert Thunfisch trotz massiver Kritik

Der Marine Stewardship Council (MSC) zertifiziert die Fischerei auf Blauflossen-Thunfisch aus dem Atlantik. Der Bestand dieser Fischart galt noch vor wenigen Jahren als stark gefährdet. Der WWF warnt vor einem gefährlichen Präzedenzfall. Die grundsätzliche Kritik am MSC steigt.

17.08.2020

MSC zertifiziert Thunfisch trotz massiver Kritik

Der Marine Stewardship Council (MSC) wird zum ersten Mal sein Umwelt-Label für den Fang von Blauflossen-Thunfisch im Atlantik (Thunnus thynnus) vergeben. Parallel räumte er ein, dass es mindestens fünf Jahre dauern wird, bis die Populationszahlen dieser Art wieder ein gesundes Niveau erreichen werden. Noch vor wenigen Jahren befand sich dieser Bestand am Rande des Zusammenbruchs. Der WWF lehnt die Zertifizierung ab, da sie die vollständige und langfristige Erholung eines der wertvollsten Fischbestände der Welt gefährdet.

Catherine Vogler, Senior Managerin Sustainable Markets beim WWF Schweiz, äussert sich besorgt: „Die vorschnelle Zertifizierung der Fischerei auf Blauflossen-Thunfisch im Atlantik setzt völlig falsche Anreize für den Markt und schafft einen gefährlichen Präzedenzfall. Nachhaltigen Blauflossen-Thunfisch aus dem Atlantik gibt es noch nicht und die Konsumentinnen und Konsumenten können dem Label auf diesem Produkt, das meist in die Spitzengastronomie gelangt, nicht vertrauen.“

Die Entscheidung folgt auf eine zweijährige Beratung und einen vom WWF eingereichten Einspruch gegen die MSC-Zertifizierung des Blauflossen-Thunfisches, der die Zertifizierung aber nicht stoppen konnte. Der WWF und andere NGOs hatten umfangreiche wissenschaftliche Beweise dafür vorgelegt, dass der Bestand nicht innerhalb nachhaltiger Grenzen befischt wird. Die Zertifizierung enthält nun die Bedingung, dass die Fischerei bis 2025 nachweisen muss, dass der Bestand das benötigte Nachhaltigkeitsniveau erreicht hat – was die Sorge des WWF bestätigt. „Es wird heute zertifiziert und Nachhaltigkeit für 2025 angestrebt. Das ist ein alarmierendes Signal dafür, dass sich der MSC vermehrt von der Nachfrage der Industrie als von wissenschaftlichen Kriterien für Nachhaltigkeit leiten lässt“, kritisiert Vogler. „Wir können den Kauf von MSC-zertifiziertem Blauflossen-Thunfisch daher nicht empfehlen.“

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Kritik am MSC steigt

Während Produzenten und Einzelhändler beträchtliches Interesse daran zeigen, das Label zu unterstützen, konnte der MSC noch nicht bei allen Umweltorganisationen Glaubwürdigkeit erlangen. Die wichtigsten Vorbehalte beziehen sich auf die Transparenz und die Steuerung des MSC, sowie die Konsistenz und die Qualität der Fischerei-Zertifizierungen.

Greenpeace beklagt insbesondere das fehlende Vorsorgeprinzip:  Der wichtigste Kritikpunkt an der MSC-Zertifizierung ist, dass sie zu früh im Prozess vergeben wird. Die Zertifizierung wird an Fischereien vergeben, die einem ersten Set von Standards gerecht werden und die einen Aktionsplan verabschieden, um die Fischerei in der Zukunft zu verbessern. Damit wird das Vorsorgeprinzip nicht als Kerngedanke der ökologischen Fischerei anerkannt.

Zertifizierung von überfischten Beständen

Im Jahr 2015 waren mindestens fünf Fischbestände mit MSC-zertifizierten Fischereien außerhalb sicherer biologischer Grenzen. Dazu zählten unter anderem der Seelachs aus der Nordsee und der Wolfsbarsch. Sieben weitere Bestände wurden zu hoch befischt, darunter Seezunge aus der Nordsee und Seelachs von den Faröer Inseln. Der MSC argumentiert, dass die Zertifizierung dazu führt, dass eine Fischerei nachhaltiger wird. Das Siegel kann für Fisch aus bereits überfischten Beständen vergeben werden, wenn ein Erholungsprogramm für den betreffenden Fischbestand existiert. Auch hier handelt der MSC nicht im Sinne des Vorsorgeprinzips – Fischereien auf überfischte Bestände müssen zu einem sofortigen Entzug des Siegels führen.

Der WWF hat Einspruch gegen die erste Zertifizierung einer Fischerei auf atlantischen Roten Thunfisch durch den Marine Stewardship Council (MSC) eingereicht. Er warnt davor, dass die Zertifizierung mit dem Umwelt-Siegel falsche Anreize für den Markt setzt und die langfristige Erholung des Roten Thunfisch im Atlantik gefährdet.

Noch vor wenigen Jahren befand sich dieser Bestand am Rande des Zusammenbruchs. Durch stark gekürzte Fangmengen und bessere Kontrollen erholte er sich zwar wieder, hat aber bis jetzt kein stabiles Niveau erreicht, sodass er nachhaltig befischt werden kann. Zudem ist die genaue Größe des Bestands unklar und der Einfluss der zusätzlichen illegalen Fischerei auf die Art in der Region unbekannt. Unter diesen Bedingungen erfüllt die Fischerei die Kriterien für eine MSC-Zertifizierung aus Sicht des WWF nicht.

„Es ist skandalös, dass der MSC eine Zertifizierung für diese Fischerei überhaupt in Betracht zieht. Sollte sie das MSC-Siegel tatsächlich erhalten, wäre das ein fataler Anreiz für den Markt. Die Bestände, die sich nur langsam erholen, kann das wieder an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Das ist keine nachhaltige Befischung, die ein Umwelt-Siegel verdient“, kritisiert WWF-Fischereiexperte Philipp Kanstinger.

Dr. Rohan Currey, Leiter des Bereichs "Science and Standards" beim MSC, gibt sich in seienr Antwort kleinlaut, gleichwohl hat sich die Entscheidung davon nicht beeinflussen lassen: "Wir begrüßen weiterhin das Mitwirken des WWF und vieler weiterer Interessenvertreter in unserer laufenden Überarbeitung des MSC-Umweltstandards.Um weiterhin Veränderungen in der Art und Weise voranzutreiben, wie unsere Ozeane befischt werden, müssen wir nicht nur eine hohe Messlatte für die Anforderungen an eine nachhaltige Fischerei setzen, sondern auch denjenigen Anerkennung zuteilen, die sich dafür einsetzen, diese hohen Anforderungen zu erfüllen."

Kein Fisch-Gütesiegel empfehlenswert?

Augenblicklich gibt es aus der Sicht von Greenpeace kein Siegel für nachhaltige Fischprodukte, das uneingeschränkt empfohlen werden kann. Obwohl die vorhandenen Label die bestmögliche Alternative darstellen, können sie nicht garantieren, dass die spezifischen Produkte aus nachhaltigen Fischereien stammen.

Quelle: UD
 

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